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20240224, morgens

ich arbeite zu viel. und ich sage das erst einmal ohne wertung. was ich zu viel arbeite sind leider nur zu viele dinge, die ich nicht arbeiten will, während ich zu dem eigentlichen nicht komme. das eigentliche ist etwas dafür zu tun, dass ich aufhören kann, für andere menschen dinge zu arbeiten, die ich (auf diese weise) nicht machen möchte. aber einen antrag für das eigene zu schreiben braucht eine zeit und einen raum und eine freiheit, die ich nicht habe, weil ich sache arbeiten muss, um hier in israel zu sein oder/und weil ich zu viel angst habe, wieder zum jobcenter zu müssen. ich weiß nicht wohin und das sage ich nicht nur, weil meine wohnungssituation nach wie vor deprimierend ist.

gestern haben wir einen ausflug nach harish gemacht, angeguckt, wie eine stadt entsteht in der mal 100.000 bewohner:innen wohnen soll. gut war das. was man sehen kann auf den ersten blick: gute architekturen, gute räume, konzepte strukturen. auch wenn es besser ginge natürlich mit einem städtebaulichen ansatz, das den individualverkehr ausschließt oder wenigstens deutlich reduziert.

es ist samstag und es sind 20 wochen, 140 tage, 3.360 stunden.

20240223, morgens

tage, so arbeit, dass ich nicht sicher bin, ob ich dafür meine wohnung in berlin verlassen musste.

erste nachricht am morgen war aber der anschlag zwischen Jerusalem und Ma’ale Adumim, bei dem drei terroristen auf die im stau wartenden autos schießen. der 26-jährige Matan Elmaliah wird dabei ermordet, zehn weitere menschen verletzt, unter ihnen eine schwangere frau. noch vor dem ersten kaffee ein interview mit ben gvir gesehen und im ernst, mein inneres ist kurz gefroren vor angst.

eine wohnung gefunden. in yaffa und nur für knapp zwei wochen. da es aber ein bisschen so war, wie wohnung finden sein soll, habe ich zugesagt. erstes mal also. bisher aus überzeugungen, die ich nicht genau zu benennen kann, immer gegen yaffa entschieden. letztlich irgendwas mit “das ist nicht tel aviv”.

in einer anderen realiät spricht sich der ASTA der HU Berlin gegen die möglichkeit aus, den antisemitischen schläger, der anfang februar Lahav Shapira krankenhausreif geprügelt hat, zu exmatrikulieren. im tagesspiegel vom 21. februar musste ich lesen, dass den studierendenvertreter:innen zufolge, universitäten das recht auf eine exmatrikulation einzuräumen, ein ganz und gar „’ungeeignetes Mittel’“ im Umgang mit Antisemitismus und Rassismus” sei, da die studierenden nun “erhebliche Sanktionen fürchten” müssten, “wenn sie sich politisch” äußern. sie fordern dazu auf, “Vorfälle an Berliner Universitäten infolge des Nahostkonfliktes differenziert zu betrachten.” nun steht es offensichtlich jedem:r frei, unsinn in der öffentlichkeit zu erzählen, aber besonders dumm wird es, wenn sie behaupten, dass hier „’gänzlich verschiedene Ereignisse zusammen verhandelt’“ würden. nun ist es ihnen offenbar selbst nicht gegeben, verschiedene ereignisse getrennt zu verhandeln: juden zusammenzuschlagen ist keine politische äußerung, die unsanktioniert bleiben sollte. es irgendwie für eine gute idee zu halten, dass ein antisemitischer schläger nach einer erwiesenen schweren körperverletzung und der bedrohung, die er damit offensichtlich für jüdische studierende (und andere) darstellt, nicht sanktioniert wird, ist kein geeignetes mittel im umgang mit antisemitismus und rassismus. und nicht unterscheiden zu können, zwischen einem brutalen antisemitischen akt und den möglicherweise zu führenden debatten – deren sinn ich selbst nicht sehe, aber das ist nicht relevant – sollte einen eigentlich nicht dazu priviligieren, einen artikel in einer tageszeitung zu bekommen. mich persönlich würde eine differenzierte betrachtung einer solchen tat nicht interessieren, aber ganz grundsätzlich würde ich es für eine gute idee halten, wenn die vertreter:innen der studierendenvertretung gezwungen sind, das mal am beispiel genauer darzulegen.

warum ist der größte teil des posts zum gestrigen tag jetzt für diesen dreck draufgegangen? bin ich vor diesen dingen nicht abgehauen?

20240221, abends

gestern in pardes channah-karkur zum japanisch essen gewesen. pardes channah gilt als kreativ und hipster, als alternativ und entspannt, es geht um liebe und spiritualität, die dinge in den klitzekleinen läden sind handmade und es riecht nach offenem feuer in tonnen, während man durch schlammige wege geht. es ist völlig unironisch wahnsinnig nett, sich lange und immer wieder mit der frau zu unterhalten, die für unser essen zuständig ist. ich schwöre, ich bin sogar entspannt und lächle nur vom blick auf das alles. neben uns sitzt ein junges paar mit dreads und vielen tattoos und piercings und glöckchen an der kleidung, die aus farbigen leinen ist und alles ist klischee und ich kämpfe wirklich tapfer gegen den gedanken beim ansehen ihres soseins an, dass dies genau der typ von menschen ist, die ich vor einigen wochen in der ausstellung nova 6:29 auf den handyvideos tanzen gesehen habe.

es ist normaler, dass man überall die bilder der geiseln sieht und jetzt noch mehr als vor sechs wochen die gelben bänder und schleifen. es ist normaler, dass ich auch mit ed. jetzt viel öfter über politik spreche, über die situation in israel, in gaza, an der grenze zum libanon, in deutschland und an den unis. es ist normaler, dass es viele zeiten gibt, in denen wir dieses dumpfe sich bewegende brummen der flugzeuge hören, die über uns in den norden fliegen und die man am himmel gar nicht ausmachen kann. wir leben jetzt irgendwie darin. und es dauert ein paar sekunden länger, dass diese fassade auch tatsächlich hält.

ein interview gesehen mit zwei amerikaner:innen, die bei der wiedereinrichtung eines jetzt wiedereröffneten indoor-spielplatzes in sderot voluntiert haben. und sie sind so glücklich. über sich und darüber dass sie gutes tun. sie sprechen über die resilience der israelis und wie schön ihre tage hier sind. und ich finde nichts von meiner gegenwart in ihrem sprechen. überlegt, ob ich vielleicht einfach wieder in die landwirtschaft gehen muss, um mich zu fühlen.

stattdessen heute vormittag allein in den nächstliegenden kibbuz gegangen, um im cafe von ne. ein bisschen zu arbeiten und dabei kaffee zu trinken und gutes sandwich zu essen. eine halbe stunde fussweg durch landschaft. eigentlich ist es jetzt am schönsten hier. also wenn man grüne landschaft mag. durch den vielen regen wächst alles und blüht. außerdem machen die temperaturen noch nicht, dass man sich einfach nur nicht bewegen will. ‘wenn du mich besuchen willst, dann komme jetzt’, würde ich normalerweise zu anderen sagen.

nachdem die beiden von der IDF vor weniger als zwei wochen befreiten geiseln Luis Har und Fernando Merman schon berichteten, keine medikamente erhalten zu haben, und die IDF vor drei tagen bekannt geben ließ, dass sie im nasser-krankenhaus in khan younis kisten mit medikamenten gefunden worden waren, die eigentlich für die geiseln bestimmt waren und über deren aushändigung mitte januar eine vereinbarung mit hamas getroffen worden war, laut der die israelische regierung für die übergabe EINER kiste mit benötigten medikamenten an die geiseln TAUSEND kisten für die bevölkerung in gaza aushändigte. heute gab das französische außenministerium bekannt, dass Some of the hostages medikamente erhalten hätten. ich vermute, einige bis nicht wenige werden sich finden/gefunden haben, die hamas dazu gratulieren, das als gutes zeichen sehen, und israel für irgendwas dabei auch noch die schuld geben können.

Bezalel Smotrich, finanzminister und von der rechtsextremen partei ‘religiöser zionismus’ gab bekannt, dass die Rückkehr der Geiseln nicht das Wichtigste sei.

ich habe immer noch keine wohnung gefunden.

20240220

das finden eine wohnung ist eine qual… und ich komme immer weniger umhin mich zu fragen, warum ich mir das immer wieder antue und warum es so schwer für mich ist, überhaupt einen platz für mich zu finden. was zur hölle mache ich hier eigentlich?

gestern wurde ein video veröffentlicht, dass Shiri Bibas mit ihren beiden kinder Ariel und Kfir wenige tage nach ihrer entführung am 7. oktober zeigt. die idf fand es in einem tunnel.

in tel aviv in einem cafe gesessen und später am strand und aufs meer geguckt.

ich möchte gern weniger darüber nachdenken müssen, was anders ist. was vermutlich gleichbedeutend mit dem wunsch ist, die realität um mich passend beschreiben zu wollen. ich möchte also bitte gern weniger den zwang verspüren, die welt um mich passend beschreiben zu wollen.

20240219, morgens

ich weiß nicht, ob ich tatsächlich gedacht habe, dass ich wiederkomme und die geiseln frei sind. aber fünfeinhalb wochen später wieder durch einen flughafen zu laufen, in dem ihre abwesenheit allerorts präsent ist, versetzt mir mehrere innere schläge. dass ich natürlich wusste, in welche realität ich zurückfliege, nutzte überraschend wenig. der flughafen ist ansonsten immer noch leer. ich glaube, zeitgleich mit uns kamen nur zwei weitere flugzeuge an; wir durften uns alle ein kofferausgabeband teilen. davor war ich eine von drei menschen, die mit nichtisraelischem pass an den schaltern stand. auch dies neue rekorde.

vor dem flughafen treffe ich die frau einer freundin, die ich bisher nicht kannte, aber sie mich. wir fahren zusammen eine weile mit dem zug und teilen realitäten. und wir sind sofort irritierend vertraut, alles bekommt wieder intensität. normalerweise passiert mir dies immer erst nach ein paar tagen. jetzt braucht es offenbar keine übergange.

ich habe mir noch keine nachrichten angesehen. ich suche mal wieder eine wohnung.

20240218, morgens

lange zeiten in nur wenigen tagen. und ich werde menschen nicht verstehen, die sagen, dass die zeit so schnell vergeht. alles scheint mir schon wieder ewigkeiten her. und es gibt zu viele dinge, die ich tatsächlich getan, gesehen, besprochen habe. jetzt sitze ich – wieder – auf dem flughafen und überlege, was anders ist, was sich anders anfühlt. sehr angespannt vor allem. erstaunlich wenig gespräche darüber, ob es eine gute idee ist, zu fliegen. noch genaueres ansehen von nachrichten, permanente erwarzung, dass es noch schlimmer wird. dabei sind die dinge, die ich erledigen wollte, inm gewünschten umfang nicht erledigt worden. weil ich zu müde war, oft und weil ich zu depressiv war, wenigstens zwischendurch. weil die vorbereitung für den vortrag in hamburg so anstrengend war und so merkwürdige aufmerksamkeiten erfordert hat. der 13. februar hat wenige meiner gedanken beansprucht in diesem jahr, wenigstens wenige der offensichtlichen. am abend, nach dem depeche mode konzert, zu mi. im auto gesagt, dass dies der erste seit dem 7. oktober war, an dem es mir besser, leichter, wollte fast meinen “unbeschwerter” ging. was einem halt so auffällt. und was dann genauso lange nur anhält.

ich wüsste die entscheidung zu fliegen, nicht rational zu erklären. und vielleicht bin ich innerlich ein bisschen erleichtert, dass niemand ernsthaft fragt.

20240203

vorgestern nacht stand ich in der küche und dachte plötzlich, dass ich, wäre der 7. oktober nicht gewesen, sehr wahrscheinlich (erst einmal) nicht nach israel zurückgekehrt wäre.

nachdem ich im mai 2023 wieder in deutschland war, hatte ich zum ersten mal seit mehr als 12 jahren kein neues ticket gebucht, keine zeit eingeplant und beides auch in den kommenden monaten immer wieder herausgeschoben, manchmal mit ausreden: zu viel arbeit mit notwendiger anwesenheit in deutschland, kein längerer zeitraum ohne verpflichtung, nicht mitten im sommer, manchmal auch ohne ausreden. wem schulde ich schon antworten. die jahre davor waren bereits voller zweifel. ich wusste zu viel von der realität und habe es erst auf die erzwungene pause durch corona geschoben, auf den schmerz nachdem a. mich verlassen hat, darauf, dass alles so wahnsinnig teuer ist und der aufwand, es mir zu ermöglichen, in keinem verhältnis stehen. ich habe in sehr schlechten wohnungen gewohnt und in schwierigen nachbarschaften. ich habe eine art von elend gesehen, dass ich manchmal nicht aus dem haus gehen wollte. ich habe nicht mehr gewusst, womit ich es rechtfertige, womit ich mich rechtfertige. und als dann die proteste der demokratiebewegung hinzukamen und ich in kurzer zeit so viel über die politischen veränderungen lernen musste, kam hoffnungslosigkeit hinzu, angst vor der gegenwart und vor der zukunft und zum ersten mal das gefühl, nicht dazuzugehören, weil ich einfach keinen weg gefunden habe, mich tatsächlich an den protesten zu beteiligen. ein paar nächte vor der nacht vorgestern saß ich mit einem freund in einer dunklen bar und hörte ihm zu, wie er davon sprach, nach tel aviv zu gehen, eine weile dort zu wohnen und zu arbeiten. nach dem krieg natürlich. wie anders es dort wäre, wie positiv, lebendig, kreativ, aufregend, offen, intensiv. ich erinnerte mich daran, wie sich das anfühlt, die stadt so zu sehen, und mit diesem hunger in ihr zu leben. wie high ich immer war, wie voller ideen und projekte und gedanken. wie wenig ich geschlafen habe, aus angst, etwas zu verpassen. wie gierig ich war. wie alles aufregung war und gut. es war viel schwerer. und es ist viel schwerer seit jahren. ich glaube, mir wurde (lange) nicht zugestanden, das so zu sehen; in israel nicht, weil ich doch nur temporär da bin und weil ich die stadt doch so liebe, in deutschland nicht, weil dort doch die sonne scheint, das essen besser ist und ich die stadt doch so liebe. an beiden orten nicht, weil es mir immer besser geht, wenn ich in tel aviv bin. manchmal dachte ich, ich möchte sätze über komplexe innere gegebenheiten schreien.

wie unwichtig all diese dinge jetzt sind. wie ich runtergerissen bin von diesem strudel. wie es keinen boden gibt.

seit 120 tagen

auch ich habe keinen anderen ort, an den ich gehen kann. das bedeutet definitiv etwas anderes als für (viele) juden:jüdinnen, aber es ist trotzdem irgendwie wahr.

seiten tagen wird ein deal öffentlich behandelt, nach wie vor offen sind die genauen konditionen und ob hamas zustimmen wird, mal sieht es gut aus, mal nicht. zudem wird erneut die debatte geführt, welchen “preis” man für die geiseln bereit ist zu zahlen. die zahlen freizulassender palästinenser sind hoch und auch wenn ich definitiv denke, dass alles zu tun ist, was für ihre rückkehr notwendig ist, ist mir schwindelig allein bei der vorstellung. und während einerseits nachgewiesen wurde, dass mitarbeiter der unrwa an den massakern des 7. oktobers beteiligt waren und einige der geldgeberstaaten endlich (!!!) bereit waren, die zahlung von geldern einzufrieren, möchte Asmund Aukrust, mitglied der labor party und des norwegischen parlaments die organisation mit dem friedensnobelpreis ausgezeichnet sehen. und bisher 1005 schwedische künstler:innen haben sich mit ihrer unterschrift unter einem “offenen brief” entblödet, den ausschluss israels vom diesjährigen esc zu fordern, der in malmö stattfinden wird. ich weiß nicht, ob sich jemand das fragt, aber “ja, es geht immer noch irrer” ist die antwort. und in berlin wird von der antisemitismusklausel wieder abstand genommen und die documenta, überhaupt die gesamte kunstfreiheit müssen in ihrem recht ge-saved werden, israel zu kritisieren.

20240130

mich bei einer datingapp angemeldet, weil ich seit tagen nicht aufhören kann, darüber nachzudenken, dass einsamkeit das gehirn verändert. dabei habe ich eigentlich gar keine klare vorstellung davon, ob ich “einsam” bin oder nur eben zu gern allein und vor allem viel zu gern unabhängig und mir schlicht nur manchmal jemand fehlt, der mich fragt wie es mir geht und ob ich etwas essen möchte. am samstag bei der party hat mir jemand erzählt, dass er gerade eine neue, nicht unkomplizierte geschichte mit einer frau hat und es genießt, die zeit und den freiraum zu haben, sich damit zu beschäftigen. das hat mir gefallen und plötzlich habe ich gedacht, dass ich auch gern die zeit und den freiraum hätte, mich mit einer andere person wirklich zu beschäftigen. aber vielleicht verwechsle ich das auch mit irgendetwas, dass ich früher mal für eine wahrheit über mich hielt. oder auch damit, dass ich vielleicht gern die geduld und das interesse hätte, mich mit einer andere person wirklich zu beschäftigen. obwohl mir zugleich vor ein paar wochen ein in einem film gehörter satz in den knochen sitzt. der mir heute schon wieder völlig unerinnerte protagonist sagte, er wünscht sich, dass sich auch einmal jemand nur für ihn entscheidet. lässt mich nicht mehr los. würde vielleicht doch einfach auch gern besonders gemocht werden. traurig.

mich von der datingapp wieder abgemeldet. offenbar darf man nicht mitmachen, wenn man nur ein photo hat, das man von sich zeigen möchte.

20240124

tage, an denen ich nicht den ganzen tag nachrichten ansehe oder wenigstens in dichter folge aufrufe, sind merkwürdige tage und weniger entspannend, als sie versprechen zu sein. die angst, dass etwas passiert ist, von dem man erst stunden später liest, ist anstrengend, glaube ich. keine ahnung, vielleicht reicht auch ein tag einfach nicht, um entspannt zu sein.

mit meiner zahnärztin über die situation in israel gesprochen und darüber, dass sie bisher gar nicht wusste, dass so viele ihrer patient:innen (ehemalige) israelis sind, gearbeitet, aber viel zu unkonzentriert gewesen, mir eine umarmung gewünscht und undefinierten trost, aber das fällt mir auch erst jetzt, stunden später auf. es trotz gld-streik vom wedding ins about blank in rund einer halben stunde geschafft, mich kurz wie eine heldin gefühlt. der security-typ am einlass wünscht mir “viel spass” und ich bin so irritiert, dass mir keine antwort einfällt, nur unsicherheit, ob ich am richtigen ort zur richtigen zeit bin. im hinterhof in einem zu vollen raum in der ersten reihe sitzend don’t look away. the Nova Festival massacre gesehen, zwei überlebenden zugehört, geweint, nach hause gefahren und nudeln gekocht. über y. nachgedacht, der den holocaust überlebt hat und mir heute morgen davon schrieb, wie es ist, nun damit zu leben, dass all seine arbeit, all sein forschen, reden, schreiben, lehren, denken, umsonst gewesen ist.

scheinbar kein deal in sicht.

20240123

heute morgen, noch vor dem aufstehen, sehe ich ein kleines video von der hochzeit von Yarden und Shiri Bibas; einen kleinen und sehr intimen zusammenschnitt des tages. ich addiere ihn zu den vielen bildern, die ich mittlerweile von den geiseln und ihren angehörigen in meinem kopf habe; eine weitere geschichte, ein weiteres mehr an nähe. es gibt einen grundsätzlich anderen umgang mit den zivilen opfern von terroranschlägen oder mit gefallenen soldat:innen, getöteten politist:innen etc. in israel. die namen und bilder werden jeweils sehr schnell in die öffentlichkeit getragen, oft finden beerdingungen unter der anteilnahme einer öffentlichkeit statt und immer wieder gibt es verbreitete aufforderungen, angehörige im rahmen einer schiv’a zu besuchen und zu unterstützen. man kennt die toten nicht, aber man kennt sie, weiß um ihre geschichten, familien und/oder hoffnungen. oft bleibt dieses wissen über jahre bestandteil der eigenen karte, nicht selten kann man terroranschläge nicht nur mit konkreten orten verbinden, sondern auch mit konkreten namen. es ist teil von etwas, das zum sozialen gedächtnis gehört. dies ist sehr anders als in deutschland. ich erinnere mich daran, dass nach dem anschlag auf den weihnachtsmarkt am berliner breitscheidplatz unendlich viel zeit verging, bis die namen der 13 ermordeten opfer überhaupt in die öffentlichkeit gelangten. man wusste sehr schnell sehr viel über den täter, und erinnert bis heute kaum etwas von den opfern. ein bisschen ist das vielleicht wie bei der öffentlichen wahrnehmung und vermittlung der rechtsextremen/rassistischen anschläge und morde in den 1990er jahren; aber irgendwas funktioniert an dem gedanke doch wieder nicht richtig. aber vielleicht auch nur für mich nicht, weil ich eben dann doch sehr viele namen opfer rechter gewalt kenne. geändert hat sich dies in deutschland erst mit dem antisemitischen anschlag in halle im oktober 2019 und dem anschlag in hanau im februar 2020. besonders letzterer hat aus meiner sicht – endlich – das erinnern verändert, die namen und gesichter und geschichten präsent gemacht und dabei unter anderem auch in die städtischen räume vieler städte getragen. dies ist nie genug, natürlich. und ich mag mich eigentlich nicht, wenn ich etwas, das selbstverständlich sein sollte, betone, wenn es dann endlich doch mal stattfindet.

und dann fällt mir beim lesen in deutschen zeitungsberichten wieder auf, wie sie es noch nicht einmal schaffen, die namen der geiseln zu nennen.

nach dem aufstehen und die folgenden stunden des tages lerne ich viel über 21 junge männer, soldaten der idf, die gestern in gaza getötet wurden, viele von ihnen reservisten: Hadar Kapeluk (23), Sergey Gontmaher (37), Elkana Yehuda Sfez (25), Yoav Levi (29), Nicholas Berger (22), Cydrick Garin (23), Ahmad Abu Latif (26), Nir Binyamin (29), Elkana Vizel (35), Israel Socol (24), Sagi Idan (24), Mark Kononovich (35), Shay Biton Hayun (40), Daniel Kasau Zegeye (38), Matan Lazar (32), Rafael Elias Mosheyoff (33), Barak Haim Ben Valid (33), Itamar Tal (32), Adam Bismut (35), Yoval Lopez (27), Ariel Mordechay Wollfstal (28). bevor ich ihre geschichten lese, scanne ich mit wenig atem namen und gesichter und gleiche sie ab mit meinen erinnerungen und meiner gegenwart. und natürlich bin ich zuerst einfach nur krass erleichtert, wenn sich keine verbindung ergibt, ich nichtmal das gefühl habe, jemanden schon getroffen zu haben. aber das ist dann, wenn überhaupt erleichterung, nur ein kurzer moment.

öffentlich werden gerade optionen für einen neuen deal besprochen. es ist etwas unklar, was genau tatsächlich verhandelt wird und von wem. aber es ist ja grundsätzlich die frage, was akzeptabel, was moralisch geboten und was moralisch vertretbar ist, was in wessen sinne durchgesetzt wird, und nicht zuletzt, mit wem man da eigentlich verhandelt. es gibt keine gewähr, dass irgendwas von dem, was hamas in aussicht stellt, tatsächlich passiert. und dabei wird die verzweifelung der angehörigen und freund:innen immer größer und lauter und schriller, während sie gleichzeitig immer mehr in sich zusammenzufallen scheinen, zerbrechlicher sind, grauer. mir scheint es, dass die darstellungen in den erzählungen freigelassener geiseln, aber auch in den flehenden forderungen der angehörigen immer drastischer werden, 109 tage, 109 fucking tage. ich kann das nicht mal schreiben, ohne dass ich schon wieder tränen in den augen habe.

ich hatte gute und verwöhnte tage in köln und der schnee ist geschmolzen.