20250622, nachmittags, abends und tief in der nacht

manchmal denke ich, dieser blog ist nur dafür da, dass ich schreiben kann, wie müde ich bin, oder darüber nachdenken, warum zur hölle ich es nicht hinkriege, regelmäßig zu schreiben. in zeiten wie diesen. aber überhaupt. gestern nacht sind die usa in den krieg eingetreten und haben die standorte von drei iranischen nuklearanlagen zerstört. ich habe in den letzten 48 stunden mehr geschlafen, mein kopf ist matschig, aber ich habe endlich wieder das gefühl, dass meine sätze schneller zueinander finden. ich spreche/schreibe viel, mit allen, aber manchmal weiß ich nicht, was ich sagen/schreiben soll. wie soll ich meinen stress, meine traurigkeit, meine angst jemandem beschreiben, der:die tatsächlich angst um ihr:sein leben haben muss und hat. meine angst ist, dass jemandem etwas passiert. vor ein paar stunden war die so schlimm, dass ich zwar gelesen habe, dass nach den letzten raketen aus dem iran mehr als 80 menschen verletzt sind, aber mir jede kraft fehlte, nachzufragen. die angst, mal keine antwort mehr zu bekommen. und dann hier festzusitzen. ich sehe bilder der zerstörungen und natürlich treffen die aus tel aviv mich am meisten. vor ein paar jahren gab es in meiner abwesenheit mal den dialog: ‘in wen ist kassandra eigentlich verliebt?’ ‘in Tel Aviv’ und ich habe irgendwo mal aufgeschrieben, dass, sollte ich je einen menschen so sehr lieben, wie ich die stadt liebe, es sehr verstörend werde würde für die person. und jetzt erkenne ich immer wieder orte, plätze, häuser, die getroffen sind. ich sehe auf instagram, dass bei meiner friseurin die scheiben rausgeflogen sind, dass das archiv/der laden von rudi weissenstein verwüstet ist ebenso wie der fotoladen, über den ich mich immer ärgere, zum bsp. als ich vor ein paar monaten 22 euro für einen farbfilm bezahlen musste. m. schickt mir ein bild, dass das cafe shapira offen ist und ich antworte ‘wie beruhigend’. y. und ich sprechen gestern einigen stunden, die ersten seit monaten. endlich. und ich merke es da, dass ich ihn doch mehr vermisse als ich wissen wollte. ed. schickt bilder aus dem mamad. ihr schwiegersohn ist zurück im milu’im und ihr enkel in gaza. nachdem ich seit jahren in vorträgen auch darüber spreche, dass für neubauten und für zu renovierende altbauten ein schutzraum verpflichtend ist, bin ich jetzt erschrocken, wie wenige es doch zu geben scheint. und wenn ich die bilder sehe, weiß ich auch gar nicht, ob ihre existenz in wohnungen, tatsächlich eine hilfe ist. rund 9.000 menschen sollen obdachlos sein, überlebende aus re’im, die im süden von tel aviv unterkunft fanden, sind wohl zurück in den süden gegangen, weil es sicherer schien. ben gurion soll wieder geöffnet werden. die heftigkeit der angriffe lässt nicht nach, aber vielleicht die dichte etwas. mehr menschen schreiben mir, dass sie mal durchgeschlafen haben, oder wenigstens fast. unter anderem das soroka krankenhaus in beer sheva wird getroffen. der iran soll wiederholt streubomben eingesetzt haben. gestern irgendwann habe ich mit stolz registriert, mit niemandem gesprochen zu haben. keine stunde später habe ich geheult, weil ich mit niemandem gesprochen habe und nicht weiß, wohin ich soll mit meiner angst und diesen vielen gefühlen und gedanken. es war auch eine woche, in der ich irgendwann nicht mehr sicher war, ob es eine gute idee ist, öffentliche verkehrsmittel zu benutzen und in der ich menschen noch mehr als sonst in ihrem verhalten abchecke. auch davon gibt es also steigerungen. immer mehr lese und höre ich die stimmen, die israels angriff verurteilen, mit blick auf die zivilbevölkerung. ich lese deutlich weniger sorge, um die zivilbevölkerung in israel. natürlich. aber hier bekommt das alles nochmal einen anderen beigeschmack, jedenfalls für mich, denn wo bleibt sie, die unterstützung für die opposition. ich verstehe wirklich nicht, wie all die gutmeinenden denken, die situation wäre zu lösen mit gutem willen. offensichtlich ist natürlich nur einmal mehr, dass niemand die drohungen irans und seiner verbündeten, israel zu zerstören, tatsächlich ernst nimmt. ich meine nicht die angst, die man um seine familien und lieben hat, natürlich. sondern eher das unwohlsein, wann etwas zu politik wird und dabei einen eklatanten mangel an analyse und fähigkeiten zu differenzierungen aufweist. der wille und die möglichkeiten, das iranische system aufzuhalten, waren nicht gegeben. nicht mit blick auf seine atomare bedrohung, seine unterstützung für terrorregime oder auf seine gewalt gegen frauen und alle, die nicht in diesem system leben wollen. es reicht vielleicht nicht, Jin, Jiyan, Azadî / Woman, Life, Freedom auf hauswände in berlin zu schreiben. nur so eine idee.

die IDF konnte gestern nacht drei weitere ermordete geiseln zurück nach israel bringen: Ofra Kedar (71) wurde zusammen mit ihrem mann Shmuel Kedar umgebracht und aus ihrem haus im Kibbuz Be’eri verschleppt. Yonatan Samrano (21) töteten die terroristen, als er versuchte, vom gelände des nova-festivals zu fliehen. unter seinen entführeren war einer, der für UNRWA arbeitete. Staff Sergeant Shai Levinson (19) war panzerkommandant in der eliteeinheit oz brigade. er fiel ebenfalls bereits am 7. oktober.

habe aufgehört, fest und flauschig zu hören und jan böhmermann zu folgen. ich bin zu müde, von dieser – zumindest in den themen, die mir wichtig sind – nun auftretenden undifferenziertheit, die es nicht mehr leisten kann, mir die unsäglich gefühlsdusselige dummheit von olli scholz erträglich zu machen. irgendwie scheint es mir, dass in den letzten wochen unsere / meine räume nochmal kleiner geworden sind. im hintergrund einer szene im schweizer tatort rapunzel wird in mehreren einstellungen ein riesigen “free palestine” gezeigt. heute finde ich große aufkleber gleichen inhalts in unserem hausflur.

schon in der vergangenen woche wurde im zentrum von rohrbach bei heidelberg ein denkmal mit farbe überschüttet, dass an die zerstörte synagoge und an die ermordeten juden:jüdinnen des ortes erinnert. in darmstadt wird ein jüdisches denkmal mit hakenkreuzen und ‘free palestine’ beschmiert. nach dem angriff israels auf den iran schließt die gemeinde in herford ihre synagoge, da sie nicht mehr für die sicherheit ihrer mitglieder garantieren kann. die jüdische gemeinde in mannheim sagt ihre teilnahme an der ‘meile der religionen’ ab, ebenfalls weil sie die sicherheit ihrer mitglieder nicht gewährleisten kann. im rahmen der brooklyn pride parade 2025 sollte es einen interreligiösen gottesdienst in der kane street synagogue geben. dieser wurde nun abgesagt, weil eine der beteiligten organisationen ihre teilnahme vor dem hintergrund der pro-israelischen positionen der gastgebenden gemeinde zurückzuzog. marlene engelhorn, erbin von basf (nachfolge der ig farben) positioniert sich als pro-palestine-aktivistin, solidarisiert sich mit der gaza flottille und mit dem antizionistischen kongress in wien, dessen umfeld unter anderem den Theodor-Herzl-Platz zum ‘gaza-platz’ umbenennt. bisher unbekannte randalieren im inneren der Gur synagoge in london, zerstören den thoraschrein und entweihen die thorarollen. am samstag liefen mehr als 12.000 menschen auf einer demonstration ‘für gaza’ durch berlin. einige von ihnen hatten isis-fahnen dabei. eine woche vorher rund 150.000 menschen durch den haag und fordern von der niederländischen regierung, den ‘genozid’ zu stoppen und israel weder militärisch noch diplomatisch zu unterstützen. es war eine der größten demonstrationen, die es in dem land je gab. im park am gleisdreick will ein 29jähriger einen mann abstechen, weil er eine kette mit einem davidstern trägt. die universität in genf beendet ihre partnerschaft mit der hebrew university in Jerusalem und einen studierendenaustausch mit der universität Tel Aviv. an der alice salomon hochschule dürfen aktivist:innen der ‘jüdischen stimme’ und von #palästina spricht’ als referent:innen sprechen, vermummt in pali-tüchern und mit einer großen flagge am pult. mindestens eine studentin kann sich ihre teilnahme als prüfungsleistung anerkennen lassen.