ro. getroffen, die mir ungefragt gestern lebensmittel kaufte. als wir einen tag davor telefonieren, sagte sie, dass es ihr sehr gut ginge und ihre stimme klang nicht sarkastisch. ich war verwirrt, weil das keine antwort war, die ich erwarte. alles relativiert sich sofort, als wir uns sehen. ihr sohn ist derzeit in südafrika und sie wird ihn besuchen. trotz all den drohungen und dem hass, der aus dem land nicht nur aber vor allem auch auf politischer ebene kommt. trotz der angst, die ihr das macht. trotz den sorgen, die sie deshalb hat. irgendwann zeigt sie mir ein video von julian reichelt, in dem er sich über das abewerfen von hilfslieferungen aufregt und über deutsche positionen zum krieg im gaza. sie fühlt sich angesprochen und erleichtert, dass es noch jemanden in deutschland gibt, der sich so klar und eindeutig auf seiten israels positioniert. und als ich das video ansehe, weilß ich warum und ekele mich vor mir selbst. dies ist dann eben auch eine folge des handelns deutscher kultur- und anderer linker denke ich; dass sich israelische juden:jüdinnen rechten, rassistischen, misogynen wichsern zuwenden, weil da (scheinbar) niemand anderes mehr ist. wenn ich jetzt an unsere gemeinsame zeit zurückdenke, dann weiß ich nun, dass es eine gute koschere fleischerei in herzliya gibt (warum muss ich so etwas wissen?), dort mindestens einer der zentralen plätze mit plakaten der geiseln zugestellt ist und dass jedes thema mit einer aussage zu den geiseln, zu hamas, zum krieg, zu antisemitismus in der welt beginnt und/oder endet. mehr als einmal spricht sie aus, dass israel um seine existenz kämpft. immer beiläufig und in eine erzählung eingebunden, ein halber satz, manchmal ein ganzer. es gibt nie eine erklärung für diese feststelltung; ro. denkt, die ist nicht nötig und ich weiß, ich brauche sie nicht. ich frage mich zwischendurch, ob menschen in europa/deutschland das nicht ernst nehmen, es ihnen egal ist oder sie es tatsächlich wollen. es ist schon klar, dass sich jederzeit immer alles für jede:n ändern kann, aber ganz ehrlich, wie oft denken wir in deutschland daran. und hier? ist es realität, das permanent, wirklich permanent bewusst zu haben. manchmal, wenn ich lange keine nachrichten gecheckt habe, habe ich angst, es zu tun, weil ich denke, es ist jetzt so viel zeit vergangen, da kann nur etwas wirklich krasses passiert sein.
yo. sagt, wir gehen nicht zu einer purim party, weil er angst vor anschlägen hat. soetwas hätte er auch vor dem 7. oktober gesagt, aber im unterschied zu “damals” widerspreche ich ihm nicht, aber nicht weil ich tatsächlich überzeugt bin, dass das nicht passieren wird, sondern ein bisschen, weil ich weiß, dass ich nur denke, dass soetwas nicht passiert, weil ich es mir nicht vorstellen kann. und wofür das taugt, wissen wir ja seit nun mehr als fünf monaten. wir sind gestern abend lange spazieren gegangen und dabei fiel uns auf, dass einige der orte, mit denen wir gemeinsame geschichten verbinden, sehr früh schließen oder schon geschlossen haben, als wir an ihnen vorbeigehen. auch wenn bereits wieder menschen ausgehen und einige bars und restaurants sehr gut besucht sind; die meisten sind es nicht. immer wieder fällt mir auf, wie viele leere läden es gibt und wie allein man in vielen gegenden abends auf der straße sein kann und selbst wenn mehrere menschen anwesend sind, in diesen kleinen wein-bars die es jetzt plötzlich gibt, wie leise es dabei oft ist.
167 tage.
die neue wohnung ist ganz gut zum wohlfühlen. vor allem aber finde ich es auch schön, in der gegend zu wohnen, frishman, nahe rabin square. ich hatte ein bisschen vergessen, wie gerne ich durch die straßen der stadt laufe und white-city-architekturen angucke, die hier nicht nur größer und prächtiger und expressiver sind, sondern oft auch (wieder) in einem besseren zustand. die menschen sind reicher und weißer, und ernster und ignoranter. es gibt sehr viele sehr schicke französische bäckereien mit sehr unfassbaren dingen, die ich nie kaufe, schlicht aus dem grund, dass ich mich nicht entscheiden kann. alles ist gediegener und gesetzter und erwachsener und vielleicht ein bisschen langweiliger. ich weiß, ich darf das nicht mögen, aber ich mag definitiv die stadt ohne tourist:innen. für die räume des cafe mersand hat sich noch immer niemand gefunden. ich trauere meiner zeit dort ein bisschen nach und merke wieder einmal, wie viele erinnerungen sich aus wenigen momenten ergeben und ich hätte als nicht-nostalgische person gern ein paar davon zurück.