20250127, abends in beer sheva

am samstag sind Liri Albag, Naama Levy, Karina Ariev und Daniella Gilboa von hamas freigelassen wurden. wieder als spektakel und wieder als machtdemonstration. aber sie sind zurück und alle vier konnten selbständig laufen. sie waren von der militärbasis in nahal oz entführt worden, in ihren schlafanzügen. die videoaufnahmen der palästinenser vom 7. oktober, später erzwungene videostatemants aus der gefangenschaft prägten sehr meine bildwelt von den massakern der terroristen. über Daniella Gilboa hieß es irgendwann, sie sei tot. mindestens bei Naama Levy weiß man, dass sie eine zeitlang als sklavin gehalten wurde, beim tagesspiegel heißt es dazu, sie und Noa Argamani seien “zur Hausarbeit gezwungen worden”. überhaupt scheint man in deutschen medien immer noch nicht so richtig verstanden zu haben, was da passiert, so heißt es sowohl im tagesspiegel als auch bei tagesschau.de dazu, dass die vier frauen von hamas auf eine bühne zur schau gestellt wurden, dass es “unklar” sei, “[o]b die Frauen aus freien Stücken oder unter Drohungen handelten”. weil die freilassung schon in den mittagsstunden war und das noch an shabbat, habe ich es mir im fernsehen angesehen und das war auch gut, weil es mich so gestresst hat, dass ich mich übergeben musste. eine fünfte soldatin, Agam Berger, blieb in hamas-gefangenschaft und auch Arbel Yehoud, eine bewohnerin des kibbutz Nir Oz sollte eigentlich in dieser zweiten etappe freigelassen werden. weil dies ein weiterer verstoß gegen das abkommen war, weigerte sich israel, die bewohner:innen gazas in den norden ziehen zu lassen. nun sollen Agam Berger, Arbel Yehoud und eine dritte, namentlich noch nicht genannte geisel, am donnerstag freikommen. der islamic jihad veröffentlichte heute noch ein video von Arbel Yehoud, das nahe legt, das sie zumindest vor zwei tagen noch am leben war. zudem hat heute hamas bekannt gegeben, dass acht der 26 geiseln, die in der ersten phase des abkommens nach israel zurück können, bereits tot sind. es heißt in der berichterstattung, hamas habe nur die zahl genannt. zugleich aber auch, dass familien informiert wurden. aber bisher werden öffentlich keine namen genannt. und jonny daniels schreibt auf instagram immer wieder, dass man öffentlich nicht spekulieren soll. und eigentlich auch nicht nicht-öffentlich, im kopf. und ich lese das immer wieder und versuche, mich daran festzuhalten. weil, naja, es stimmt. und weil, naja, es für die familien richtig so ist, nicht mit gerüchten konfrontiert zu sein. die angehörigen der bibas-familie haben mehrere so schmerzhafte statemants veröffentlicht in den letzten 72 stunden. schon das lesen zerreisst mich. und man kann nicht sicher sein, bis man sicher sein kann. vor angst und stress und gedanken letzte nacht eigentlich nicht geschlafen. und heute morgen mit ed. in den süden gefahren. sderot, car memorial und nova gedenkstätte. meine idee geht nicht überhaupt auf, was aber vielleicht eher an der umsetzung liegt als an der idee. ich weiß nur nicht, wie ich es besser machen könnte. habe aber den verdacht, ich muss es mehr alleine machen. diese abhängigkeit und diese anwesenheit einer anderen person entziehen mir die aufmerksamkeit für den ort und für das einlassen. und es ist nicht einfach, mit jemandem zu sein, die zum ersten mal da ist. ich habe trotzdem heute gemerkt, wie sich bilder und eindrücke und schmerz zu gedanken entwickeln. wie sich mein blick verändert. trotzdem geweint. trotzdem überfordert gewesen. aber das durchfahren der landschaft mit dem auto hat nochmal das bewusstsein für den raum verändert, dafür wie weit die terroristen in dem land waren, wie viel raum sie sich genommen haben. ofakim ist einfach mal 30 kilometer von der grenze entfernt und nur 15 kilometer vor der stadtgrenze von beer sheva. da sind wir gerade, in einem kleinen apartment in der altstadt. sehr schönes kleines cafe zum abendessen besucht. und überaupt heute immer wieder sehr nette, sehr freundliche menschen getroffen.

ich würde gern mehr schreiben. weil mein kopf noch voller ist mit gedanken und mein körper noch geprägter von schmerz. aber ich kann nicht. mir fehlen die worte oder vielleicht bin ich nur zu müde und kraftlos, um mich so zu ordnen, dass es aufzuschreiben geht. überhaupt denke ich oft, dass alle worte schon verbraucht sind für das grauen und die zustände und die emotionen und die einsamkeiten und die ängste seit dem 7.oktober und dass man die worte jetzt steigern könnten müsste und um sich verständlich zu machen darin, dass sich das grauen und die zustände und die emotionen und die einsamkeiten und die ängste nicht nur als normalität eingenistet haben, die realität sind, sondern es immer noch weiter geht.

trump möchte gern, dass die bewohner:innen gazas nach jordanien und ägypten ziehen. er lässt massenhaft menschen aus den usa abschieben. und menschen die keine der beiden geschlechtsidentitäten für sich wählen, können keine reisepässe mehr bekommen. und in texas will eine lobby-gruppe männer dazu bringen, beweise zu sammeln, dass/wenn ihre frauen abgetrieben haben. und das sind nur dinge, die mir auf die schnelle und ohne weiteren nachrichten-konsum einfallen. und in irland nutzte der präsident des landes, michael higgins, eine veranstaltung anlässlich des internationalen holocaust-gedenktags, der dieses jahr gleichzeitig der 80. jahrestag der befreiung von auschwitz ist, seine rede für attacken gegen israel. im raum waren überlebende anwesen und juden:jüdinnen, die ihren unmut über diese äußerungen kundtaten, wurden von der polizei aus dem saal gebracht.

20250123, abends

jemand erzählt mir eine geschichte über eine geisel und sie ist so verstörend, dass ich quasi sofort aufhöre, noch irgend etwas anderes zu fühlen. immer wieder sind dinge angesprochen worden. immer wieder hieß es, worauf man sich vorbereiten muss. und jetzt merke ich, dass es gar keine vorbereitung geben kann. dass die dinge erst real sind, wenn man weiß, dass sie tatsächlich passiert sind. und nicht, wenn jemand sagt, dass sie passiert sein könnten oder werden und dass man sich darauf vorbereiten soll. und dass man die wucht, nicht abfedern kann, nicht aufhalten, nicht abschwächen, nicht vor-denken, nicht weniger aushalten. stunden vorher hieß es, dass morgen nicht nur die namen der vier geiseln bekannt gegeben werden, die am samstag frei kommen werden, sondern hamas auch eine liste darüber veröffentlichen wird, wer von den geiseln noch lebt, und wer nicht. jetzt heißt es, dass hamas nur eine zahl sagen wird, wie viele geiseln noch leben. und dass das am samstag passiert. es ist zum zerrreisen. im kopf und im körper. und es ist, als wäre der moment, als Romi Gonen, Emily Damari und Doron Steinbrecher frei kamen, eben nur ein moment war, zum kurz atmen, zum euphorisch sein. aber das war nicht die realität, die mich und uns und irgendjemanden erwartet. jemand sagt bei instagram, dass für die familien und freund:innen das alles noch viel schlimmer ist und dass wir anderen deshalb stark sein müssen. und das stimmt. aber es ist auch schwer, das eigene immer nur in relation zu den anderen zu sehen. m. fragte mich heute, ob sie mitkommen kann mit mir am samstag zum hostage square und ich bin überrascht, weil sie sich seit monaten von all diesen dingen fernhält und wir kaum darüber sprechen. und heute sehr lange. wie sich alles immer wieder verschiebt, aufweitet, verengt, anderes ist. Emily Damari ist sehr präsent und das erzeugt immer wieder kurz den eindruck, dass sie okay ist, dass sie mit all dem umgehen kann oder können wird. s. sagt, sie macht sich große sorgen um Doron Steinbrecher, weil sie die ganze zeit allein gewesen sein soll. ich merke immer wieder, wie viel wir von vielen wissen. wie viele bilder wir kennen. wie viele geschichten. wie merkwürdig persönlich es sogar für mich ist, die niemanden persönlich kennt. aber wie sich das eigene empfinden, das sorgen-machen, das verbunden sein, mit vielen hergestellt hat. wie wenig es abstrakt ist, auch wenn distanz bleibt, natürlich. viel distanz. ed. fragte mich nach den klebezetteln mit zahlen auf meinem computer und ich erzähle ihr, dass ich die ersten hatte, als ich in jerusalem beim hostage tent zu volontieren begann und dann wurden es mehr, weil ich in berlin auch immer mal welche getragen habe und nie wusste, was ich danach mit ihnen machen soll. und dass ich jetzt nicht weiß, wann ich sie abziehen soll. weil es irgendwie merkwürdig ist, sie zu behalten. aber das ich sie jetzt nicht einfach alle runternehmen und wegschmeißen kann und sie sagt, das soll ich dann machen, wenn alle geiseln raus sind. und ich sage ja und jetzt müssen sie wirklich bleiben.

ich arbeite weniger als ich wollte. aber ich schlafe okay, bisher jedenfalls. kaffee kostet jetzt mindestens 16 shekel. so lange ich mich erinnern kann, kostete kaffee zwischen 10 und 12 shekel. das ist also anders. daneben ist der umtauschkurs so schlecht, dass mir ganz schwindelig ist. ich versuche, noch weniger geld auszugeben, aber es ist kaum möglich und ich mache mir ein bisschen sorgen, dass das wird schon gehen irgendwie doch auch grenzen haben kann. hätte gern ein date. oder besser, hätte gern ein bisschen zuwendung und eine umarmung. habe mich wieder bei einer dating app angemeldet. aber den verdacht, dass mir die kraft nicht reichen wird, erst eine situation herzustellen, in der ich ein bisschen zuwendung und eine umarmung bekomme und aushalten kann.

ich habe sehr viel angst vor den tagen die kommen und vor den dingen, die wir hören und sehen und zu unserer realität machen werden müssen. aber ich sage zu allen die es hören wollen, dass ich froh bin, hier zu sein und nicht allein mit all dem in berlin.

20250119, abends

Romi Gonen, Emily Damari, Doron Steinbrecher sind zurück in israel. bis heute mittag hatte hamas die namen noch nicht weitergeben, damit gegen den deal verstoßen. dann gab es ihre namen und ab nachmittags war es möglich, bei israelischen fernsehsendern die bilder der übergabe live anzusehen. und man wusste bis man sie tatsächlich sah nicht, ob sie alle drei leben und in welcher kondition sie sind. das ist so zerreissend und beschäftigt einen dann über stunden wie nichts anderes. auf dem hostage square gab es eine übertragung. es waren bilder arabischer sender, bilder voll mit hasserfüllten männern (und einigen wenigen frauen) und erschreckend vielen aggressiven, siegesgewissen hamas-kämpfern. ich denke mehr als einmal, dass sich auf der ebene eigentlich nichts geändert hat seit november 2023. und ich denke mit viel wut noch einige andere dinge und flüche und dabei auch, wie das eigentlich sein kann, dass es diese art von deal gibt, diese art von bildern, diese art von ohnmacht. alle drei können selbständig laufen und es gibt nun wunderbare bilder von den treffen mit ihren müttern und so viel erleichterung. es gibt interviews mit angehörigen anderer geiseln, mit dem bruder von carmel gat zum beispiel, die in der ersten phase eines deals ebenfalls freigekommen wäre. es gibt immer wieder informationen zu den terroristen, die nun freikommen und zu ihren monströsen taten. es ist kaum auszuhalten. und ich bin so überwältigt und emotionalisiert und völlig fertig davon. und jemand aus deutschland schrieb mir vor ein paar stunden “endlich waffenruhe in gaza” und da sind sie wieder, die sehr unterschiedlichen realitäten. und ich bin so froh, in dieser zeit hier zu sein.

in der bibliothek hat heute ein sehr junger und sehr schöner mann mit irrierend tollen oberarmen mit mir geflirtet und ich bin jetzt jedenfalls in einem alter und/oder in einer phase meines lebens, in der ich denke: verarscht der mich?

heute morgen wurde auch bekannt gegeben, dass shin bet und idf die sterblichen überreste von Oron Shaul bergen konnte, einem soldaten, der 2014 von terroristen ermordet und nach gaza verschleppt wurde. ben gvir und otzma yehudit haben die israelische regierung verlassen.

20250118

vormittags alarm wegen einer rakete aus dem yemen. ein bisschen die situation, die ich befürchtet habe: nur in unterwäsche und ohne kontaktlinsen wusste ich nicht so richtig, wohin und vor allem wie. im kopf wahrscheinlichkeiten ausgerechnet und dann einfach im hausflur gewartet. den nachmittag mit n. verbracht, zu viel essen, spazierengehen, am strand sitzen und sehr sehr viel sprechen. am nachmittag ein terrorangriff, ein 30-jähriger mann wird in der levontin von einem 19jährigen palästinenser mit einem messer angegriffen. rund einen kilometer entfernt von meiner wohnung. in einer straße, die ich mag und gut kenne. er ist schwer verletzt im krankenhaus, aber nicht lebensgefährlich. aber eigentlich ist der tag bestimmt davon, dass um 16 uhr die namen der ersten drei freizulassenden geiseln bekannt werden sollen. aber es passiert nicht und auch in den kommenden stunden nicht. und jetzt, nach 10 uhr abends, immer noch nicht. nethanjahu droht, trump droht und der islamic jihad kündigt an, geiseln umzubringen, falls israel seine einsätze vor der waffenruhe noch einmal verstärkt. dieses warten zieht meinen körper in alle richtungen und es bestimmt meine aufmerksamkeiten und macht dabei eigentlich nur leere im kopf und nicht-denken-können. abends auf die kundgebung für die geiseln gegangen. auch das ist nun einfach nur noch die wiederholung von vielen anderen malen. kfir bibas hat seinen zweiten geburtstag. Amit Soussana spricht davon, dass sie als geisel im november 2023 im fernsehen zusehen konnte, wie geiseln freikam und nicht wusste, ob sie selbst freigelassen werden wird und wann und dass sie keinen moment dachte, dass nun wieder nicht alle rauskommen werden. und Ofri Bibas Levi spricht, die schwester von Yarden Bibas. für die 33 geiseln werden unter anderem 1.904 palästinenser:innen aus israelischen gefängnissen entlassen.

das ergebnis einer studie der Anti-Defamation League zufolge vertreten 46 prozent der erwachsenen weltweit antisemitische ansichten. ein fünftel der befragten gab zudem an, noch nie vom holocaust gehört zu haben, nur 48 prozent erkennen die genauigkeit der historischen aussagen an. in london stören pro-hamas-demonstrant;innen eine veranstaltung zum 2. geburtstag von kfir bibas. ebenfalls in london gibt es seit mehr als einem jahr jeden samstag eine demonstration der palestine solidarity campaign , die mit antisemitischen schildern und bannern nahe des BBC broadcasting house beginnt und zur Central Synagogue führt. erst jetzt erließ die polizei auflagen, die die demonstrant:innen von der synagoge fern halten sollten; mit mäßigem erfolg.

20250117, nachmittags

die situation macht, dass ich die rückkehr durchsuche nach veränderungen. und dabei zum beispiel denke, dass es für ein flugzeug voller israelis irritierend leise ist oder vor ein paar minuten auf dem weg vom cafe in die wohnung, dass das eigentlich alles auch quatisch ist, weil dass, was mir vor einigen monaten noch als neu auffiel, jetzt ja eben seit vielen monaten schon so ist. zugleich ist das wieder-kommen so selbstverständlich, dass ich das rituelle bilder-machen am flughafen vergesse und dann gar kein symbol-bild meines wieder-da-seins für meine nachrichten habe, mit denen ich die ersten verabredungen vereinbare. o. treffe ich gleich gestern einfach so und unverabredet auf der straße. das ist ja immer so ein bisschen zu-hause-gefühl und überhaupt antwortet mehr als eine person welcome home.

und jetzt also ein deal. und ich kann gar nicht einfach darüber schreiben, außer, dass man sich so momente immer auch irgendwie anders vorstellt. im flugzeug hat ein israeli zu einem deutschen gesagt, er käme zur richtigen zeit, es würde jetzt die ganze zeit einfach gefeiert werden. und die frage, in welchen realitäten menschen so leben, ist ja immer zu stellen. aber hier gerade ganz besonders. dass es nur ein drittel sind, die in den ersten 42 (oder 46?) tagen überhaupt rauskommen und dass man immer noch nicht weiß, wer noch am leben ist, wie es für die verbleibenden 65 sein wird etc. und wie viel grausamkeit in all dem steckt: erst 24 stunden vorher werden die namen jeweils bekannt gegeben, zwischen den freilassungen vergehen jeweils mehrere tage, so wie es klingt, wird man überhaupt erst kurz vorher wissen, ob jemand doch tot ist. heute morgen sind die namen der 33 personen bekannt gegeben worden:
🎗 Albag Liri, 🎗 Algart Yitzhak (Itzik), 🎗 Arayev Karina, 🎗 Ben-Ami Ohad, 🎗 Bibas Ariel, 🎗 Bibas Jordan, 🎗 Bibas Kfir, 🎗 Bibas-Silverman Shiri, 🎗 Berger Agam, 🎗 Gonen Romi, 🎗 Gilboa Daniela, 🎗 Damari Emily, 🎗 Dekel-Chen Sagie, 🎗 Horn Yair, 🎗 Vankrat Omer, 🎗 Tropnov Alexander, 🎗 Yehud Arbel, 🎗 Yehalomi Ohad, 🎗 Cohen Elia, 🎗 Levi Or, 🎗 Levi Naama, 🎗 Lifshitz Oded, 🎗 Moses Ged Moshe, 🎗 Mengistu Avraham (Avera), 🎗 Mansur Shlomo, 🎗 Sigal Keith Shmuel, 🎗 Idan Tzachi, 🎗 Calderon Ofer, 🎗 Shoham Tal, 🎗 Steinberger Doron, 🎗 Shem-Tov Omer, 🎗 Shaaban Al-Sayed Hisham, 🎗 Sharabi Eliyahu🎗

wie viele namen ich kenne, wie viele geschichten. und wie ich auch sofort weiß, wer alles nicht darauf steht. aus deutschland bekomme ich so viel vorfreude und erleichterung geschickt. und das alles hat so wenig mit der realität zu tun. und es ist ja nicht nur das schicksal der hier nun genannten geiseln und die ungewissheiten für die 65 verbleibenden, sondern auch, dass mehr als tausend terroristen rauskommen (für jede:n zivilist:in 30, für jede soldatin 50, darunter sind auch 95 frauen und jugendliche) werden und plötzlich liest und hört man hier wieder die geschichten ihrer verbrechen und damit bekommen ihre taten und die opfer wieder eine verstörende präsenz in der gegenwart und sogar ich erinnere mich sofort an einige wieder. den fehler gemacht und deutsche medien gelesen, deutsche politiker, die sich äußern und es widert mich so an. im newsblog des tagesspiegels heißt es zum beispiel heute, dass “Unter den Geiseln sind auch mindestens zehn Personen mit Deutschland-Bezug.” und wie verschwurbelt kann man sein. was soll denn das bedeuten? dass sie im schwarzwald urlaub gemacht haben? und ich weiß, die frage ist so alt wieder 7. oktober her ist, aber warum werden ihre namen nicht genannt, warum sind sie nicht teil deutscher öffentlicher erinnerung? warum wird nicht einmal jetzt zugegeben, dass zehn menschen mit deutscher staatsangehörigkeit von terroristen entführt und misshandelt und missbraucht und gefoltert und vielleicht getötet werden/wurden, scholz hat im gleichen portal eine “dauerhafte Entwaffnung der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen gefordert” und wenn es nicht so dramatisch und dumm und fern jeder realität wäre, ich könnte nie mehr aufhören zu lachen. oder naja, für zehn minuten nicht. clowns. als israel versuchte, sie tatsächlich und dauerhaft zu entwaffen, gab es nicht ganz so viel unterstützung und zuspruch aus deutschland, sag ich mal. auf palästinensischer seite wird gefeiert, und dabei vermutlich nur zu einem (geringen) teil, dass gaza nicht mehr bombardiert wird. das ganze ist ihnen ein sieg und dabei auch nur ein zwischenschritt. gefeiert haben sie auch in berlin und ich vermute in vielen anderen städten. in den nächsten tagen wird es weitere dieser widerlichen bilder sehen, und in deutschland etc. wird man davon ausgehen, dass es freude über einen waffenstillstand ist, dabei ist es jubel über freigelassene verbrecher, über etwas, dass man als sieg imaginiert (und das vielleicht sogar einer ist) und bis zum schluss werden sie versuchen, die geiseln auf ihrem weg nach israel zu demütigen und zu verängstigen.

gestern abend auf dem hostage square gewesen. viele menschen. viele medienvertreter:innen. alle warten. auch wenn schon klar ist, dass zu dieser stunde gar nichts mehr passiert. fernsehsender haben talkrunden. ich werde von einer journalistin des guardian befragt. jugendliche verteilen kleine pita mit falafel. es ist in all dem irritierend still. und trotzdem kann ich gar nicht friedlich sagen. also es gibt eine liveband, jemand spielt klavier, dann jemand anderes saxophone. aber wenn man nicht direkt daneben steht, ist es, als würden alle geräusche irgendwo anders hin gesogen. das gilt auch für den straßenlärm, für die gespräche, für den lärm, den der abbau einer bühne eigentlich machen würde. es gibt wieder tshirts mit neuen motiven und obwohl ein teil von mir auch denkt, aus sammlerinnen-gründen sollte ich welche kaufen, ist es mir zu schwer, das tatsächlich zu tun und ich kann mich nicht entschließen. jemand verschenkt neonfarbene shirts mit der aufschrift “sie sind nicht allein” und im verlauf der stunden leuchten wir immer mehr zusammen über diesen platz. einzelne menschen tragen selbstgebaute plakate und kleine installationen mit sich herum und eigentlich geht es dabei immer nur um eins: alle müssen zurück. ich kann nur schwer entscheiden, wieder in die – wunderschöne! – wohnung in dem wunderniedlichen neve tzedek zu fahren und irgendwie ist alles leise und langsam und dunkel, wenn ich es zurückdenke. ich lese von Einav Zanguaker, deren sohn nicht auf der liste ist. und lese ihre angst und all die verzweiflung. wie schlimm das ist. und wie schlimm es bleibt.

20250115, vormittags, aber von tagen

vor einigen tagen habe ich in einem meiner lieblingspodcasts gehört, dass am ende einer shiva die anwesenden die wohnung oder den ort, an dem sie stattfindet, verlassen und nach draussen gehen, um die erfahrung zu machen, dass zwar ihre persönliche welt tiefe risse und erschütterungen bekommen hat, aber für alle anderen das leben einfach weiterging, sich nichts veränderte. ich kenne mich zu wenig aus und weiß deshalb nicht, ob das im detail so ist, aber es ging natürlich eigentlich um den 7.oktober und die erfahrung, dass das massaker vom 7. oktober und seine opfer in der welt keine risse und erschütterungen hinterlassen haben und dass es bereits eine erfahrung von überlebenden nach dem holocaust war. das sich die welt nicht verändert. und dass nur wenige die risse und die erschütterungen nun in sich tragen und mit einem bewusstsein für das davor und das danach leben. ich glaube, es gibt einen unterschied, zwischen der persönlichen erfahrung und dem versuch, mit dem ende einer shiva ein bewusstsein für die grenzen zwischen der betroffenden, trauernden person und dem draussen zu schaffen und der situation nach dem 7. oktober: ersteres ist eine persönliche ebene, eine persönliche geschichte und eine persönliche erfahrung, die man machen muss und mit der man leben lernen muss. und dies gilt auch für jeden einzelnen toten des 7. oktobers selbst und seiner folgen. aber es gibt ja auch den 7. oktober als massaker, als ereignis politscher, antisemitischer, auf vernichtung angelegter gewalt und darin festzustellen, dass die welt keine erschütterung, keine risse, keine verstörungen erfahren hat oder erfährt, bedeutet etwas und zwar etwas, das problematisch auf verschiedenen ebenen ist. politisch, für die welt und eine beziehung zu ihr, gesellschaftlich. ich meine, ich finde es manchmal sinnlos, bücher zu lesen, wenn sie vor dem 7. oktober entstanden sind, weil ich merke, wie mein denken texte in die zeit davor und danach einordnet und mir manches plötzlich einfach veraltet erscheint, weil es davor gedacht wurde. aber ich habe nicht den eindruck, nicht einmal im ansatz, dass das zu etwas generellerem geworden ist.

naja. ich schwatze natürlich auch nur so durch meine gedanken.

fcb hat sich nun herabgelassen, auf nachfrage natürlich, mich wissen zu lassen, dass seine diatnzierung von mir seit dem 7. oktober nicht nur in meinem kopf ist. seine erklärung war lang und vielleicht etwas wirr, vor allem aber hat sie nichts mit mir zu tun aber viel mit einer verqueren linken sicht auf die welt, die nun endlich die chance hat, sich von schuld und zurückhaltung zu befreien, die endlich keine rücksicht mehr suchen braucht. es ist so langweilig und klischee, das es fast lustig ist, nur ist es das eben nicht weil in der summe dann eben traurig und verletztend. ein bisschen schwund ist immer, gedacht und dass ich ja im vergleich zu vielen anderen in vergleichbarer situation nur wenige menschen verloren habe, aufgeben musste etc. erstaunlich ist ja fast, dass er und ich so lange durchgehalten haben. und dass er nicht einmal fragt, wie es mir geht, meinen freund:innen, ob ich jemanden verloren habe etc., sondern alles auf einer ebene verhandelt, die er für eine politische hält, und in der ich mich nicht finde und das ist der eigentliche, und ganz kleine, aber vorhandene moment, der mich verletzt.

finde nicht so richtig den anfang für daskleinebuch, habe kurz überlegt, alles hinzuschmeissen, weil der prozess der einstellung an der uni zu verwickelt für mich ist, muss mich nun endlich mit dem verlag streiten, weil das so nicht mehr geht und ich weiß aber auch nicht wie und es ist so bescheuert. es ist kalt geworden, es gab zum ersten mal die aufforderung für eine nachzahlung von nebenkosten, und ich habe etwas geld investiert, um zu beginnen, meinen körper zu optimieren. überhaupt gebe ich gerade so viel geld aus, als hätte ich es schon. das macht mir etwas angst. in los angeles brennen die vororte und wälder und häuser. mir fehlt es an mitleid im großen und ich weiß, wie bescheuert das ist. meta und andere große us-firmen beginnen, die förderungen und die projekte für diversität etc. einzustellen und ich weiß, wie beängstigend das ist. es sind diese verschiebungen, die scheinbar minimalen, die sofortige bereitschaft derjenigen mit macht, wir werden schnell feststellen, wie wenig von all den versuchen, gleichberechtigung herzustellen und ungleichberechtigungen nicht einfach mehr hinzunehmen, tatsächlich durchgedrungen sind, und wie viel so doch einfach staub blieben, den man jetzt (wieder) abwischen kann. wer wird sich schon aufregen. und das ist das eigentlich schlimme: wer wird sich schon aufregen. in berlin sind die mittel für kunst und kultur und bildung und partizipative räume drastisch gekürzt werden. aber wer wird sich schon aufregen. manchmal sehe ich ein dilettantisch hergestelltes transpartent und die hilflosigkeit macht mich traurig aber vor allem doch immer öfter wütend. weil das kann doch nicht die antwort sein und warum zur hölle kriegen es all die leute nicht hin, sich zu organisieren und zu solidarisieren. demonstrationen gab es jedenfalls nicht nennenswert und offensichtlich geht es immer noch mit dem sich einrichten und am ende sind all dies auch nur vorstufen. natürlich.

angefangen, feuer von Ron Leshem. wie viele geschichten es gibt. wie viele wir vergessen haben und wie viele noch nicht gehört.

immer wieder ist immer noch von einem möglichen deal zu lesen und das eine einigung kurz bevor stünde. dabei haben die familien der geiseln zuletzt auch immer wieder dagegen protestiert, dass nur ein teil der geiseln freikommt. zu falsch ist es, sie zu unterteilen in zivist:innen und nicht-zivilist:innen, zu grausam, diese entscheidungen. und zu groß und zu richtig ist die befürchtung, dass alle anderen eben zurückbleiben werden. und das vermutlich für immer oder wenigstens sehr lang. das ist der moment. und niemand denkt ernsthaft, dass wie noch einmal dahin kommen können. hamas spielt sehr viel mit den emotionen, brachte eine liste in umlauf u.a. mit den namen der bibas kinder, nur damit wenig später von israelischer seite darauf hingewiesen werden muss, dass es die liste ist, die bereits im sommer von ihr in die verhandlungen eingebracht wurde. am 8. und 10. januar wurde bekannt gegeben, dass Hamzah AlZayadni und sein Vater Yozef AlZayadni als geiseln von hamas ermordet wurden. der IDF war es gelungen, die leiche von Yozef AlZayadni nach israel zu bringen, um den tod von Hamzah zu bestätigen, brauchten die behörden erst zeit und untersuchungen. am 7. oktober entführten die terroristen sie sowie Bilal und Aisha AlZayadni aus dem Kibbutz Holit, in dem Yozef seit mehr als 17 jahre arbeiteten. seine beiden kinder Bilal und Aisha waren im rahmen des deals im november 2023 freigelassen worden. wie traurig das alles ist. und das man sich wiederholt in diesen worten und den gefühlen und gedanken macht alles noch schwieriger. hamas selbst hat bis jetzt nicht bekannt gegeben, wer überhaupt noch lebt. in großbritannien ruft die Islamic Human Rights Commission (IHRC) 460 kommunen und bildungseinrichtungen dazu auf, den holocaust-gedenktag zu boycottieren. in bologna stürmen demonstrant:innen in der nacht von samstag zu sonntag eine synagoge, in berlin besetzten hamas-unterstützer:innen und andere antisemit:innen die alice-salomon-hochschule, und neben vielen widerlichkeiten hängen sie unter anderem en transparent mit der aufschrift “no place for zionists” aus dem fenster und die präsidentin bettina völter hindert zunächst die polizei daran, es abzunehmen und setzte sich zudem zugleich für den verbleib des mobs ein, um ihm die möglichkeit zu geben, einen raum des diskurses zu schaffen. dazu gehörte, dass sie ein büste von alice salomon, einer jüdin die zur emigration gezwungen worden war, eine kufiyah überzogen und sie mit palestine beschmierten. michal bodemann ist gestorben, am wochenende wurden in maribor, slowenien, die wände einer ehemaligen synagoge, die jetzt ein jüdisches kulturzentrum ist, antisemitisch beschmiert, in new york “protestierten” hunderte fanatiker:innen vor dem NYU Langone Health Center, weil sie aufmerksamkeit auf die zerstörung des gesundheitssystems in gaza lenken wollen (wtf?) und riefen antisemitische parolen, in warschau wurde das denkmal umschlagplatz antisemitisch beschmiert, am samstag wurden in sydney die Newtown synagoge und ein gemeindehaus antisemitisch beschmiert, einen tag davor die Southern Sydney Synagogue, in karlsruhe das mahnmal für die zerstörte liberale synagoge beschädigt. die mutter von Rom Braslavski wand sich in einer facebook gruppe an grafikdesigner:innen und bat sie darum, ein bild von ihr und ihrem sohn mit hilfe von AI herzustellen, auf dem sie sich umarmen, da sie keine einzige fotografie hat, auf denen sie mit ihm zusammen zu sehen sind. sein telefon ist nach dem 7. oktober nicht gefunden worden. Assaf Ben David, onkel von Mia Schem, hat sich das leben genommen. er war am 7. oktober in den süden gefahren, um seine nichte zu finden und hatte anschließend alles getan, um sich für ihre freilassung einzusetzen.

tag 466. warten auf einen deal. es heißt nun seit letzter nacht, die vereinbarung steht kurz bevor. in einer ersten phase sollen 33 geiseln freikommen, die meisten von ihnen lebend. ich habe irgendwo gelesen, dass die mutter von Romi Gonen davon sprach, dass sie gebeten worden seien, sachen für ihre ankunft und ihren aufenthalt im krankenhaus zu packen und irgendwo anders stand, dass alle behörden und krankenhäuser und so weiter beginnen, sich auf die ankunft von geiseln vorzubereiten. mein körper ist wie gefroren vor anspannung. und ich kehre zurück zu einem status, in dem ich permanent die nachrichten checke und angst habe, etwas zu verpassen.

20250105, nachmittags

langsame tage. und vertrödelte. einen ordner angelegt, der ‘das kleine buch’ heißt. aber meine vorstellung von mir selbst, sitzend am schreibtisch und die ruhe nutzend da auch sachen reinzuschreiben, ließ sich nicht umsetzen. viel quatsch geguckt, viel das bett nicht verlassen. berlin war dann doch erstaunlich geschlossen an den feiertagen. aber auch zum ersten mal seit gefühlt immer wieder im archiv gewesen. bonn. ewig durch akten gekramt und vorstellungen entwickelt. und gemerkt, wie sich begeisterung wieder in die knochen frisst. stundenlang kaffee mit einem archäologen getrunken und danach gedacht, dass ich den tollsten job der welt habe. die schwester sagt ‘ja’. nach einer langen massage umgekippt und den kopf gegen einen türrahmen geknallt. für entspannung braucht es offensichtlich eine stärke, die mir fehlt. irgendwie das gefühl, dass mein körper nicht okay ist. schwer zu sagen. es ist nichts. aber irgendwie etwas. weiss nicht, was man mit so gefühlen oder ahnungen macht. am 24.12. bei chabad im restaurant gegessen und anschließend in düsteren bars durch die nacht getrunken. ziemlich gut in der summe. und im verlauf sage ich meinen gegenübern immer wieder, dies sei der leichteste abend seit dem konzert von depeche mode irgendwann im februar 2024 weil ich mich erinnere wie ich damals erstaunt feststellte, dass das die leichtesten drei stunden seit dem 7.oktober waren. lese viel internet und wie menschen in deutschland über ihr letztes jahr und ihre hoffnungen für das kommende schreiben. niemand erwähnt die geiseln. wie es wirklich einfach niemanden interessiert und ich sage das als beobachtung. wie ich vielleicht daran gewöhnt bin. und wie sich realitäten trennen. nicht die wichtigste erkenntnis aber doch die, dass die gräben und abstände und unverständnisse und die wut und das fremdsein und die abscheu noch größer geworden sind. und gleichzeitig bin ich zu müde. obwohl ich nach wie vor irre viel schlafe. aber offensichtlich gibt es nicht genug schlaf für die situation. ins bajzel flog wieder ein stein, zur besten besuchszeit. jemand erzählt mir, dass er bei einem besuch 2019 in israel dachte, dass die ja eben doch gar nichts aus ihrer geschichte gelernt haben. und jemand anderes fragt, wie es ist, da so zu sein derzeit und hört natürlich nicht zu, sondern will nur die gelegenheit haben, von einem gegenseitigen konflikt zu sprechen in dem alle schuldig sind aber die palästinenser eben doch ein bisschen mehr die eigentlichen opfer. und als ich antworte, dass es hamas war, die am 7.oktober israel überfallen und menschen massakriert hat, antwortet sie, ja aber die kinder, und meint damit nicht ariel und kfir bibas oder die kinder und jugendlichen, deren erfahrungen als geiseln in einem bericht des israelischen gesundheitsministeriums stehen, der letzte woche an die UN-sonderberichterstatterin für folter übergeben wurden und dessen wenigen bekanntgewordenen details mich seit tagen verfolgen. beide gesprächspartner:innen dürften aufgrund der situation davon ausgegangen sein, dass ich jüdisch bin. deutsches öffentlich rechtliches fernsehen gesehen. und entstetzt gewesen von dem scheiß, der da produziert wird und berieselt. es ist bestimmt nicht schlimmer geworden, aber mit so abstand und seit-jahren-aus-diesen-dingen-ausgestiegen-sein, ist es fast verstörend. will nicht zu denen gehören, die abschaffen krakelen, aber so richtig weiß ich nun doch nicht, was es da konkret zu verteidigen gibt. robert smith stellt ein weiteres album für den sommer in aussicht. überlege, nach australien zu fliegen. y. schreibt von seiner gesundheitlichen situation und spielt es nicht runter und ich vermute, dass es wie immer noch schlimmer ist als das, was er zugibt. er gibt mir beiläufig seinen vollständigen hebräischen namen und ich panike für mehr als eine minute. das war als wollte er, dass ich das weiß, für den fall, sage ich später zu jemandem. viel über die idee des filmes gesprochen. die kamera zur durchsicht und reparatur abgegeben. m. schlug vor, der einfachheithalber besonders beim laufen eine dieser am körper tragbaren kameras zu nehmen. bin unsicher, wegen investition und arbeit mit verschiedenen formaten. später fällt mir auf, dass das zudem etwas war, dass die täter an dem tag – und bei anderen terroristischen anschlägen auch – getan haben. zuerst erschien das als das strikte argument gegen eine verwendung, nun bin ich zunehmend unsicher, ob es nicht das strikte argument für ihre verwendung ist, also den raum als erinnertes ergebnis ihrer taten aufnehmen mit den gleichen fotografischen/filmischen mitteln. das medium und das format als teil der arbeit. dagegen spricht definitiv, wie es auf menschen wirkt, denen ich begegne. und das es mindestens viel geld kostet, weil ich muss sie erst kaufen. und eigentlich brauche ich jetzt sofort ein neues telefon. und medikamete. und irgendwie türmen sich gerade komische ausgaben. versuche mir zu sagen, dass es alles auch investitionen auf eine zeit sind, in der diese dinge wieder leichter sind. allein ich glaube noch nicht daran und die möglichkeit selbst hat sich noch nicht in meinem körper verankert. krass einfach, was arm-sein jenseits dessen, dass man sich keine dinge leisten kann, mit einem macht. also mit dem denken.

beschlossen, endlich dieser autismus-sache nachzugehen. auch das geht fast nur, wenn ich geld investiere.

hamas veröffentlichte gestern ein video von liri albag, die am 7. oktober erst 18 war, als die terroristen sie aus der militärbasis nahal oz entführten, wo sie beobachterin der idf war. die familie hat der veröffentlichung nicht zugestimmt, es gibt lediglich zwei stills und einige der aussagen wurden bekannt. erleichterung, dass sie noch lebt, fast körperliche schmerzen, ihren zustand und ihre verzweiflung abzulesen. heute ist der 27. geburtstag von Segev Kalfron. am 29. dezember wurde Eden Alexander 21 jahre alt, Evatar David einen tag zuvor 24 Jahre alt, Ohad Ben Ami am 24. Dezember 56 Jahre alt. zweite geburtstage, zweite channukah, zweite jahreswechsel. 457 tage. am 23. dezember starb die 78jährige Hanna Katzir, die am 7. oktober aus ihrem haus in nir oz entführt wurde. ihren mann Rami ermordeten die terroristen bereits im schutzraum des wohnhauses, ihren sohn Elad verschleppten sie ebenfalls. während Hanna ende november 2023 freigelassen wurden, veröffentlichten die palästinenser von Elad Katzir im januar 2024 ein kurzes video und ermordeten ihn wenig später. die idf konnte im april seine leiche bergen und nach israel zur bestattung bringen. 457 tage. wieder wird viel über verhandlungen geschrieben. davon, dass in einem ersten schritt 34 geiseln lebend freikommen sollen, davon, dass hamas sich weigert, entsprechende listen zu übergeben oder davan, dass sie doch lieber 22 lebende und 12 tote geiseln übergeben wollen, davon dass verhandlungen scheitern, erfolgsversprechend, weit fortgeschritten oder aussichtsreich sind, davon, dass alle geiseln freikommen müssen, auch die soldaten. manchmal habe ich das gefühl zu merken, wie sich meine nerven zum zerreißen gespannt durch meinen körper ziehen. 457 tage. in toronto wurde die Kehillat Shaarei Torah synagoge zum achten mal seit dem 7. oktober angeriffen und beschmiert, auf eine jüdische grundschule zum dritten mal geschossen. überhaupt kanada. das deutsche außenministerium gibt bekannt, auf der buchmesse in frankfurt am main keinen gemeinsamen pavillion mit israel haben zu wollen.

20241221, nachts

vorletzte nacht von a. geträumt. also eigentlich nicht wirklich, weil er nicht im zentrum des traumes stand, sondern einfach auch anwesend war. es war weniger, ihn zu sehen, als vielmehr diese erinnerung an das gefühl, in seiner permanenten unverrückbaren aufmerksamkeit zu stehen. komisch, dass es das ist, was ich immer noch so sehr verinnerlicht habe. ich habe erst in den letzten monaten verstanden, was ich während unserer zeit falsch gemacht habe und ich habe jetzt plötzlich so viele sätze im kopf, um etwas erklären zu können. der schmerz über den verlust hat sich verändert und irgendwie denke ich erst jetzt in all dem. ich weiß schon, er ist der arsch, weil er das alles echt beschissen gehandlet hat am ende. lj. sagte vor einer weile, ich solle mich einfach bei ihm melden, das ganze sei schließlich kein wettbewerb, wer länger schweigen kann. jedenfalls kann ich mich erst seit ein paar wochen wieder an träume erinnern. sehr selten nur, aber damit immerhin mehr als in den letzten anderthalb jahren. ich weiß schon, dass man immer träumt, aber es gab einfach nichts, was irgendwie in mein bewusstsein wanderte. in dem ersten traum, in dem das wieder anders war, war ich in einem raum, vielleicht ein hotel mit zwei typen. es war lustig, leicht, in so pastellfarben. und ich saß entfernt auf einem bett oder stuhl und wusste mit einem mal, dass der eine typ mich umbringen wird. und das gefühl, das wissen, dass das passieren wird, war so vertraut und überzeugend und klar, dass ich mich bis heute innerlich aus-freake, weil ich nicht erklären kann, warum ich mir so sicher sein konnte, warum mir das gefühl und wissen so bekannt waren.

naja.

heute morgen aufgewacht mit der nachricht, dass eine rakete aus dem yemen in süd-tlv / yaffa runterkam, 16 verletzte, zerstörte wohnungen. alle abfangvorrichtungen scheinen versagt zu haben. noch vor dem aufstehen mit mehreren menschen gesprochen, von denen ich dachte, dass sie unmittelbar betroffen sein könnten. auch an m. geschrieben und sie antwortet später, dass sie kurz davor gewesen sei, ihr telefon trotz shabbat anzumachen, um sich bei mir zu melden.

höre viel the national und finde nicht in meine alte liebe zurück. habe verstörend viel gleichgültigkeit für das angekündigte album von tocotronic. es langweilt mich so wahnsinng. mein desinteresse ist insgesamt interessanter.

habe gerade viel eigene zeit für zeug im kopf und stelle dadurch auch fest, wie sich die räume und gegenwarten um mich herum an den kommenden weihnachtstagen ausrichten. (fast) alle planen, bereiten sich vor, haben einen anderen rhythmus. ich merke dabei, wie es so ganz kleine einschnitte gibt, durch die ich von all dem getrennt bin, ausgeschlossen. weil ich das alles nicht mache, nicht habe, kann man mit mir auch nicht darüber sprechen, bin ich auch in den erzählungen nicht verknüpft. ich werde das alles nie haben. und das sage, schreibe, denke ich nicht bitter oder traurig, sondern stelle es fest eher mit befremden als mit emotion. ich hatte es nie. und selbst wenn ich versucht habe/versuche, den tagen andere und für mich bessere eigene bedeutungen zu geben, war/ist das ja trotzdem immer der versuch, einer abgrenzung, einer überlagung der vergangenheit. ich muss etwas tun, um etwas zu haben oder etwas nicht zu empfinden. niemand tut es für mich. niemand macht es mir gut. wie schön es sein muss, wenn es einem unbeschwert etwas bedeutet. das wäre schön zu haben. und ja, ich weiß schon, das ist alles auch viel alptraum für sehr viele beteiligte. und ich freue mich wenigstens, dass die stadt leerer wird. sagte zu l. am telefon, dass ich nicht christmas-e und sie sagt: gut, dann mach channuka-kerzen an.

in magdeburg fährt ein mann mit seinem auto in einen weihnachtsmarkt. er tötet fünf menschen, darunter ein kind und verletzt rund 200 weitere. in den medien geht es um den täter und seine motive und die auswirkungen auf dies und das, nicht um die opfer. ich weiß nicht ob man das hier noch anders lernt.

20241219, nachts

heute morgen mit einem fotografen telefoniert, der eine arbeit in unserem jahrbuch veröffentlichen wird. er lebt seit vielen jahren auch in einer deutschen stadt und es braucht weniger als 2 minuten, bis er darüber spricht, dass er da nicht bleiben, es da nicht mehr aushalten kann, und seinen lebensmittelpunkt wieder ganz nach israel verlegen wird. er spricht von dem schock, den der umgang deutscher kultur- und kunstmenschen mit dem 7. oktober und seinen folgen bei ihm ausgelöst hat, von der einsamkeit, isolation, angriffen, zerbrochenen beziehungen, enttäuschungen, ängsten. 18 minuten. wir haben uns noch nie vorher persönlich getroffen, ich weiß nicht einmal, wie die person, mit der ich rede, aussieht. ich kannte seine arbeit schon lange, bevor es zu unserer zusammenarbeit kam und ich war sehr sehr aufgeregt, als er mir vor einigen wochen schrieb. ich höre derartigen geschichten, verstörungen und verzweiflungen seit mehr als einem jahr zu und ich kann mich nicht daran gewöhnen. ich habe die muster der heutigen erzählung ungezählte male gehört in dieser zeit und trotzdem trifft es mich ungebremst. es legen sich keine layer zwischen mich und diese gegenwart. und es entwickeln sich keine strategien, damit umzugehen. ich bin hilflos und immer noch unvorbereitet, darauf zu reagieren, kann nicht trösten oder auch nur einen sinnvollen halbsatz beitragen. es gibt keinen trost und es gibt keinen sinn, ich weiß, aber irgendwas? kurz danach ruft mich eine freundin aus tel aviv an und ihre stimme ist so schwer und sie spricht so dunkel und gleichförmig und ohne energie. alles ist schwer. auch das sprechen. und alles bleibt damit in der gleichen tonart. unabhängig ob es um die anstehende krebs-op ihrer mutter geht oder einen anstehenden vortrag in boston. mir fiel schon vor einer weile auf, dass ich vor dem 7.oktober kaum kontakt zu meinen israelischen freund:innen hatte, wenn ich nicht in israel war. und wie anders das jetzt ist. und dass ich zurückerwartet werde. sehr zurückerwartet werde.

gestern wohnung in tlv gefunden. an einem ort, in dessen umgebung ich noch nie gewohnt habe.

der spiegel veröffentlicht einen artikel. ich lese eigentlich nie den spiegel, nur manchmal, wenn ich wirklich wirklich nicht mit dem arbeiten anfangen will und mir andere ideen ausgehen. jedenfalls ging es um die siegerbilder eines unicef-fotowettbewerbs, bei dem zwei erste plätze vergeben wurden. zu dem einen bild heißt es “Das Gewinner-Motiv der israelischen Fotografin Avishag Shaar-Yashuv zeigt den achtjährigen Stav, der Unicef zufolge am 7. Oktober 2023 den Hamas-Überfall auf seine Siedlung überlebt hat. Die Aufnahme entstand am 22. Oktober 2023 in einem Hotel.” und zu dem anderen “Auf dem zweiten Sieger-Motiv, das die palästinensische Fotografin Samar Abu Elouf aufgenommen hat, sind die elfjährige Dareen und der fünfjährige Kinan zu sehen. Ihre Eltern und 70 weitere Familienmitglieder der Geschwister seien bei einem israelischen Luftangriff auf ein Wohnhaus ums Leben gekommen, teilte Unicef mit. Das Doppelporträt ist demnach in einem Krankenhaus in Katar entstanden, in dem die beiden behandelt worden sind. ‘In diesem an altmeisterliche Gemälde erinnernden stillen Bild offenbart sich in großer Eindringlichkeit die ganze Würde von Kindern selbst noch in existenzieller Seelennot’, heißt es in der Mitteilung.” und es hat mich so wütend gemacht. natürlich steht da nichts, das wirklich offensichtlich problematisch problematisch ist, aber es sind doch einige punkte auffällig: (1) der text zu dem kind aus israel ist nur nicht deutlich kürzer, es geht (2) im unterschied auch zu keinem zeitpunkt um seine konkrete situation, seine empfindungen, das schicksal seiner familie oder die gestaltung und aussage des bildes. und (3) wird geschrieben, er sei in einer “siedlung” gewesen, was a) nicht stimmt, weil es ein kibbutz war und b) wird bewusst ein begriff verwandt, der außerhalb israels eng verknüpft ist mit als illegal bestimmten handeln von israel und besetzung palästinensischer gebiete. ich habe es einfach satt.

abends dann online eine lecture für yehuda bauer angeschaut, bei der unter anderem alvin rosenfeld sprach und ich muss fast weinen, wenn ich zuhöre und denke, dass diese menschen, wie ja auch k. ihr ganzes leben nach dem holocaust seiner erforschung und der vermittlung gewidmet haben. und jetzt darüber sprechen, wie groß der hass auf juden ist, immer noch, wieder, weiterhin.

das mahnmal für die zerstörte synagoge in berlin spandau wurde am dienstag wieder beschmierte, eine 52jährige frau am adenauerplatz in einem bus antisemitisch beleidigt. Matan Zangauker ist gestern 29 geworden. die houthis schicken erneut raketen nach israel, sie wurden abgefangen, aber ein raketenteil fliegt in eine schule in ramat gan und zerstört sie erschreckend massiv. personen waren nicht im gebäude.

immer noch nicht so richtig mit dem schreiben angefangen. nach oerlinghausen gefahren. viel über fremdsein nachgedacht und über diese anderen realitäten. alter macht vielleicht auch, dass darüber nochmal neue klarheiten bestehen. ich habe es nie anders empfunden, aber gestern überlebt, dass der gap ein tiefer graben ist mit scharfen kanten.

20241215, nachts

jeden tag denke ich, dass ich heute wieder schreibe. und es ist nicht dass nicht dinge passieren und sachen gedacht und das eine oder andere sogar gefühlt wurde/wird. aber es gibt eine sperre. vielleicht macht es sinn, kurze schritte zu gehen. sprich jeden tag ein wenig zu schreiben, die welt wieder anders aufzuteilen in kleine happen. oder so. und vielleicht auch nur dieses chaos von allem für das irgendwie worte nicht da sind, zu portionieren. vielleicht aber habe ich auch einfach keine lust zu schreiben. besser noch: nichts zu sagen.

faulheit bestimmt meine tage. die texte sind abgeben. die idee für alles kommende formuliert. aber wie es immer so ist, der erste satz für ein buch und sei es noch so klein muss eben auch geschrieben werden. diese zeit, in der die großen gedanken in einzelne sätze gebrochen werden müssen, die sinn ergeben und seiten füllen. dafür ist irgendwas notwendig, das innere widerstände überwindet. ich komme dahin, ich weiß das schon. aber es ist trotzdem immer irgendwie ein weg, bei dem man viel in der gegend rumsitzt erstmal und sich geschichten in serie erzählen lässt. ally mcbeal ist es diesmal. und ich bin im detail noch nicht sicher, aber ich denke an so menschen, die sachen sagen, wie: die serie, das buch, der song haben mich geprägt. und ich denke, eine serie, die derart von unterschiedlichen frauen dominiert wird, muss mir doch etwas bedeutet haben, etwas verändert haben, damals, aber ich kann mich an solche gedanken erst viel später erinnern, bei the good wife, vielleicht. ich hatte möglicherweise weniger bewusststein für das problem, und konnte es nicht einordnen, quasi das besondere dann doch in seiner zeit nicht schätzen. aber nun frage ich mich etwas, dass ich vor einigen monaten schon bei poor things dachte: eigenwillige frauen gehen offenbar nur ver-rückt und überzeichnet zu zeigen.

naja, auch egal.

‘vergiss nicht, rechtzeitig das land zu verlassen’, war das bisher letzte, was k. zu mir gesagt hat. betrunken, nachts, zum abschied. und ich trage das jetzt mit mir herum, nicht wissend, wie und was ich damit anfangen soll. es ist ja immer dieser unterschied, zwischen den dingen, die einem, also mir, durch den kopf geistern, und denen, die man gesagt bekommt. selbst wenn sie in den worten identisch sind.

ceasefire im libanon, assad gestützt und aus syrien geflohen, türkei greift kurdische gebiete an. immer wieder heißt es, verhandlungen zu den geiseln seien auf einem guten weg. sogar von namenslisten war immer mal wieder die rede. dann wieder nicht. am 2. dezember wurde bekannt, dass Omer Neutra bereits am 7. oktober ermordet und von den terroristen dann nach gaza verschleppt wurde, wo seine leiche nach wie vor ist. 423 tage, hofften seine eltern Ronen und Orna, sein Bruder Daniel, seine familie, seine freund:innen, dass er lebend zu ihnen zurückkommt. 423 tage dachten wir, dass er lebend zurückkommen muss. am sonntag abend noch hatten seine eltern bei der kundgebung im central park new york über ihn gesprochen. nur zwei tage vorher veröffentlichte hamas ein video, in dem Edan Alexander spricht. Edan Alexander, der auf allen bildern, die es von ihm gibt, immer schon zu jung, zu zerbrechlich wirkt, wirkt noch jünger, noch zerbrechlicher in diesen kurzen langen 3:36 minuten. am 4. dezember konnte die IDF die leiche von Itay Svirsky in gaza bergen und nach israel bringen. hamas hatte auch von ihm ein video gezeigt, im januar und kurz darauf wurden er und Yossi Sharabi ermordet. Itay Svirsky war 38 jahre alt, hatte auch eine deutsche staatsbürgerschaft und war am 7. oktober zu besuch bei seinen eltern Orit und Rafi im kibbutz beeri. sie wurden schon an dem tag selbst von den terroristen umgebracht. am 7. dezember veröffentlichte hamas dann ein video von Matan Zangauker. er ist 25 jahre alt, die terroristen entführten ihn und seine freundin Illana Gritzewsky aus kibbutz nir oz. Illana Gritzewsky war ende november 2025 freigelassen worden. am 22. dezember wurde Rom Braslavski 22 jahre alt. er arbeite als sicherheitsmann beim nova festival und half mehreren besucher:innen den terroristen zu entkommen, bevor sie ihn nach gaza verschleppten.

manchmal will ich nicht rausgehen, weil dies alles hier niemanden interessiert und weil ich es nicht ertragen kann, an den stellen vorbeizukommen, an die ich in der nacht zuvor porträts der geiseln verklebt habe, die bereits wieder abgerissen sind.

israel hat seine botschaft in irland geschlossen. und in melbourne ist in der vergangenen woche die Adass Israel synagoge angezündet wurden. zwei männer waren in dem gebäude, sie konnten sich mit verletzungen retten. k. schreibt artikel darüber, wie es ist, dass wieder synagogen brennen.

vielleicht jeden tag ein paar sätze. es hilft ja doch.