20240314, nachmittags in givat ada

als ich gestern kurz nach meiner ankunft in givat ada in den supermarkt will, gibt es dort einen riesigen streit. ein typ, um die 30 tickt total aus und eine frau versucht, ihn aus dem raum zu drängen. ich verstehe natürlich überhaupt nichts, aber obwohl es laut ist, wirkt es nicht so bedrohlich, dass ich mir sorgen mache. ed. sagt mir später, dass es um einen pfand-bon gegangen sei, aber die nerven seit dem 7. oktober einfach derart gespannt sind, dass es oft bei den kleinsten problemen einfach kracht.

davor im zug war es schon wahnsinnig laut gewesen, telefonierende menschen, klingeltöne, videospiele, musik. und mir fällt plötzlich auf, dass das eine vor-7.oktober-situation ist und die stille auf den fahrten seit dezember ja die ausnahme war, das besondere.

falls man eine lieblings dance company haben kann, dann ist meine jetzt fresco dance company. zum dritten mal etwas von ihnen bei suzanne dellal gesehen und zum dritten mal berauscht gewesen. dabei trifft einen, also mich, selbst in den besten moment die gegenwart: am rand der zuschauer:innenplätze stehen zwei gelbe plastestühle für die abwesenden geiseln.

das gelb wird zunehmend präsenter; am anfang waren es nur die schmalen bänder an autos und an handgelenken, an taschen und an kleidungsstücken. dann kamen die kleinen pins. jetzt wird die farbe auch in plakate eingebunden, viele dieser stühle aufgestellt, es taucht in fotgrafien auf und zeichnungen, fließt in die neuen gedenkzeichen ein, usw. das gleiche gelb dominiert seit jahren ed. wohnung und so bin ich irgendwie gerade umgeben davon.

vor zwei tagen wurde bekannt gegeben, dass der 19jährige Itay Chen bereits am 7. Oktober ermordet wurde, seine Leiche ist nach wie vor in den Händen der Hamas. da er neben der israelischen und der amerikanischen auch eine deutsche staatsbürgerschaft besass, erhielt sein tod auch aufmerksamkeit in den deutschen medien. mehr als fünf monate also haben seine familie und seine freund:innen gehofft, dass er noch lebt. was für ein schmerz. man kann es sich nicht annähernd vorstellen. und denkt es trotzdem: was für ein schmerz. man möchte schreien, die ganze zeit.

gestern in naharija lila getroffen. sie schreibt viel und besser über die situation im norden, als ich es kann. deshalb hier kein versuch, die dinge zu wiederholen, die den großteil unseres gesprächs bestimmen. immer wieder. immer wieder kehren wir dahin zurück. und wenn es den raum und die ruhe gibt, über die situation der geiseln zu sprechen, über die ängste und befürchtungen, dann weine ich wieder.