heute morgen beim aufwachen das erste, was ich lese, ist eine nachricht, die mir jmd. aus tlv geschickt hat und in der steht, dass in washington Yaron Lischinsky und Sarah Milgrim ermordet wurden, ein paar, dass in der israelischen botschaft arbeitete und an dem abend eine veranstaltung des American Jewish Committe, im jüdischen museum besucht hatte. Yaron Lischinsky war in nürnberg geboren und lebte in deutschland, bis er mit 16 jahren nach israel auswanderte. sie wollten in den kommenden tagen nach jerusalem reisen, wo er plante, ihr einen heiratsantrag zu machen. für deutsche verhältnisse mehr als ungewöhnlich wird sehr ausführlich über die opfer berichtet. ich fahre am späten nachmittag zur israelischen botschaft in berlin, davor gibt es ein trauerkundgebung, sie ist sehr klein, aber sehr prominent besucht und überall stehen zu viele kamerateams und sicherheitsmenschen. ich ärgere mich, dass ich daran nicht vorher gedacht habe und später gefahren bin. es ist anstregend.
ed. schrieb mir vor ein paar tagen, dass sie mir gern eines der otef-t-shirts schenken möchte, ich brauche ewig, mich zu entscheiden und dann ist es nir oz, was es vermutlich auch schon war, bevor ich ewig brauchte, mich zu entscheiden. kurz eine weile so zu tun, als ginge es um das motiv und die farbe, war aber auch schön. a letter for david hängt mir sehr nach und ich kann die bedeutung und schönheit des filmes nur schwer vermitteln und ich würde gern, dass jede:r, der ich von dem film erzähle, ihn danach auch sehen will. aber es gelingt mir irgendwie nicht und gestern wurde David Cunio 35 jahre alt. sein zweiter geburtstag in der gewalt der terroristen. und ich kann das haus von Itzik Elgarat nicht vergessen und ich weiß nicht, warum nicht und warum ausgerechnet dieses nicht. auf bluesky erklären mir irgendwelche leute, ich dürfe nicht von ‘palästinensischer geiselhaft’ schreiben. und wäre ich nicht sowieso schon so müde, würde ich es jetzt nochmal werden. mein schlaf hat seit tagen eine eigenartige tiefe und stumpfheiten und aufwachen fährt mehrmals die nacht scharf dazwischen. jedenfalls schrieb ich ed. am dienstag, dass mir die ganze zeit zum heulen zumute ist, und sie antwortet, ich soll mir tränen aufheben, ich werde sie brauchen. jmd. sagt mir, ich soll ihr sagen, dass sie so etwas nicht schreiben soll. und dieser vorschlag zeigt, wie und an welchen stellen sich realitäten teilen.
wieder regelmäßig zu arbeiten, nicht nur in der zeit sondern auch im inhalt, bringt etwas wie struktur und das ist gar nicht schlecht. jetzt, wo ich langsam zu verstehen beginne, dass die spielräume bleiben, wird es entspannenter und heute morgen dachte ich, was für ein glück ich doch vielleicht hier gerade auch habe, wie viele anträge abgelehnt werden, weiß ich ja nicht nur selbst, sondern vor allem auch von allen anderen. auf der fahrt nach köln zwei seiten im kleinen buch geschrieben und vielleicht ist damit eine blockade aufgehoben, so schien es zumindest und auch wenn ich zu wenige kapazitäten habe gerade, mich weiter ranzusetzen. das jahrbuch wird fertig und der verlag schickte den zweiten teil zur kontrolle. bitte meine beschäftigungen nicht mit gut-gehen verwechseln, musste ich heute jemanden erinnern. und gestern in der bar wollte al. auf eine reise nach italien trinken und ich sagte, nein, auf die rückkehr der geiseln. wenn jmd. mir zuhören würde, also so wirklich zuhören mit dem raum, alles zu erzählen, auch mit seinen verwicklungen und brüchen und tränen und ohne trost und ohne es erklären müssen. vielleicht gab es eine zeit, darüber zu sprechen und ich habe sie nicht gemerkt und zu wenig genutzt oder nicht damit gerechnet, dass sie wieder zu ende geht. ich will nie umarmt werden, aber ich will umarmt werden. ich kann immer nur oder immer öfter nur denken, wie schwach ich bin und wie ich nicht den bezug herstellen kann zu dem, was um mich ist. und ich wundere mich oft, dass ich nicht immer einfach nur auf den boden falle. und erwarten menschen eigentlich wirklich, dass ein neuer guter job vergessen macht, was realitäten sind und was seit dem 7. oktober alles gebrochen ist?
alice teodorescu måwe, abgeordnete der schwedischen partei der christdemokraten (ich weiß nicht mit sicherheit, ob die so heißt) im europaparlament wurde dort von einem:r mitarbeiter:in der schwedischen linken partei für ihre pro-israelische haltung angegriffen und beleidigt. nethanjahu spricht auf seiner ersten pressekonferenz in israel seit fünf monaten unter anderem davon, dass man, also er, davon ausgehe, dass noch 20 geiseln am leben seien, verharmlost den angriff vom 7. oktober indem er behauptet, hamas habe nur in flipflops und ohne schwere waffen angegriffen und spricht über den kibbutz Ein HaShlosha als beispiel für widerstand und heroismus; ein kibbutz, in dem dutzende terroristen eindrangen und vier menschen, unter ihnen eine 80jährige frau, brutal ermordeten. die verhandlungen zu den geiseln sind vielleicht eher verhandlungen zum krieg und blieben undurchsichtig; mal ist von neun bis zehn freizulassenden für 60 tage waffenruhe die rede, mal von einem ende des krieges, einer hamas die sich entwaffnen lässt, von einer aus doha abreisenden israelischen deligation, von zukünftigen zonen ohne palästinensische bewohner:innen. es ist viel geschrieben und gesagt worden zur freilassung von Edan Alexander und dazu, was das mit angehörigen macht, die allein einen israelischen pass haben, was es für zionismus bedeutet, für eine zugehörigkeit zu israel, für das vertrauen in den staat usw. kann man alles nachlesen und -hören, wenn man möchte. aber ein gedanke, der in meinem kopf rumgeistert, ist die frage, was es eigentlich in der situation anrichtet, bedeutet und/oder heißt, dass für seine freilassung (scheinbar) keine “gegenleistung” erbracht werden musste. ende märz und im verlauf des 13. mai wurden bauliche relikte in der kz-gedenkstätte flossenbürg beschmiert, mit parolen, die eine täter:innenschaft aus dem linken/linksextremen spektrum nahelegen (sollen). rias hat vorfälle ausgewertet und kommt zu dem ergebnis, dass sich 2024 die zahl der antisemitischen vorfälle im vergleich zu 2023 verdoppelt hat. in amsterdam werden stolpersteine als “propaganda” beschmiert. im westjordanland besuchte eine gruppe ausländischer diplomaten eine geschlossene militärbasis ohne erlaubnis und die idf-angehörige geben warnschüsse in die luft ab und alle regen sich danach auf. das whitney museum of american art sagt zwei tage vor beginn die aufführung von „no aesthetic outside my freedom: mourning, militancy, and performance“ (noel maghathe, fadl fakhouri und fargo tbakhi) ab, bei dem es um palästinensische trauer gehen soll, ab und begründet dies mit einer ansprache, die tbakhi bei einer vorherigen aufführung des stückes hielt, in dem es unter anderem hieß, man dürfe nicht im publikum bleiben, wenn man an Israel in irgendeiner Form glaube. daraufhin haben, natürlich, andere künstler:innen, die wie die oben genannten am einem stipendien-programm des museums teilnahmen, ihre arbeiten aus “protest” zurückgezogen. die EU stellt das seit 25 jahren bestehende assoziierungsabkommen mit israel in frage; 17 länder sind fürs infragestellen, zehn dagegen. lufthansa fliegt mindestens bis zum 8. juni nicht nach israel und ryanair gibt bekannt, die geduld mit israel zu verlieren und darüber nachzudenken, den flugverkehr gar nicht wieder aufzunehmen und stattdessen neue ziele anzusteuern. Igor Pivnen, ein polizist, der am 7. oktober in den süden israels fuhr, 13 terroristen tötete und viele menschen rettete, hat sich das leben genommen, weil er mit dem, was er gesehen hatte, nicht umgehen konnte, weil er von schuld geplagt wurde, nicht mehr menschen geholfen zu haben. ich lese auch, dass rund 50 überlebende des nova-festivals sich das leben genommen haben sollen. es gibt nun – endlich – eine übersicht mit den namen der acht geiseln, die eine deutsche staatsbürgerschaft haben: Itay Chen, Tamir Nimrodi, Alon Ohel, Shay Levinson, Tamir Adar, Gali Berman, Ziv Berman, Rom Braslavski. hat nur 19 monate gedauert. ihre angehörigen sprechen davon, dass es zwar warme treffen mit hohen politischen repräsentant:innen gäbe, aber keine konkrete hilfe und ergebnisse. in edinburgh eröffnete ein “palestine museum”. in der türkei können immer weniger konzerte von einheimischen jüdischen künstler:innen stattfinden; weil veranstalter:innen absagen oder gewaltbereite mobs sich vor den hallen versammeln. aber john cleese bleibt stabil und kommt für shows nach tel aviv und jerusalem. Yuval Rafael belegt den zweiten platz beim esc, nachdem die jurys sie eher schlecht bewerten, erhält sie die höchste je dagewesene punktzahl von zuschauer:innen und die langen minuten, in denen es so aussah, als würde sie gewinnen, waren die schönsten seit einer weile, auch, weil ich mir vorstelle, wie all den israelhassern ihre wut und fassungslosigkeit aus den ohren quoll. es sind die kleinen dinge. das spanische nationale fernsehen blendete vor ihem auftritt eine tafel mit dem spanischen und englischen text: “when human rights are at stake, silence is not an option. peace and justice for palestine” ein. während ihres auftritts versuchen zwei personen auf die bühne zu kommen und sie mit roter farbe sie übergießen. nachdem die sängerin ihr lied mit “Am Yisrael Chai” beendete, erneuerte das israelische home-command seine warnung zur vorsicht an israelis, die nach basel gereist waren. während der übertragung gab es mehrere, dabei sehr aggressive demonstrationen in der stadt. Yuval Rafaels account auf twitter wurde kurz darauf gesperrt, nachdem zahlreiche user:innen ihn meldeten. daniel bax kann in der taz schreiben, dass Yuval Raphael für israel singt, um von den kriegsverbrechen abzulenken. ihr auftritt sei nationalistisch und propaganda. Eden Golan, die für die israelische jury die punkte verkündete, wurde verboten, einen gelben pin für die geiseln tragen. der diesjährige sieger johannes pietsch aus österreich, der als “jj” auftritt, möchte nicht, dass israel nächstes jahr in wien teilnehmen kann. beim giro d’italia versucht ein sogenannter pro-palästinensischer aktivist, israelische radfahrer niederzuschlagen. gary lineker teilt antisemitische posts bei instagram und muss anschließend – ein bisschen überraschend, wenn ich das so notieren darf – seine bbc-moderation aufgeben. am letzten samstag hätte Carmel Gat 41 jahre alt werden sollen. ebenfalls am letzten samstag läuft ein aggressiver mob von 1.100 menschen zum sogenannten nakba-tag durch berlin, unter anderem wird ein polizist niedergetreten und schwer verletzt. die situation in gaza hat sich mit der einstellung von hilfslieferungen drastisch verschärft. und der UN-untergeneralsekretär für humanitäre angelegenheiten tom fletcher darf in einem radiointerview mit BBC 4 behaupten, dass 14.000 babys in den nächsten 48 stunden sterben werden und journalisten-welt anderer medien übernimmt ungeprüft und vermutlich dankbar. einen tag später stellt bbc richtig, aber das interessiert dann schon weniger. Ron Krivoi und Arbel Yehud geben lange intervies zu ihrer zeit als geiseln. eine nahaufnahme von Edan Alexanders arme zeigt spuren der folter, die familie sagt, der “Edani” den sie “kannten, kam anders zurück.”
es ist sehr kalt und windig draussen, meine kleinen erdbeerpflanzen scheinen nicht zu überleben, eisenhüttenstadt bietet an, sich für ein zweiwöchiges probewohnen zu bewerben. ich traue mich nicht, nach flügen zu suchen.
594 tage. ed. schickt mir ein design für ein plakat für tag 600.