entlang der bialik st. in ramat gan hängen an den masten die fahnen aller idf-einheiten… naja, ob es alle sind, weiß ich nicht und dass es überhaupt so ist, weiß ich natürlich nur, weil es mir jemand sagt. wir verbringen den abend in einer kleinen runde in einer der bars, deren stühle den gehweg blockieren. und reden über viel aber immer auch wieder und vor allem über die kommenden tage und die möglichen szenarien. das gute ist, dass dieses reden ohne panik ist, ohne aufgeheizte entwürfe möglicher ereignisse. der bürgermeister von haifa schreibt, bei einem angriff sollen die menschen keine bilder online hochladen, hizbollah könnte dasraus standorte ablesen und drohnen schicken. jordanien kündigt an, raketen über ihrem territorium abzufangen. der zugbegleiter auf der rückfahrt trägt eine pistole, leger in den gürtel seiner hose gesteckt. überhaupt viele sicherheitskräfte, viele soldat:innen, viele waffen. viele airlines sagen die flüge ab. jemand, der als tourist am dienstag einreiste, kündigt seinen rückflug für heute an.
zum markt gelaufen und sehr viel zeug gekauft. salat gegessen und die gegend angesehen. wenn man es nicht weiß, dann sieht man es nicht. aber jedes gespräch beginnt und/oder endet mit einem kommantar zur situation, mit dem wunsch, dass es nicht zu schlimm wird, mit überlegungen, was dieses mal passieren könnte. immer wieder denke ich, wie viel besser es doch wäre, wenn ich hebräisch verstehen könnte. aber manchmal denke ich auch, dass es gut ist, es nicht alles zu verstehen, ausblenden zu können. auf dem weg spricht uns eine sehr alte frau an und erzählt uns kurze fragmente ihrer familiengeschichte. ich merke wieder, wie gerne ich hier in der gegend wohne. jetzt sitzen wir auf dem balkon und es ist so still. obwohl es gar keinen zweifel gibt, dass wir von stadt umgeben sind.
die diskrepanz zwischen dem, was passieren soll, der bedrohung und dem (scheinbaren) alltag beschäftigt mich immer wieder. im kopf ist das nur schwer zusammenzubekommen. und dann gibt es noch die wiederkehr des bekannten effekts, bei dem es im hiersein weniger beängstigend ist. ich erwische mich, wie ich denke, dass es schlimm wird, aber dass wir da durchgehen werden. jedenfalls ersteinmal und für die kommende sequenz. ich merke auch, wie die präsenz der geiseln im städtischen raum zu einer begleitung geworden ist, die kaum noch meine aufmerksamkeit hat. es ist einfach da. es gehört nun einfach dazu. wie krass das ist, wie man sich gewöhnt auf eine wirklich merkwürdige weise. vor einigen wochen sagte eine der angehörigen in einem interview, dass es ihnen nun immer auch daraum geht, dass die menschen sich nicht daran gewöhnen, dass diese menschen immer noch gefangen sind. so wie die traurigkeit sich in meinem körper eingenistet hat und eben immer da ist, so sind es auch die permanenten bilder dieser menschen. auf der straße, im internet. immer da. teil geworden. rachel goldberg-polin hat einen zusammenschnitt ihrer aufnahmen gepostet. es zu schreiben ist pathetisch, und trotzdem merke ich, wie ich ihren schmerz spüre, wenn ich sie sehe, immer wieder. aber auch darin gibt es nun lange gegenwart.
jemand fragt mich, ob ich mich nicht während meines aufenthaltes tätowieren lassen will und ich antworte, ich könnte die (kurzzeitige) kanalisation von schmerz sehr gebrauchen.
wenn man uns von außen jetzt sehen würde, dann haben wir es einfach schön, so weintrinkend und entspannt auf dem balkon. aber was wir eigentlich machen, ist weintrinkend auf dem balkon warten auf das, was vermutlich bald kommt.
und ansonsten habe ich mich noch einfach ein bisschen gelangweilt und bin dabei zur followerin von einer person auf instagram geworden, mit der ich vor einigen monaten mal einen schönen abend hatte. aber offensichtlich kann man nicht einfach mehr followerin von einer person werden, mit der man vor einigen monaten mal einen schönen abend hatte, sondern wird dann abgefragt, ob der motivationen. und jedenfalls sind es solche dinge, die erinnerungen an schöne abende mit personen dann kaputt kriegen.