ich wollte eigentlich eine zusammenfassung des 22./23.09. schreiben, davon, wie das flugzeug nicht losfliegen konnte wegen kaputt und ich keine sauberen klamotten mehr hatte und wie das, was ich trug innerhalb von fünf minuten klatschnass wegen regen war, wie die sohle von meinem lieblingsschuhen brach, die schuhe nicht trockneten, etwas über die fünf stunden schlaf im fancy hotel, den veganen cheeseburger und zimmerservice, bevor wieder anstehen und fragen und einchecken und warten und dann fliegen und von den passagier:innen, die beim abheben klatschen und jubeln und vom glück, endlich mal wieder einen freien mittelsitz zu haben und von der einreise und den immer noch da stehenden porträts der geiseln. aber naja, auch egal.
mi. und ich haben entschieden, dass sie nicht kommt. dass ich froh bin, in der derzeitigen situation keine verantwortungen für jemanden tragen zu sollen, macht das gefühl nicht besser, dass ich sie irritierend stark vermisse, obwohl sie ja gar nicht hier war und dass ich es kaum aushaltbar finde, dass die umstände eine solche entscheidung überhaupt notwendig machten. und damit meine ich nicht nur, dass ich mein leben ungern von umständen, die ich nicht beeinflussen kann, gestalten lasse.
abends war ich bei no. und sie kocht mir shakshuka. es entstehen neue nähen und es beschäftigt mich bis heute, dass sie sagte, wie sehr es sie deprimiert, dass jemand wie ich mit all den dingen und büchern und erfolgen trotzdem gerade nicht weiterkommt. dass jemanden noch etwas anderes deprimiert als die situation hier. auch komisch. den ganzen abend chatte ich parallel mit s., die mir nicht nur videos der raketen schickt, die sie von der terrasse aus sieht, sondern die mich auch bittet, ihre mutter zu kontaktieren, falls etwas passiert und mir die notwendigen daten schickt.
den tag mit ed. verbracht, in holon gewesen, zu viel sushi gegessen. bemerkt, dass sie mir zunehmend andere geschichten erzählt, zum beispiel die, wie sie oft geweint hat in deutschland, weil sie so viele schreckliche und gemeine (antisemitische) dinge zu hören bekommen hatte.
als vor ein paar wochen eine rakete von hizbollah die zwölf kinder in Majdal Shams tötete, merkte ich zum ersten mal, wie ereignisse die beschäftigung mit den / die erinnerungen an die geiseln für eine weile überlagern. und jetzt dieser sich ausbreitende krieg im norden, die raketen, die tiefer ins land fliegen, die ängste, lassen die aufmerksamkeit für die geiseln schwinden. es ist wie eine gefrorene situation, etwas, das da ist, aber sich auch nicht mehr zu ändern scheint. ein gefühl von wir leben jetzt eben damit. (ich könnte kotzen, wenn ich das schreibe, mein ganzer körper zieht sich zusammen) es heißt nun offiziell, nur die hälfte von ihnen lebt noch. das sind 50 menschen. aber immer wieder höre ich jetzt auch, dass menschen tatsächlich aussprechen, dass sie nicht mehr wirklich davon ausgehen, dass noch jemand zurückkommt. das ist jetzt der status quo und li. sagt, sie können nicht einmal mehr zu den demonstrationen gehen, obwohl sie wisse, wie wichtig es für die angehörigen ist, solidarisch zu bleiben. ihr fehlt die kraft. auch um deadlines einzuhalten, sich um irgendetwas zu kümmern oder auch nur, um verbindlich zu sein. wir telefonieren sehr lange und sie springt zwischen den themen und erzählt sachen ohne zusammenhang. es verlangt all die wenige geduld die ich so habe, aber ich will es aushalten, weil es eben so ist. menschen erzählen die dinge, die ihnen im kopf sind. ohne kontext und nicht als antworten auf gestellte fragen oder als beitrag in einer diskussion. sondern weil sie die gelegenheit haben, weil jemand gerade zuhört. und ha. hat brustkrebs. und ya. onkel ist im krankenhaus und in haifa ist alarm und sie muss eine weile in einem moshav wohnen und für andere sorgen und da ist immer alarm seit einigen tagen. sie geht trotzdem. natürlich.
ich lese weniger nachrichten.
Eitan Horn ist gestern 38 jahre alt geworden. er lebt in kfar saba und war am wochenende des 7.oktobers im Kibbuz Nir Oz, um seinen bruder Yair zu besuchen. es gab zunächst keine hinweise, dass sie beide tatsächlich von hamas nach gaza entführt worden waren, erst nach wochen bekam die familie eine bestätigung.
es ist kühler auch wenn es nach wie vor heiß ist. es ist noch einmal ruhiger in der stadt geworden, und wenn man abends an kneipen oder restaurants vorbeiläuft ist es ein bisschen merkwürdig, dass man auf menschen trifft und dann doch erleichternd.
ich will trotzdem nicht nach deutschland zurück. das wohnhaus (!) von joe chialo ist in der nacht zu montag von irgendwelche pro-palestine-idioten beschmiert worden. erst vor kurzem hatten sie oder andere ihn bei einer rede im zentrum für kunst und urbanistik in mitte bedrängt, angegriffen, beschimpft und beleidigt.