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20241002/03, nach mitternacht jedenfalls

gestern (also eigentlich jetzt vorgestern) vor fünf jahren haben wir uns kennengelernt. also wir kannten uns schon. aber gestern vor fünf jahren bin ich in meine damalige wohnung in shapira gefahren worden und wusste, dass du in mich verliebt bist. und obwohl ich noch nicht in dich verliebt war, wusste ich gleichzeitig, dass die dinge anders waren als ein paar stunden zuvor, in denen ich zusammenhanglos entschieden hatte, auf die party zu kommen, die im haus deiner freundin stattfand. und während ich eigentlich immer finde, dass jedes gestern sofort sehr weit lang her ist, ist das gestern vor fünf jahren merkwürdig präsent und nahe. ich weiß nicht, was ich heute zum frühstück hatte, aber ich weiß, wie ich mich an dem abend vor fünf jahren und in den kommenden wochen und monaten gefühlt habe. ich erinnere mich an so viele details und momente, dass mich jeder gedanke an diese zeit der vergangenheit überschwemmt mit erinnerung. dass es jetzt fünf jahre sind, weiß ich allerdings wiederum nur zufällig und wegen internet. aber seit gestern habe ich so sehr viel an dich gedacht, so merkwürdig viel, dass ich lange stunden angst hatte, dass du zu den opfern des terroranschlags gehört hast, der gestern nicht weit von meiner wohnung stattfand. die idee hatte sich so sehr in meinen kopf eingefressen, dass ich dein bild heute fast gesehen habe, als die fotografien der opfer veröffentlicht wurden.

ansonsten gab es noch raketen aus dem iran auf israel, ein neues warnsystem, das nur hebräisch kann, menschen, die mich mit in ihre hausflure nehmen, erschöpfung und die feststellung, wie sich normalität hin zum ausnahmezustand verlangsamt und dann wieder stunden braucht, gegenwart zu sein. jemand hat mir heute abend beim rosh hashana dinner davon erzählt, wie menschen erst in seinem bus und dann in seinem schutzraum geschrieen und geweint haben vor angst, ja. hat mir wenig später geschrieben, dass sie den anschlag durch ihre haustür ansehen musste. und während ich schon seit dezember immer wieder feststelle, wie viel mehr stille es in der stadt gibt, ist sie seit gestern noch einmal stiller geworden. oder dass es einfach verschiedene arten von stille gibt.

am montag bin ich nach jerusalem gefahren, um zu einem schloschim für Hersh Goldberg-Polin zu gehen und davor noch am hostage tent zu volontieren. und als ich dort stand mit meiner Tafel (wieder wenngleich zufällig) für Daniela Gilboa hat mich plötzlich jede kraft verlassen und damit auch der mut, allein in das community center zu fahren und allein teilzunehmen.

rund 180 raketen aus dem iran also.

israel ist im libanon einmarschiert und heute wurden die namen von acht gefallenen soldaten bekanntgegeben: Cpt. Eitan Itzhak Oster, 22 aus Modi’in; Cpt. Harel Etinger, 23 aus Eli; Cpt. Itai Ariel Giat, 23 aus Shoham; Sgt. First Class Noam Barzilay, 22 aus Kohav Yair; Sgt. First Class Or Mantzur, 21 aus Beit Aryeh; Sgt. First Class Nazar Itkin, 21 aus Kiryat Ata; Staff Sgt. Almken Terefe, 21 aus Jerusalem und Staff Sgt. Ido Broyer, 21 aus Nes Tziona.

hamas hat die verantwortung für den anschlag übernommen, zwei männer aus hebron haben ihn ausgeführt, sieben menschen sind tot, die namen, gesichter und geschichten von sechs von ihnen nun bekannt: Revital Bronstein, 24 aus Bat Yam; Ilia Nozadze, 42, ein georgischer staatsbürger; Shahar Goldman, 30 aus Lod; Inbar Segev Vigder, 33, Nadia Sokolenco, 40 and Jonas Chrosis, 26, ein grieche, der in jerusalem lebte und in Tel Aviv architektur studierte. Inbar Segev Vigder hatte ihren im dezember 2023 geborenen sohn Ari dabei, der den angriff überlebte.

es ist so kühl jetzt, dass ich nachts auf dem balkon sitze und dies schreibe und dabei friere.

auf das baijzel gab es einen brandanschlag. die kinder von li. sprechen von einem guten leben in berlin, den drei tagen ihres aufenthalts und überhören jede meiner erzählungen. ich befinde mich für erschreckend lange zeit in “Wenn Männer mir die Welt erklären” von Rebecca Solnit. du bist familie jetzt, sagt li, als wir uns verabschieden. ha. will nicht übers kranksein sprechen, aber unbedingt weiter rauchen. darin steckt eine eigene art von abschied, fürchte ich, auch, weil sie noch härter gegen ihre umgebung und die in ihr lebenden menschen geworden ist. es geht uns nur scheinbar gut und wie lachen und reden und essen ausgezeichnet und über allem ist nur traurigkeit und angst und alles geht immer wieder zurück auf die gestriege zeit des angriffs und ihre geschichten. in deutschland legt man mir nahe, früher zurück zu kommen. hier geht man keinen moment davon aus, dass ich wieder zurückgehen werde. in beiden realitäten tauge ich als enttäuschung.

20240929, nachts

gestern abend zur kundgebung gegangen, die aufgrund der vermehrten ins landesinnere gehenden angriffe keine offizielle war und nur von wenigen menschen besucht wurde. also vielleicht so 2.000. das wie immer viel intensiver gefunden, viel lauter. in den sozialen medien war immer wieder die rede davon, dass der tod von nasrallah auch hier in der stadt gefeiert worden sei, ich dachte vor allem, dass sie viel leerer ist als sonst, noch stiller als seit monaten sowieso schon und ich bin den ganzen weg gelaufen vom gate menahem begin road bis florentin. ich ärgere mich, dass so videoschnippsel dann online zu einer realität werden, die deutlich mehr verspricht, als momentaufnahme zu sein und noch viel mehr ärgere ich mich, wie wenig diese veränderten stadtbilder und -geräusche als veränderungen seit dem 7. oktober zur kenntnis genommen werden.

nachts bei der telebar fällt mir auf, dass einer der gründe, warum ich nicht zurückfliegen will, ist, dass ich angst habe, noch einmal diesen weg am flughafen entlang der poster der geiseln gehen zu müssen. ich merke, wie mir die kraft dafür fehlt und auch heute abend, nach dem besuch von momo der Batsheva Dance Company (was für eine unfassbar wahnsinnig gute performance), wiederhole ich das nochmal gegenüber ja., mit der ich noch einen aperol trinke. das erste mal seit langem habe ich wieder eines dieser langen gespräche über die geiseln und was diese situation mit uns macht, eines dieser gespräche, die ich im winter und frühjahr permanent hatte und die, das fällt mir erst jetzt auf, aus dem alltag verschwunden sind. und wie damals muss ich wieder öffentlich weinen.

überraschend viele menschen, die nicht hier sind, wollen mir die situation hier erklären.

ansonsten gewöhne ich mich vielleicht doch ein bisschen daran, dass weniger machen ganz okay ist und nicht gleich oder ausschließlich panik auslösen muss. einen moment funktioniert das. denke zudem, ich habe mich endlich für einen morgendlichen kaffee-ort entschieden. neue blundstones gekauft, das lieblinghaus besucht und nach wie vor unentschieden, was ich davon halte.

annalena baerbock ist der meinung, dass die eliminierung von nasrallah keine gute idee war und „in keinster Weise im Interesse der Sicherheit Israels“ sei, die lage jetzt “brandgefährlich” ist. habe mich heute ein bisschen mit dieser United Nations Security Council Resolution 1701 von 2006 beschäftigt und bin noch fassungsloser als sowieso schon, was die situation vor ort angeht (wie es trotz dieser beschlüsse hezbollah möglich war, derart viele waffen anzusammeln und sich so nahe an israels grenze zu positionieren) und hinsichtlich die zuweisungen von verantwortung einer eskalation allein jetzt und aufgrund israels handeln. und ja, ich weiß, das ist immer so und schon immer genauso passiert und wird dadurch trotzdem nicht besser. das ist nicht gewöhnungsmöglich. deutschland hat zuletzt nicht nur die bewilligten ausgaben für waffenlieferungen an israel deutlich gesenkt – 2023 genehmigte die bundesregierung exporte in höhe von 326,5 mill. euro, zehnmal so viel wie 2022 und bis august 2024 nur noch 14,5 mill. euro – sondern veränderte auch grundlegend die art der lieferungen: seit dem 7. oktober handelte es sich nur bei zwei prozent um kriegswaffen, der rest waren unter anderem helme, schutzwesten kommunikationsmittel. und seit märz 2024 verzichtet deutschland gänzlich auf kriegswaffenexporte nach israel. aber gleich ist 9. november, da kann man wieder um tote juden trauern und stolpersteine polieren und sich gut fühlen weil es so super klappt mit dem deutschen erinnern, für das man sich jahrzehnte eingesetzt hat, um doch noch was gutes aus den eigenen verbrechen fürs eigene soseon zu basteln.

20240928, später nachmittag

ich sollte mehr schreiben. wegen der vielen dinge und zur ordnung in meinem kopf. aber ich bin sehr müde und meine gedanken springen permanent. das heißt auch eine große unlust auf alles. stelle wieder fest, dass ich nur sehr einfache oder mir bereits bekannte serien/filme gucken kann, alles andere ist mir schlicht zu anstrengend. diese mentale überlastung ist schwer zu be/greifen. vielleicht einfach, weil ich mental überlastet bin. jedenfalls gucke ich vermutlich jeden tatort nach, der angeboten wird. es ist faszinierend, wie wenig es braucht, um da folgen zu können. seit montag dreimal alarm: rakete aus libanon (mittwoch, sehr früh morgens), rakete aus dem yemen (nacht von donnerstag zu freitag, irgendwas kurz vor meinem einschlafen) und rakete aus dem yemen vor ein paar minuten. die hausbewohner:innen, die ich tagsüber nie sehe, ob wohl das haus wirklich klein und die zahl der wohnungen wirklich übersichtlich ist, treffe ich nun also jeweils im treppenaufgang. alarm ist krass aus bisher drei gründen: (1) man erschrickt wahnsinnig, wenn er losgeht. es gibt quasi keine möglichkeit, darauf vorbereitet zu sein. glaube ich zumindest. beim ersten mal ging es auf dem telefon los und ich konnte den ton erst nicht zuordnen, weil ich ihn nicht kannte und weil ich gerade so beim einschlafen war und das irgendwie in diesen prozess eingebaut habe. (2) draussen entsteht etwas raumgreifendes, ein geräusch, von dem man glaubt, dass man es anfassen kann und dass die leere zwischen den häusern besetzt. ich weiß, wie bescheuert das klingt, aber es ist, als würde sich eine unsichtbare masse durch die straßen schieben. (3) ich habe nicht konkret angst (glaube ich), aber wenn es vorbei ist, möchte ich immer weinen. ich denke irgendwas mit verletzlichkeit, mit ausgeliefertheit, oder so.

jedenfalls übermüdung.

idf hat in den letzten tagen nach und nach hezbollah funktionäre ausgeschaltet und gestern dann nasrallah.

am mittwoch in jerusalem gewesen, mit no. essen, dann ihre ausstellung, dann designweek im hansen, dann hostage tent und dabei lange mit dem plakat von Daniela Gilboa am straßenrand gestanden. wir waren nur zu zweit. eine sehr junge frau hat sich um das zelt gekümmert. niemand ist wirklich stehengeblieben dieses mal, aber viele und dabei auffällig viele offensichtlich religöse menschen zeigten und gegenüber ihre solidariät und manchmal auch ihre traurigkeit. Daniela Gilboa gehört zu den soldatinnen, die von der nahal oz basis entführt wurde und die zuletzt lebend in einem video zu sehen war, das hamas anfang juli veröffentlichte. am tag der aufnahme war sie vermutlich 107 tage in der gewalt von hamas, die familie sah die aufnahmen 170 tage nach der gefangennahme. sie ist jetzt 20 jahre alt. auch wenn ich es nicht geschafft habe, an jeden geburtstag einer geisel zu erinnern, ist jetzt jede von ihnen ein jahr älter.

ich weiß nicht, ob verhandlungen stattfinden und wenn ja, wie sie sich gestalten. offensichtlich aber ist, dass die geiseln gerade nicht im vordergrund stehen. das ist mit blick auf die ereignisse im norden und auf die begrenzheiten und wirkungsweisen medialer aufmerksamkeiten nachvollziehbar. aber es verstetigt das bleierne gefühl von gegebenheit, von ist-zustand, von damit-leben, von verfestigtem schmerz. offiziell soll es heute keine demo geben, zu groß ist die gefahr von raketen. aber die familien treffen sich am kundgebungsort.

donnerstag abend ro. besucht. vielleicht hat es dieses mal merkwürdig lange gedauert, bis ich hier ankomme. ganz sicher ist es schwerer mit depression irgendwo zu sein. vielleicht haben aber auch die zeit in jerusalem und die besonderheiten der zeit in jerusalem irgend einen zwischenzustand kreiert. jedenfalls jetzt ist das hiersein wieder richtig. so mit die straßen entlanggehen und anwesend sein und verbunden.

ich arbeite ein bisschen mehr. ein paar sachen ab. und habe eine mail mit einer projektidee an jemanden von der hebrew university geschrieben und das ist mehr als ich in den letzten wochen hinbekommen habe. und es brachte mir umgehend einen termin ein. versuche zudem seit ein paar tagen, meinen rückflug nach hinten zu verschieben. was nahezu unmöglich ist, weil entweder keine plätze mehr oder vereinzelte für so viel zu viel geld. aber wenn so eine idee einmal im kopf ist, funktioniert es ja so ungefähr nie, einen punkt zu finden und zu sagen: na dann eben nicht. und obwohl es quasi aussichtslos ist, sind hier x-verschiedene tabs offen, mit denen ich varianten durchspiele.

20240924, abends

ich wollte eigentlich eine zusammenfassung des 22./23.09. schreiben, davon, wie das flugzeug nicht losfliegen konnte wegen kaputt und ich keine sauberen klamotten mehr hatte und wie das, was ich trug innerhalb von fünf minuten klatschnass wegen regen war, wie die sohle von meinem lieblingsschuhen brach, die schuhe nicht trockneten, etwas über die fünf stunden schlaf im fancy hotel, den veganen cheeseburger und zimmerservice, bevor wieder anstehen und fragen und einchecken und warten und dann fliegen und von den passagier:innen, die beim abheben klatschen und jubeln und vom glück, endlich mal wieder einen freien mittelsitz zu haben und von der einreise und den immer noch da stehenden porträts der geiseln. aber naja, auch egal.

mi. und ich haben entschieden, dass sie nicht kommt. dass ich froh bin, in der derzeitigen situation keine verantwortungen für jemanden tragen zu sollen, macht das gefühl nicht besser, dass ich sie irritierend stark vermisse, obwohl sie ja gar nicht hier war und dass ich es kaum aushaltbar finde, dass die umstände eine solche entscheidung überhaupt notwendig machten. und damit meine ich nicht nur, dass ich mein leben ungern von umständen, die ich nicht beeinflussen kann, gestalten lasse.

abends war ich bei no. und sie kocht mir shakshuka. es entstehen neue nähen und es beschäftigt mich bis heute, dass sie sagte, wie sehr es sie deprimiert, dass jemand wie ich mit all den dingen und büchern und erfolgen trotzdem gerade nicht weiterkommt. dass jemanden noch etwas anderes deprimiert als die situation hier. auch komisch. den ganzen abend chatte ich parallel mit s., die mir nicht nur videos der raketen schickt, die sie von der terrasse aus sieht, sondern die mich auch bittet, ihre mutter zu kontaktieren, falls etwas passiert und mir die notwendigen daten schickt.

den tag mit ed. verbracht, in holon gewesen, zu viel sushi gegessen. bemerkt, dass sie mir zunehmend andere geschichten erzählt, zum beispiel die, wie sie oft geweint hat in deutschland, weil sie so viele schreckliche und gemeine (antisemitische) dinge zu hören bekommen hatte.

als vor ein paar wochen eine rakete von hizbollah die zwölf kinder in Majdal Shams tötete, merkte ich zum ersten mal, wie ereignisse die beschäftigung mit den / die erinnerungen an die geiseln für eine weile überlagern. und jetzt dieser sich ausbreitende krieg im norden, die raketen, die tiefer ins land fliegen, die ängste, lassen die aufmerksamkeit für die geiseln schwinden. es ist wie eine gefrorene situation, etwas, das da ist, aber sich auch nicht mehr zu ändern scheint. ein gefühl von wir leben jetzt eben damit. (ich könnte kotzen, wenn ich das schreibe, mein ganzer körper zieht sich zusammen) es heißt nun offiziell, nur die hälfte von ihnen lebt noch. das sind 50 menschen. aber immer wieder höre ich jetzt auch, dass menschen tatsächlich aussprechen, dass sie nicht mehr wirklich davon ausgehen, dass noch jemand zurückkommt. das ist jetzt der status quo und li. sagt, sie können nicht einmal mehr zu den demonstrationen gehen, obwohl sie wisse, wie wichtig es für die angehörigen ist, solidarisch zu bleiben. ihr fehlt die kraft. auch um deadlines einzuhalten, sich um irgendetwas zu kümmern oder auch nur, um verbindlich zu sein. wir telefonieren sehr lange und sie springt zwischen den themen und erzählt sachen ohne zusammenhang. es verlangt all die wenige geduld die ich so habe, aber ich will es aushalten, weil es eben so ist. menschen erzählen die dinge, die ihnen im kopf sind. ohne kontext und nicht als antworten auf gestellte fragen oder als beitrag in einer diskussion. sondern weil sie die gelegenheit haben, weil jemand gerade zuhört. und ha. hat brustkrebs. und ya. onkel ist im krankenhaus und in haifa ist alarm und sie muss eine weile in einem moshav wohnen und für andere sorgen und da ist immer alarm seit einigen tagen. sie geht trotzdem. natürlich.

ich lese weniger nachrichten.

Eitan Horn ist gestern 38 jahre alt geworden. er lebt in kfar saba und war am wochenende des 7.oktobers im Kibbuz Nir Oz, um seinen bruder Yair zu besuchen. es gab zunächst keine hinweise, dass sie beide tatsächlich von hamas nach gaza entführt worden waren, erst nach wochen bekam die familie eine bestätigung.

es ist kühler auch wenn es nach wie vor heiß ist. es ist noch einmal ruhiger in der stadt geworden, und wenn man abends an kneipen oder restaurants vorbeiläuft ist es ein bisschen merkwürdig, dass man auf menschen trifft und dann doch erleichternd.

ich will trotzdem nicht nach deutschland zurück. das wohnhaus (!) von joe chialo ist in der nacht zu montag von irgendwelche pro-palestine-idioten beschmiert worden. erst vor kurzem hatten sie oder andere ihn bei einer rede im zentrum für kunst und urbanistik in mitte bedrängt, angegriffen, beschimpft und beleidigt.

20240923, nachts (aber geschrieben schon am 20240922, sehr früher morgen und bevor das chaos eines nicht startenden flugzeugs absehbar war)

bei ankunft des fluges in london (am vergangenen dienstag), dankt die crew nicht nur fürs mitfliegen, sondern auch der idf fürs land-beschützen und wünscht sich, dass alle geiseln bald frei sind. das korrespondiert für einen moment mit einem bekannt gewordenen vorschlag für einen deal, bei dem alle geiseln mit einem mal rauskommen, sinwar gaza verlassen darf, es dort neue politische verantwortliche gibt, und obendrauf noch eine reihe von palästinensischen häftlingen aus israelischen gefängnissen entlassen werden. Ich habe in den letzten tagen nicht viele nachrichten gelesen, aber mein oberflächlicher eindruck ist, dass das bisher wenig intensiv diskutiert wird. untersucht wird aber, ob sinwar vielleicht bei einem der luftangriffe auf gaza verletzt oder getötet worden sein könnte. nach verlassen des flugzeuges die nachricht, dass pager in den händen und hosen von hizbollah-angehörigen explodiert sind. am nächsten tagen sind es dann funkgeräte. die israelische luftwaffe fliegt zunehmend angriffe, in den vergehenden tagen nähern wir uns konstant einem krieg an.

auf dem flug waren mindestens 60 prozent menschen, die sich offensichtlich als jüdisch und religös zu erkennen geben. in der stadt werde ich in den folgenden vier tagen keinen einzigen sehen. jetzt allerdings, beim warten auf den rückflug, versammeln sich neben mir immer mehr männer zum gebet. (die enge räumliche beziehung ist zufall) wir wohnen in der nähe der brick lane und meine erinnerung hat offensichtlich die räume verschoben. entscheidender aber ist, dass diese ab hier und mit jedem meter weiter in den osten der stadt immer mehr von streng muslimischen männern, frauen und kindern geprägt sind. ich habe noch nie so viele frauen derart vollständig verschleiert gesehen, noch nie so viele sehr junge mädchen. es gibt palästinafahnen, aber deutlich weniger, als ich erwartet habe. es gibt auch an den fassaden nur selten eindeutige graffiti oder aufkleber und ich sehe sie nur, weil ich wirklich scanne. es gibt keine bilder der geiseln. was es gibt, ist ein kleines pro-palestine-camp nahe der uni, menschen, die auf der straße immer wieder unvermittelt, aber sehr laut „free palastine“ brüllen, eine studentin, die uns mit einem melonen-aufdruck-tshirt entgegenkommt und mich kurz befürchten lässt, es könnte proteste gegen die konferenz geben, antizionionistische und/oder gegen israel gerichtete literatur in kunst- und museumsbuchläden und in dem anarchistischen um die ecke unserer unterkunft dann auch. und es gibt dann doch eine irritierend gute vorstellung davon, was es für menschen sind, die sich für die großen antisemitischen demonstrationen in der stadt mobilisieren lassen/ließen. ich bin nicht sicher, ob es nur die politischen restriktionen sind, die es verunmöglichen, postionierungen an den hauswänden zu hinterlassen oder nicht auch die gewissheit der hier lebenden, dass es nicht notwendig ist, räume auf diese weise zu besetzen. aber die beiden baigel-läden existieren noch. ich bin extra gucken gegangen. an einem abend suche ich auf maps nach synagogen und stelle fest, dass wir an einer oder vielleicht an zweien durchaus vorbeigekommen sein könnten. aufgefallen ist es mir an keiner stelle. das verstörende aber war dann vor allem das schweigen auf der tagung. jmd. behauptet uns gegenüber, trotz des themas – antisemitismus und holocaust – keinerlei anfeindungen in der bildungsarbeit erlebt zu haben, will aber wissen, ob es für uns anders ist. überlegungen, man müsse die vermittlung von wissen und die erwartungen, dass sie das allheilmittel ist, modifizieren oder doch zumindest besprechen, teilt er nicht. scheint, folgt man den vorträgen, überhaupt niemand zu teilen. überhaupt ist alles, jedes gespräch, jede diskussion, jede präsentation prä-7.oktober. es könnte entspannend sein, oder mich ablenken, aber es ist verunsichernd und irritierend und anstrengend.

viel gut gegessen, viel bier getrunken, viel gelaufen, zu viel geld ausgegeben. robin hood gardens noch mal gesehen, oder das, was davon noch da ist und den fassadenverunstalteten balfron tower, barbican als immerwährender happy place, tate modern war irgendwie langweilig, der umbau der battersea powerstation und der umbau ihrer umgebung ernüchternd.

immer wieder mit meiner anwesenheit auf der konferenz gehadert. selbstverortungen, zugehörigkeiten, einlassungen sind schwierig in einer zeit, in der ich zu ängstlich bin, dass mein leben in wissenschaft zu ende ist, in der ich so sehr hadere und zu sehr andere beneide um ihre möglichkeiten. und dann gibt es da immer wieder diese momente, wo ich neue themen finde, und frage und erkenntnisse.

20240917, nachmittags

ich habe mir das anders vorgestellt, dieses mal eben nur für eine kurze sache das land verlassen-ding. und das nicht nur, weil ich dann doch einen koffer dabeihabe, den ich aufgebe statt nur einen rucksack. ich will einfach nicht das land verlassen. nicht für berlin und nicht für einen ausflug sonstwohin. irgendetwas daran ist beklemmend. ich will nicht nur nicht an keinem anderen ort sein, ich will vor allem diesen hier nicht verlassen. und ich habe diese unbestimmte bestimmte angst, dass in derkurzen spanne meiner abwesenheit etws passiert. die angriffe im norden nehmen – gefühlt? – zu und aus dem yemen kam diese rakete und israel definiert nun offiziell als kriegsziel, dass der norden für seine bürger:innen wieder bewohnbar wird.

gestern war kein guter tag, gesundheitlich. trotzdem abends ans meer gegangen und lange mit jo. telefoniert.

am flughafen müssen wir immer noch die porträts der entführten ablaufen. seit meiner ankunft sind es 13 weniger. und vielleicht mehr botschaften und geschenke.

eine schöne geschichte: vor rund vier wochen wollte ein 4jähriger im hecht museum in haifa in einen 3.500 jahre alten großen krug schauen und riss ihn dabei um, so dass er mehrfach zerbrach. die familie war so erschrocken, dass sie das museum fluchtartig verließ, von den mitarbeiter:innen aber schnell ausfindig gemacht werden konnte. das gefäß wurde mit nun sichtbaren bruch- und einer absichtlich belassenen leerstelle/n, die so zum teil seiner geschichte werden, repariert und wieder ausgestellt, erneut ohne vorrichtungen zu seinem schutz, die familie mit kind dazu eingeladen und die hoffnung geäußert, dass das neugierige kind nun vielleicht archäologe werden wolle.

20240915, vorallem nachmittags

shabbat dinner wie ich es mag: gutes essen mit vielen menschen, die sich alle für diese abend zusammengefunden haben. schönes haus. nördlich außerhalb von tel aviv. ich bin noch nicht dahinter gekommen, ob si. und ich befreundet sind oder ob es nur ein komisches abhängigkeitsdenken ist, weil wir gemeinsamkeiten in der berufsbeschreibung haben und menschen von außen sagen würden, dass wir sehr ähnliche forschungsthemen haben. was nicht stimmt. aber egal. nach dem essen erzählt eine anfang 20jährige studentin von ihrem leben in brüssel, davon, während des gesamten semester nicht an die uni gegangen zu sein, aus angst. davon, ihre gesamte präsenz in den sozialen medien gelöscht zu haben, da sie, obwohl sie sich nie als jüdisch zu erkennen gegeben, etwas zum 7. oktober gesagt oder zur aktuellen situation veröffentlicht hat, trotzdem angefeindet wurde. massenhaft. und davon, dass vormalige freund:innen nicht aufhörten, ihr beleidigende, fordernde, aggressive, spöttische, gemeine, antisemitische, anti-israelische nachrichten zu schicken. von isolation, fehlenden perspektiven, veränderten wahrnehmungen und räumen. sie spricht irritierend ruhig, sie ist irritierend ruhig. und wahnsinnig freundlich. wir wissen um all diese geschichten und situationen und vorkommnisse und können trotzdem für die kommenden stunden nicht aufhören, verstört zu sein. dabei ist das nicht das ende des abends. si. spricht über arbeit und ich unterbreche ihren monolog mit der frage, wie es ihr geht. nun spricht sie über die situation im land und ihre, darüber, eine ausstellung in wien über jüdische architekt:innen vorbereitet zu haben, die dann von der museumsleitung abgesagt wurde, weil man aktuell nichts zur entstehung israels machen wolle. über die angst, dass auch der jüngste sohn noch zur idf müsse während noch krieg ist. über die tochter, die vor wenigen jahren ihren armeedienst bei der einheit 414 in nahal oz geleistet hat. am 7. oktober ermordete hamas 19 frauen dieser einheit. sie waren zwischen 18 und 22 jahre als. sieben weitere soldatinnen verschlepten die terroristen von hier nach gaza: Liri Albag, Karina Ariev, Agam Berger, Daniela Gilboa und Naama Levy sind nach wie vor in ihrer gewalt, Ori Megidish konnte nach 23 tagen gefangenschaft von der IDF gerettet werden. Noa Marciano wurde von hamas ermordet, ihre leiche brachten israelische soldaten zur beerdigung zurück nach hause.

es geht nun immer um hoffnungslosigkeit. um fehlende auswege. schwindende chancen. die unmöglichkeit, positive szenarien zu entwickeln.

zum ersten mal eine der shabbat-buslinien genutzt, die von der stadtverwaltung tel aviv 2019 geschaffen wurden und finanziert werden, da sie einen transport ermöglichen (müssen), der von den nutzer:innen nicht (unmittelbar) bezahlt wird.

samstag tagsüber kunst und offene ateliers in süd tel aviv. auffallend viele porträts, auffallend oft in uneindeutigkeit gemalt. aber vielleicht ist das zufall und ich will nur etwas verbindendes, allgemeingültiges sehen. lange mit einer fotografin gesprochen, die seit 2012 ins westjordanland fährt und u.a. zur zerstörung der olivebäume der arabischen bevölkerung arbeitet. abends demonstration. seit der ermordung von Carmel Gat, Hersh Goldberg-Polin, Eden Jeruschalmi, Alexander Lobanov und Almog Sarusi sprechen allein angehörige der noch verschleppten oder überlebende. ich verstehe quasi nichts und merke nur, wie der schmerz den raum übernimmt und ein bisschen auch meinen körper. wenn die namen aller noch gefangenen verlesen und ihre bilder auf den großen leinwänden gezeigt werden, weinen immer noch viele und ich. Anat Angrest, die mutter des entführten soldaten Matan Angrest, spielte 30 sekunden einer audiodatei vor, die von den entführern/bewachern angefertigt und vor kurzem in gaza gefunden worden war. es war das erste Lebenszeichen, nachdem er am 7. oktober ebenfalls von dem armeestützpunkt Nahal Oz verschleppt wurde. sowohl die proteste werden fordernder als auch das handeln der polizei brutaler: gestern wurden 15 menschen festgenommen. wir essen danach kuchen in der wohnung von yo.s mutter und niemand weiß mehr irgendwas von zuversicht, aber jeder viel über die gedanken eines umzugs und die pässe anderer länder. aber niemand spricht von selbst über die situationen von juden:jüdinnen an diesen orten. erst nach meinen nachfragen oder kommentaren wird klar, dass niemand das nicht weiß aber die optionen eben trotzdem bestehen bleiben müssen.

dies dann auch heute bei kaffee und brot mit ja., die nicht aufhören kann, die möglichkeiten auszuloten, wieder nach london zu gehen und gleichzeitig hier bleiben will. die sich in diesem dazwischen zu nichts entscheiden kann, keine anfänge wagt, kein ende schafft. ich habe sie im märz 2023 im cafe shapira kennengelernt, da waren sie und ihre familie gerade ein paar tage im land, aliya. nach dem 7. oktober sind sie ausgereist, wenig später wiedergekommen. nicht nur, weil ihre neue wohnung hier war, und der kindergarten, sondern auch, weil die situation in london nicht auszuhalten ging, eine neue angst produziert hat oder auch nur sie endlich offensichtlich werden ließ.

heute am sehr frühen morgen schickte der yemen eine rakete. im gesamten zentrum des landes alarm, ausgenommen in tel aviv. den abend mit or. verbracht, endlich.

ich habe wieder zuhause hier. nicht nur durch die stadt, sondern auch als alltag. und ich habe panikgedanken, weil ich am dienstag nach london fliegen muss. immer gewünscht, das mal zu machen, so einen kleinen ausflug für ein paar tage außer landes. nun löst es nichts mehr gutes aus.

the cure legen eine veröffentlichung ihres albums am 1. november nahe. the twillight sad spielen in kleinen clubs und ich habe ein ticket. ein sehr vergangener ex fragt, was ich von einem philipp boa konzert im mai halte. ich kann die nachnicht nicht mal beantworten vor irritation.

345 tage 7. oktober

20240912, abends

ich kann nicht in den norden fahren, weil zu viel alarm und zu anstrengend und vor ein paar tagen eine drohne in ein wohnhaus in naharija geflogen ist, sagt si., die im norden wohnt und nicht weggehen will und trifft sich lieber mit mir in haifa. wir gehen ins fattush, das ich liebe seit immer und ich bin froh das es noch existiert und beim betreten einen moment lang zu überwältigt, eben weil es noch exisitiert und es dieses zurückkommen geben kann und mir fällt auf, dass es vielleicht der letzte ort von bedeutung für mich ist, den ich zum ersten mal seit dem 7. oktober wieder besuche. da sind irgendwelche windungen in meinem kopf, die etwas machen mit sentimentalitäten und brüchen, die nach dem anderen suchen und es immer auch finden, aber nicht immer bezeichnen können. anders ist, wie leer es ist. die gegend ist in den letzten jahren deutlich aufgewertet und es gibt unübersichtlich viele ausgeh-orte. sie sind wenig besucht. selbst für einen tag ‘unter der woche’. es gibt weniger bilder der entführten. an den wänden ist es ein bisschen früher. wir sitzen lange zusammen und reden immer und immer wieder über die situation, gleichen unsere verbindungen und erinnerungen an die ermordeten geiseln ab, checken unsere telefone, beobachten die vielen hubschrauber. es ist traurig und intensiv und es tut mir gut.

die idf hat ein video des tunnels veröffentlicht, der unter einem kinderzimmer seinen anfang hat, 120 meter lang ist und so niedrig, dass man nicht aufrecht stehen kann. sie zeigen die dinge, die sie gefunden haben und die von dem leben der ermordeten geiseln zeugen, von der enge, und der dunkelheit. und das blut, das auf dem boden ist. heute morgen spreche ich mit jemandem aus deutschland, der weder von diesem video wusste noch von dem, was da eigentlich als deal gerade verhandelt wird. oder wurde.

in der schweiz hat der nationalrat beschlossen, die zahlungen an unrwa einzustellen. am sonntag war Avera Mengistu seit zehn jahren in gaza gefangen. seine familie sprach auf dem platz der geiseln unter anderem darüber, was es für sie bedeutet, dass sein bild nun überall in den straßen zu sehen ist und angehörige der geiseln vom 7. oktober entschuldigen sich dafür, all die jahre nicht verstanden zu haben, wie wenig seitens des staates getan wurde, ihn zurückzuholen. am dienstag wurden die zwillingsbrüder Gali und Zvi Berman 27 jahre alt. hamas entführte sie am 7.oktober aus kfar azza. Yosef Haim Ohana wird heute 24. in london plant die palestine solidarity campain-eine demonstration für yom kippur. in berlin wollen morgen der bund der kommunisten und der kommunisitsche jugendbund ein solidaritätskonzert für palästina auf der thomashöhe veranstalten.

20240908, nachts

gestern nacht sprach unter anderem Andrei Kozlov, der anfang juni als eine von vier geiseln durch die idf befreit werden konnte, auf der demonstration über seine zeit mit Alexander Lobanov in den tunneln in gaza und über ihre unterhaltungen, ihre hoffnungen, frei zu kommen, über das glück, dass sich der wunsch für ihn erfüllt und über den horror, dass Alexander Lobanov nicht lebend freikam. es soll die größte demonstration in der geschichte israels gewesen sein. zeitgleich wurden auf dem dizengoff square kerzen für die ermordeten angezündet, elf monate nach dem angriff. es schichten sie immer mehr bilder und erinnerungszeichen über den rand des brunnens und wir stellen die kerzen dazwischen. menschen treffen und umarmen sich. sie sind vor allem sehr jung, aber immer wieder kommen auch familien, großeltern vielleicht, eltern, geschwister, zu zweit oder in größeren gruppen. bei vielen wirkt es auch wie ein wiedersehen.

ich weiß nicht, ob es stimmt, aber nachts ist die stadt viel dunkler als ich sie erinnere. auf dem weg nach hause getraue ich mir zum ersten mal und endlich, im lieblingseisladen zwei kugen goat chease ice zu bestellen und meine sucht nicht mehr zu verstecken. die lieblingsbar hat mittlerweile undurchsichtige öffnungszeiten. nicht nur, dass sie kaum besucht ist, die umwege, die ich nehme, um meinen tag zu beenden sind erschreckend oft vergebens.

si. getroffen, park und kaffee und spielplatz. lange zusammen gesessen und unter anderem über das weggehen gesprochen und ihre entscheidung, zu bleiben, nicht nur, weil sie und ihr mann die drei kinder nicht aus ihrem umfeld und in eine flüchtlingssituation zwingen wollen, sondern auch und vor allem weil sie sich nicht (mehr) trauen würden, ihre kinder in deutschland in der öffentlichkeit hebräisch sprechen zu lassen. sie sagt, man müsse sich jetzt eben auf zwei oder so unsichere jahre einstellen, die probleme mit flügen usw. immer mitdenken, und dann würde das schon gehen, das bleiben. sie sagt aber auch, wie hoffnungslos alles ist, und wie verloren und dass sie das denkt, ohne regelmäßig nachrichten zu hören. wir können uns problemlos darauf einigen, dass es über die monate noch verzweifelter geworden ist. und sie teilt meine beobachtung, dass man kaum noch über die situation spricht, versucht sie zu beschreiben oder zu erklären, das eigene denken und empfinden jemandem verständlich zu machen. es ist wie abgrund. alles. ich überlege, dass ich zu viele worte, die ich jetzt brauche, zu früh verwendet habe, um das hiersein im winter/frühjahr zu beschreiben und dass jetzt in meinem kopf zu viele schranken sind und ich einfach nicht mehr weiß, wie ich was noch sagen soll. danach im archiv gewesen und wieder gescheitert im erklären, warum ich hier bin und warum ich trotzdem hier bin. menschen freuen sich, mich wiederzusehen, aber es gibt kein verständnis mehr dafür, dass jemand noch kommt.

endlich ein bisschen gearbeitet. viel gelesen. kinder von hoy. dafür, dass ich diese bücher als gattung schwierig finde, gefällt mir vieles sehr gut. trotzdem bleibt es mir fremd, dahingehend auch erstaunlich, dass ich nur zwölf kilometer entfernt aufgewachsen bin. das musste ich googlen, erwähnenswert ist, dass bereits das auftauchen und die verortungen der namen mir ekel in den körper spülen.

Roger O’Donnell hat vor einigen tagen seine krebserkrankung und -behandlung öffentlich gemacht. auf instagram ist der post noch zu finden, von twitter hat er ihn gelöscht, nachdem er massenhaft von sogenannten impfgegner:innen angegriffen wurde.

an der University of Toronto schützen seit semesterbeginn JForce Security und Magen Herut Canada jüdische studierende auf dem campus.

20240907, früher abend

ich kann seit tagen nicht arbeiten, will nichts machen, nicht sprechen, niemanden sehen, nichts essen, nicht ausgehen. beantworte keine mails, nur manchmal nachrichten. der deal mit mir selbst ist – wieder – jeden morgen wenigstens für einen kaffee das haus zu verlassen. aber wenn ich es nicht mache, zucke ich auch nur mit den schultern. denke, wie bescheuert er ist, für so viel augegebenes geld nichts aus der zeit hier zu machen, und fühle mich noch schlechter, wenn das denn geht, finde aber trotzdem keinen sinn, es zu ändern.

wir wissen mittlerweile, dass Eden Yerushalmi bei ihrer ermordung noch 36 kilogramm wog, hamas von allen sechs ermordeten videos machte, die in den vergangenen tagen nach und nach veröffentlicht wurden, dass es in london jetzt eine eigene buslinie für juden:jüdinnen zwischen stamford hill in hackney und golders green in barnet gibt, zu ihrem schutz und um sich sicher fühlen zu können in der stadt, also auf dieser strecke. es sind genau elf monate heute, 337 tage. vor zwei tagen hat der un sicherheitsrat zum ersten mal die geiseln der hamas auf die tagesordnung gesetzt. es ging aber mindestens genauso um die situation von palästinenser:innen in gaza und um eine verurteilung israelischen handelns. in heidelberg wurde eine frau angegriffen, weil sie ein bring-them-home-shirt trug.

ich wünsche mir, in den arm genommen und ein bisschen festgehalten zu werden. und das ist viel für jemanden, die nur bedingt das bedürfnis nach körperlicher nähe hat. ich denke oft an a., aber ich kann nicht mehr herausfinden, warum eigentlich.