20241021, nachmittags

zurückkommen sind antisemitische, anti-israelische, pro-hamas-, pro-palestine- und rote dreiecks-graffities an allen fassaden. menschen mit pali-tüchern am nachbartisch im cafe, auf den straßen, im lebensmittelladen, im zug. jemand hat das ‘free palestine’ am klingelschild erneuert und dabei noch größer gemacht. kauf dir halt sprühdosen oder vielleicht ziehst du doch besser um, heißt es, wenn ich sage, dass es mich verstört. alle hiergebliebenen haben deutlichen vorlauf im gewöhntsein.

zurückkommen ist zu viel alkohol, viele verabredungen, immer noch wenig essen und immer noch schlecht schlafen, um alle zwei bis drei stunden die alarme auf dem telefon zu checken. zurückkommen ist auch, dass es schwer ist, über die vergangenen fast zwölf wochen zu reden, vielleicht will ich gern auch glauben, dass es schwer ist, danach zu fragen, weil sonst müsste ich denken, dass es niemanden interessiert und dass ich und meine ankunft gerade vor allem und manchmal nur dazu dienen, das eigene sosein, denken und verzweifeln bei mir abzuladen. aber die nachbarin zum beispiel fragt gar nicht und ich merke, wie sich mauern ziehen und meine welt immer (noch) kleiner wird. es gibt eine merkwürdige mischung aus schweigen und abladen und ich bin müde und k. sagt, du kommst ja auch aus einem krieg und ich antworte, das stimmt so nicht, wie gut wir es haben in tel aviv im vergleich zu allen anderen aber das ist vielleicht nicht alles, worum es dabei geht.

simwar ist seit mitte vergangener woche tot, plötzlich wird er als das beschrieben, was er eben auch war: das / ein hindernis für einen deal zur befreiung der geiseln. nun werden neue verhandlungen versucht, aber alles bleibt ungewiss, offen, vage. gestern schickte hizbollah rund 200 geschosse nach israel. auch gestern tötete sich Shirel Golan selbst. es war ihr 22. geburtstag und sie hatte das hamas massaker auf dem nova-festival überlebt, aber nicht die folgen, die die erfahrungen diesen tages hatten.

after woke von jens balzer gelesen. gedacht: ganz gut als erster versuch, aber auch, dass es merkwürdig ist, wie wenig ernst er den antisemitismus seiner protagonist:innen nimmt und wie irritierend dann der habitus seiner annahme, besser überzeugung bleibt, nur mal sagen zu müssen, was sie stattdessen machen sollen, worauf sie sich besinnen müssen, wo sie umzukehren haben, um ideen von postkolonialem und wokem-denken noch zu bewahren. eine explizite analyse von antisemitismus war da nicht dabei. und aufgefallen ist ihm offenbar auch nicht, dass die szenen selbst, oder besser diejenigen, die in ihren namen sprechen, wenig bedürfnis zur auseindersetzung mit dem eigenen wahn erkennen lassen. gewagt, sage ich mal, gewagt.