ich schreibe mit einer freundin aus deutschland, und sie erzählt mir etwas von dem ich weiß, dass es vor fünf wochen noch superwichtig für mich gewesen wäre, und jetzt brauche ich nicht nur ewig, wieder in die geschichte zu finden, sondern ich frage mich seit dem nun auch die ganze zeit, wie man sich mit so etwas derart intensiv beschäftigen kann. ich weiß, es hat seine berechtigung, aber ich kann mich gerade nicht zum teil davon machen. es ist zu weit weg, zu absurd, zu unwichtig.
hamas hat angekündigt, am donnerstag vier der leichen zurück zu schicken und israel hat ein procedere dafür bekannt gegeben: die toten werden entgegengenommen an einer kreuzung in gaza und erst untersucht, erst wenn die identitäten festgestellt sind, werden die familien informiert, dann die öffentlichkeit. 14 menschen sind noch für eine freilassung in der ersten phase vorgesehen, sechs von ihnen lebend. es gibt so viele geschichten von der gewalt. von monaten allein im tunnel, vom gefesseltsein, von der wenigen nahrung, von dem schmutz, der dunkelheit, dem psychischen und dem physischen terror, den machtspielen, den todesdrohungen, den ängsten, dem dreck, den folgen für ihre körper. es gibt erste erzählungen von sexualisierter gewalt, davon, dass die soldatinnen gezwungen waren, videos der folterungen anderer israelis anzusehen. heute abend auf der kundgebung hat Aviva Siegel erzählt, dass ihr mann Keith 30 kilogramm gewicht verloren hat. immer wieder wurden zitate eingeblendet. ich kann sie nicht lesen, aber dazu sind zeichnungen angefertigt worden, und das allein reicht, ist kaum zu ertragen. ich bin noch mehr obsessed davon, zu den kundgebungen zu gehen. am samstag mit j., die zum ersten mal da war. und wir verstehen kaum etwas von den erzählungen und weinen trotzdem. und wir sind damit nicht allein. es kommen wieder mehr menschen. heute war ich zuerst auch in jerusalem. am samstag bin ich um 7 aufgestanden, um zum platz der geiseln zu gehen, weil ich so viel angst hatte, die freilassungen allein anzusehen. Sasha Troufanov, Sagui Dekel-Chen, und Iair Horn konnten aufrecht und fast selbständig gehen. aber zumindest bei Iair Horn sieht man so deutlich den gewichtsverlust. Sagui wusste die gesamte zeit nicht, ob seine familie überlebt hat. sein körper soll übesät mit narben sein. Sasha war in der gewalt des islamischen djhad. die bilder, die produziert und gezeigt werden von den wiedersehen mit den familien, sollen vielleicht auch ein bisschen dafür sorgen, dass man andere vielleicht nicht vergisst, aber doch überlagert. Iair Horn hat eine kurze videobotschaft für die heutige kundgebung gemacht und so viel geweint. ich weiß nicht, ob es stimmt, aber ich habe gelesen, dass hamas während des procederes der freilassung mit dem auto von Eitan Horn vorfuhr. die terroristen haben den dreien zudem eine nachricht – ein stundenglas mit der inschrift ‘die zeit läuft ab’ – für Einav Zangauker mitgegeben, deren sohn Matan nicht unter denen ist, die in der ersten phase freikommen wird und die zu den bekanntesten und lautesten wortführerinnen der kampagnen zur freilassung gehört. Einav Zangauker spricht am samstag als erste auf der kundgebung. jmd. erzählt mir, dass nun zunehmend auch die angehörigen an die öffentlichkeit gehen, die bsher zurückhaltend waren; auch weil sie als likud-wähler:innen immer noch hofften, die regierung würde in ihrem interesse handeln. es gibt so viele geschichten. und sie sind in meinem kopf. aber ich kann sie nicht schreiben. am sonntag ruft a. an und fragt mich auch wegen der geiseln. ich denke erst, ach, kein problem darüber zu reden und dann kann ich nicht mehr aufhören zu weinen.
gestern abend einen maler getroffen, der im jahrbuch veröffentlichen wird, morgen fahre ich um eine fotografin zu treffen nach petach tikva. ich mache etwas, das ich wirklich mag. ich merke, wie sich die dinge hier für mich auch im guten intensivieren und ich erinnere mich, wie es ist, dinge zu tun, die ich gut kann und die ich gerne tue. ich gehe zu wenig ans meer und ich esse zu wenig gutes essen. g. ist für fünf tage aus frankfurt gekommen, schläft eine nacht in meiner wohnung und ruft heute aus dem flugzeug an, dass sie nicht zurück nach deutschland will. und fliegt dann trotzdem. ich denke schon jetzt immer wieder daran, wie es sein wird, wegzugehen und dann für einige monate nicht zurückzukommen. ich fürchte mich vor dem moment, auch wenn ich gern mal eine pause hätte. und vor allem, gern mal einfach ausgehen würde. ich mache zu viele bilder und videos und verliere immer mehr eine vorstellung, was ich damit machen soll. bevor ich hergekommen bin, war die idee so eindeutig. nun zerfließt alles in der permanenten präsenz, die sogar mich überfordert und die nicht mehr einfach angedachtes produkt werden kann. gleichzeitig finden sich erste klitzekleine fragmente zu überlegungen, die ein text werden könnten. aber ich weiß nicht, wie ich mich hinsetzen soll, ihn zu schreiben. aber ich werde es müssen. irgendeine ordnung
google hat den holocaust-gedenktag aus seinem kalender entfernt. tilda swinton schwärmt öffentlich von bds. das israelische jugendbaseballteam wird von einem turnier in stuttgart ausgeladen. es gibt noch so viel mehr, aber ich habe aufgehört, es zu sammeln.
tocotronic haben ein wundervolles album veröffentlicht.