ich hadere immer noch ein wenig mit meinem apartment. nicht mehr so wegen dem wifi, obwohl das ein grundgefühl prägt, sondern aus gründen, die mir noch nicht so klar sind. vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass es alles neu ist und entsprechend neu riecht, dass ich diejenige bin, die rausfindet, dass und welche dinge nicht funktionieren. dass das wasser nicht vernünftig abfließt nach dem duschen zum beispiel und das bad dann ewig – und damit meine ich länger als drei stunden – unter wasser ist oder dass die ac im schlafzimmer so laut ist, dass man denkt, sie schafft es nicht durch die nächsten drei minuten. oder damit, dass sie noch so unbewohnt ist und spartanisch, und ich sie jetzt aber nicht tatsächlich zu meiner machen werde. und dann ist da vielleicht noch ihre lage, im hinteren teil des hauses, durch einen eigenen innehnhof getrennt und dann die dicken wände und jedenfalls das gefühl, sehr allein auf der welt zu sein. das haus befindet sich in einer kleinen straße zwischen florentin und neve shanaan / central bus station, an der insgesamt vermutlich nicht mehr als 15 häuser stehen. neben uns gibt es eine riesige freifläche, die darauf wartet, baustelle zu werden. als ich vor einem jahr in shapira gewohnt habe, gehörte auch die unmittelbare gegend noch zu etwas, das man nicht unbedingt gern durchlaufen ist. zu viele drogenmenschen, zu abgefuckt, zu viel kaputte und viel zu viele tragische und definitiv zu viel aufmerksamkeit für die frage, ob man da jetzt wirklich langgeht. jetzt sind da drumherum ein paar der superteuren apartmentneubauten fertig geworden und offensichtlich hat jemand mal die straße saubergemacht. es gibt mindestens einen neuen coffeeshop und drei neue restaurants, während das kleine ethopian restaurant, dass ich so mochte, ersatzlos aufgegeben hat. gentrification, ich weiß und ich gebe zu, ich bin froher, dass es zumindest in meinem gefühl sicherer ist. aber wo gehen all die menschen hin, die rausgedrängt werden, damit wir uns sicherer fühlen.
gestern einen sehr normalen und unaufgeregten tag gehabt, mit kaffee im neuen morgendlichen coffee-place, der abends eine kneipe ist und der eigentlich nicht neu ist, sondern mir schon seit immer als heimat diente, wenn ich hier im süden wohne. und dann arbeiten in der bibliothek im shalomtower und langem telefonat mit an. solange man nicht mit menschen spricht, ist es manchmal schwer, sich bewusst zu halten, dass die zeit nun eine andere ist.
am samstag mit om. und yo. durch einen neu angelegten trail / park zwischen nord tlv und herzliya entlang des meeres gelaufen und mir die erzählungen von dem soldaten nacherzählen lassen, der in gaza in einem der verlassenen kinderzimmer waffenarsenale der hamas gefunden hat und dessen tochter mit einer der geiseln befreundet ist, einem kleinen mädchen, die im november freigelassen wurde. als wir im dunkeln auf dem rückweg sind trotzdem gedacht, dass dies der erste nachmittag seit 7.10. gewesen ist, an dem ich entspannt war. damit beginnt sich eine kurze liste zu schreiben von ereignissen, bei denen ich dachte, dass ich sie zum ersten mal wieder habe: einen fast gedankenfreien abend bei depeche mode, eine ausstellung, bei der es (mir) um kunst geht, ein sehr langer spaziergang mit freunden. weil wir dann zu langsam sind und scheinbar die tatsache, dass die straßen samstagabend blockiert sind, neu für uns ist, kommen wir zu spät zu beiden kundgebungen, die nun immer parallel stattfinden, nicht nur in der zeit, sondern auch im raum: die demonstrationen gegen die regierung sind in die kaplan zurückgekehrt und eine der rednerinnen auf der hostage-kundgebung kritisiert deren forderungen nach neuwahlen. mit dem verlaufen der zeit schwinden die optionen. und auch wenn ich sehr dafür bin, die regierung abzulehnen und für alles verantwortlich zu machen, das kein deal zustandekommt und dass die chancen schwinden, liegt vor allem (auch) an hamas. aber vielleicht ist es leichter, sich an dem festzuhalten, von dem man denkt, dass es als adressat anwesend ist.
in der berliner zeitung erscheint ein artikel, in dem sebastian köhler das storytelling mit hilfe von einzelschicksalen im journalismus kritisiert. als hauptbeispiel dienen ihm darstellungen von Schiri, Kfir und Ariel Bibas und ich komme nicht umhin, angeekelt zu sein und mich zu fragen, ob der autor weiß, was diese erzählungen für die menschen hier bedeuten, wie erinnern hier funktioniert, wie viel kraft es kostet, dass die namen von geiseln in deutschland überhaupt genannt werden und wenn das alles nicht wäre, dass man sie schon längst vergessen hätte unter dem pro-palästinensichen taumel, in dem sich so viel befinden. wie gern will man vergessen (machen), dass hamas diese ganze scheiße angefangen hat, dass sie es war, die mehr als 1200 menschen abgeschlachtet, verbrannt, vergewaltigt hat, dass sie immer noch 134 menschen in ihrer gewalt hat und einfach nicht freilassen will. da stören die namen der geiseln und opfer, ihre geschichten und bilder natürlich.
156 tage.
kein deal nirgends. auf der gestrigen demo in berlin waren noch 300 menschen, in new york nur noch 3.000. bei der oscar-verleihung entblödet sich wieder mal ein jüdischer regisseur und das beste, was einige der künstler:innen hinbekommen, sind rote pins zu tragen, für ein “ceasefire”. vor dem veranstaltungsort eine pro-palestine demo, ebenso zur eröffnung des neuen holocaust-museum in amsterdam.