heute morgen beim warten in einem der hipster-coffeeshops direkt am platz den blick durch den ort streifen lassen, auch um die gelangweilt coole barista nicht beim sosein beobachten zu müssen und an einer kleinen porträtaufnahme eines jungen mannes hängengeblieben, die in einem der regale stand. natürlich wusste ich nicht, wer das ist, aber ich wusste ziemlich sicher sofort, dass er einer der von hamas ermordeten des 7. oktobers ist. und weil ich a) sicher sein wollte und b) darüber schreiben, habe ich es recherchiert und nach weniger als 3 minuten gewusst, dass Bnayahu Biton, 23 und aus jerusalem, auf dem gelände des nova-festivals umgebracht worden war. die möglichkeiten, die zeichen und bilder in meiner umgebung zu lesen, haben sich offensichtlich um einiges erweitert.
so fängt ein tag hier an. ein bisschen rumgelaufen, geld geholt, (schlechten) hummus gegessen, kein kleingeld für einen waschautomaten gehabt, den dizengoffplatz angeguckt und darüber nachgedacht, dass er jetzt wieder ein öffentlicher ist und der erinnerungsort für die ermordeten zwar in seinem zentrum bleibt – alle erinnerungszeichen sind noch da, kerzen werden noch angezündet, menschen bleiben noch stehen -, aber zugleich mehr auch zu einem hintergrund wird, vor dem sich die anderen nutzungen (wieder) abspielen. auch die cafes und restaurants sind wieder sehr gut besucht und laut und die menschen schlendern und haben ihre ersten, zweiten oder dritten dates und stehen an, um einen platz zum sitzen und essen zu bekommen. bestimmt hat jemand schon mal etwas kluges geschrieben darüber, wie sich die nuancen solcher orte immer wieder verschieben. aber in dem fall bin ich zu faul, es jetzt zu recherchieren.
ich wohne in einem dieser schönen gebäude mit den durchlaufenden, geschwungenen balkonen, die den von Genia Averbuch in der ersten hälfte der 1930er jahre gestalteten platz prägen. das hotel ist eigentlich gar kein hotel, jedenfalls nicht, wenn man wie ich gern eine rezeption hätte und in ihrer nähe eine kleine bar. und hotelgäste, die urlaub machen. stattdessen, zumindest glaube ich das, wohnen jetzt evakuierte hier. diejenigen, die im zimmer neben mir sind und sich den balkon mit mir teilen, haben ihn genutzt, um einen schrank mit einem kleinen herd und einen wäscheständer aufzustellen und eine ecke für reinigungsutensilien zu verwenden, zum beispiel. seit heute mittag gibt es zudem einen großen strauß mit lilien, die ich problemlos bis auf meine seite rieche.
im hummus-laden einen artikel gelesen, den mir ein freund aus deutschland geschickt hatte. er begann mit darstellungen vom 7. oktober und den unmittelbaren folgen und wieder weinen gemusst. überlegt, ob ich vielleicht mit jemand professionellem darüber sprechen sollte. weil, naja, vielleicht geht es so nicht weiter.
nachmittags geschlafen, einem buch die druckfreigabe erteilt, mal wieder i24news geguckt. gestern über den ermordeten Daniel Perez geschrieben, der als 13-jähriger mit seinen eltern aus südafrika eingewandert war und diese staatsbürgerschaft auch noch innehatte, heute einen langen, ein paar tage alten beitrag dazu gesehen, dass südafrika plant, idf-soldaten die in das land zurückkommen, festzunehmen und anzuklagen. dazu gab es filmbilder von häusern mit graffitis und einem, dessen gesamte fassade als palästinensische fahne gestaltet war. “wtf” gedacht.