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20240702, nachmittags

ich komme mit verspätung aus hamburg zurück, ich besuche eine veranstaltung von ingo elbe, ich trinke ein bier und fahre mit der u8 nach hause. neben mir steht ein paar, junge menschen, beide einen kopf kleiner als ich, alternative hipster oder so und kommen mir immer wieder zu nahe. ich bin etwas genervt, verschiebe meine kopfhörer und merke sofort, dass sie hebräisch sprechen. ich scanne meine umgebung, versuche rauszufinden, ob die beiden arabisch sprechenden männer auf der anderen seite neben mir das auch bemerkt haben oder die gruppe aus linken und queer menschen, die auf der schräggegenüberliegenden bank sitzen. eine:r steht auf und hängt sich an die haltestange neben uns. und ich denke darüber nach, wie ich reagiere, wenn jemand die beiden angreift, beleidigt, aggressiv wird, whatever. ich weiß, wie wichtig es ist, das im inneren durchgegangen zu sein, um reagieren zu können, handeln zu können. ich steigere mich innerhalb weniger minuten hinein in situationen, die noch nicht eingetreten sind, die ich mir aber in vielen facetten unkompliziert ausmalen kann. widerstehe aber zugleich wemauchimmerseidank dem drang, den beiden zu sagen, dass ich ihnen helfen würde oder irgend einen anderen pathetischen unsinn. jedenfalls hält der zug irgendwann und sie steigen einfach aus. und ich fahre noch ein paar minuten weiter, und bleibe vor einem späti hängen, um die verlängerung und das elfmeterschießen von portugal slowenien anzusehen.

zu meinem geburtstag habe ich mir einen nachrichtenfreien tag geschenkt. den ich dann damit verbracht habe, angst zu haben, dass der krieg mit dem libanon/iran losgeht und ich es zu spät merke. war so mittelentspannend aber endete trotzdem mit einem abend im holzkohlen.

nicht wissen, wie man die frage nach dem “wie es geht” beantworten soll, gegen das permanente gefühl ankämpfen, dass man menschen mit den steten verweisen auf die geiseln, antisemitismus und bedrohungen zunehmend nervt, von zusammenkünften mit freund:innen, bei denen es mit keinem wort um diese themen geht, ausgelaugt sein, weil es so wahnsinnig krass viel kraft kostet, nicht darüber zu reden. innerhalb von fünf tagen von zwei in deutschland lebenden jüdischen müttern gehört (eine ist aus israel eingewandert, die andere aus der ukraine), die seit den wochen nach dem 7.oktober angst haben, in ihren jeweiligen städten unterwegs zu sein, die ihre wohnungen kaum noch verlassen, nicht schlafen können. mehrere menschen sagten mir, dass sie überlegen, ihre forschungsfelder zu wechseln, um weniger angreifbar zu sein und noch die chancen auf finanzierungen zu haben. ihre forschungsfelder sind holocaust studies.

mir ein ticket für ein interpol konzert im oktober gekauft und mich erschrocken vor so viel zukunftsplan.

spanien hat gestern mitgeteilt, sich der klage von südafrikas gegen israel vor dem internationalen gerichtshof anzuschließen. der oberste gerichtshof in israel entschied bereits vergangene woche, dass haredi nicht vom wehrdienst ausgeschlossen sind. endlich. in der kanadischen stadt ontario wurde ein jüdischer junge auf seinem schulweg wiederholt von anderen kindern angegriffen, erhielt unter anderem todesdrohungen und wurde mit steinen beworfen. in der kanadischen stadt north york, toronto werden steine auf die synagoge “pride of israel” geworfen und fenster zerstört. Liora Argamani, die mutter von Noa, ist gestorben. ein elal-flugzeug, dass von tel aviv nach warschau fliegen wollte, musste in der türkei notlanden, wo sich die flughafenmitarbeiter:innen weigerten, es aufzutanken. an der fu Berlin gibt es ein hamas-unterstützer:innen-camp. am flughafen heathrow wird es den mitarbeiter:innen gestattet, free-palestine button und/oder kufiya zu tragen,, weil es reisenden vermittelt, sie könnten arabisch sprechen (hä?)- irgendwie stört es kaum jemanden, dass mindestens einmal pro woche ein antisemitischer aufmarsch in berlins zentrum stattfindet. immer wieder beschwören menschen, dass die linken in frankreich doch noch gewinnen mögen, dass deren vertreter:innen antisemit:innen sind, wird nicht erwähnt. die wirkliche hauptsache, dass die rechten/rechtsextremen nicht gewinnen, steht über der konkreten situation von juden:jüdinnen und dem hass, dem sie ausgesetzt sind. dies spielt immer nur dann eine rolle, wenn es sich in das eigene narrativ guten handelns und erinnerns integrieren lässt. die unfähigkeit, die frage nach anderen lösungen anzustreben, druck aufzubauen, dass sich eine linke von ihrem antisemitismus wenigstens öffentlich distanzieren muss, sind nicht einmal in der debatte. dass serge klarsfeld gesagt hat, in der stichwahl für den rechten block zu wählen, hat ihn zu feind gemacht, weil er den rahmen der indienstnahme, den linke für überlebende zugestehen, verlassen hat. es ist zum kotzen. wir waren immer in der kleinen minderheit, sagte k. nach einer dieser winzigen kundgebungen. und ja und aber nun wird das zu einer noch viel größeren bedrohung für juden:jüdinnen als es sowieso schon war.

verlag schickt layout-vorschläge und Im not amused. muss podcastfolgen durchhören und freigeben, in denen ich über die 1990er jahre spreche und stelle fest, es ist schwieriger, sich selbst über diese zeit reden zu hören, als darüber zu reden. und das ist schon kaum machbar.

20240625, nachmittags

vor ein paar tagen habe ich ein foto in den accounts von bringthemhome gesehen, auf dem kniet Rachel Goldberg-Polin vor dem bild ihres sohnes Hersh auf dem flughafen ben gurion, ihr mann steht hinter ihr. gestern abend veröffentlichte das Hostages and Missing Families Forum ein video mit sequenzen der aufnahmen von terroristen, die Hersh Goldberg-Polin, Or Levy und Eliya Cohen im moment ihrer entführung zeigen. eine minute 45 sekunden lang. in den tagen davor dachte ich, dass es mir ein bisschen besser geht. jetzt denke ich das nicht mehr. und weil ich den verdacht habe, dass dieses besser-gehen nur geht, wenn man sich nicht mit der situation beschäftigt, wenn man sich an die geiseln nicht erinnert, will ich vielleicht dann doch lieber nicht, dass es mir besser geht. gestern abend beim öffentlichen fussballschauen gemerkt, wie alle um mich herum einfach nerven. es war fast schmerzhaft. und wie ich meinem begleiter meinen zustand nicht erklären wollte. weil ich nicht einsehen konnte, dass ich es überhaupt erklären muss. weil es mich kaputt macht, dass es nicht allen so geht. es hat mich immer verstört, dass nach dem holocaust die welt nicht gebrochen war, dass sich die normalität für alle ausser die überlebenden wieder (schnell) herstellte, wie sich in den nachfolgenden jahrzehnten eine erinnerungskultur entwickelte, die vor allem auch mit dieser normalität kompatibel war, sie nicht störte oder aufbrach oder hinterfragte, die einfach orte (er-)fand und stunden in wiederkehrenden tagen festlegte, um gedenken zu machen.

schlafe jeden tag mindestens zehn stunden. bekomme wenig in eine ordnung. noch weniger gedanken in eine sinnvolle reihenfolge. denke oft an a. und darüber nach, dass ich besser weniger an ihm gezweifelt hätte. nicht in dem sinn, dass ich mich ärgere, oder die zeit zurückdrehen möchte. aber in dem, dass ich mich frage, was eigentlich mein versagen in der situation war. was es besser machen würde, wenn ich nicht daran (ver-)zweifelte, dass jemand mich mag.

gestern wurde bekannt gegeben, dass Mohammed Alatrash bereits am 7. oktober ermordet und seine leiche dann nach gaza verschleppt wurde. er ist beduine, vater von 13 kindern und hatte als fährtensucher der idf den rang eines oberfeldwebels. am samstag war naama levy 20 jahre alt geworden. am samstag auf der kundgebung gegen den pro-hamas-aufmarsch in berlin waren zum ersten mal mehr als 100 menschen. mit li. telefoniert, die sich mit wasser eingedeckt und angst hat, dass ihr sohn, wenn er auf seine reise geht, nicht mehr zurück nach israel kann. mit si. geschrieben, die schon das gästezimmer für mich vorbereitet. endlich bilder von mi.s tochter bekommen, yo. angeboten, in meiner wohnung zu bleiben, wenn er das land verlassen möchte. ed. sagt, dass sie keine nachrichten guckt. der oberste gerichtshof entscheidet einstimmig, dass haredi eingezogen werden müssen. in los angeles versammelte sich am sonntag ein pro-palästina-mob vor der Adas Thora-Synagoge und griff über mehrere stunden die gemeindemitglieder und andere besucher:innen mit pfefferspray an, schlug und trat auf sie ein, beleidigte sie und/oder jagte sie durch die straßen. einer der täter hatte seine flaggenstange mit einer als waffe benutzbaren spitze versehen. wie viele menschen verletzt wurden, blieb bisher unklar.

20240621, nachmittags

bis dienstag nacht immer mal wieder gedacht, dass es mir besser geht und dass es vielleicht einfach doch hilft, etwas zu tun, sich zu engagieren. dann davon gelesen, dass in einem vorort von paris, courbevoie, ein 12jähriges mädchen vergewaltigt wurde; drei täter, jungs zwischen 12 und 14 Jahren, von denen einer ihr vormaliger freund war, die ihre tat filmten und das mädchen antisemitisch beleidigten und mit dem tod bedrohten. sie begründeten ihr handeln damit, dass das mädchen ihrem freund verschwiegen hatte, dass sie jüdin sei. anschließend sitze ich 1,5 stunden am rand meines bettes und kann nicht aufstehen, mich nicht bewegen, nicht wieder hinlegen. mein körper ist erstarrt, schwer und wie gelähmt, ich schaffe es nicht, tief einzuatmen. irgendwann fange ich an, bilder von 2019 auf meinem telefon anzusehen, tel aviv und von den anfängen meiner beziehung mit a. irritierenderweise hilft es mir irgendwann, wieder luft zu holen und dann aufzustehen.

Arbel Yehoud wird heute 29 jahre alt. ein spiel der israelischen nationalmannschaft gegen die belgische nationalmannschaft, das am 6. september in brüssel stattfinden soll, wird von den behörden nicht für die sicherheit der israelis garantiert werden kann. vor der FU gibt es wieder ein pro-palestine camp.

ich treffe mich mit kind II und beginne, an grenzen zu geraten. beginne an dieser mischung aus dem unwillen, sich mit der realiät und geschichte anhand von fakten zu beschäftigen bei gleichzeitiger permanenter konfrontation mit antisemitischen erzählungen in den sozialen medien, und dabei ihren freund:innen, das heißt menschen, den sie vertraut, zu verzweifeln.

20240614, nachmittags. es regnet

lasse mir jetzt nicht mehr allein von i24news die welt erklären sondern zunehmend von dem podcast call me back. vor einigen tagen ging es um die befreiung der 4 geiseln vergangenen samstag und am anfang beschrieb ein journalist u.a. von times of israel, was dies inner halb der israelischen gesellschaft bedeutet und wie es aufgenommen wurde und ich entdecke mich so sehr darin wieder, dass das gefühl von zugehörigkeit mir kurz die luft nimmt. vor einem jahr oder so hätte mich eine solche (über-) identifikation in tiefste selbstzweifel gestürzt, in dem moment bin ich nur dankbar, nicht so allein zu sein wie ich mich fühle.

gestern in mitte gewesen (irritierenderweise das dritte mal innerhalb einer woche. allein, es wird nicht schöner) und stundenlang geredet. überlegt, ob ich manchmal zu großzügig mit meinen gedanken bin und zu schnell bereit, sie auch mit fremden zu trennen. oder ob dies, wie jetzt, nicht vielleicht eine voraussetzung für neue nähen ist. In zeiten, in denen wir uns viel trennen und immer auch einen tick zu allein sind. aber auch mal wieder überlegt, dass ich das nicht kann, „professionell“ sein. ich kann nur entweder nicht oder stundenlang in einem hipster-dumplingladen sitzen und aspekte der gegenwart erörtern, inklusive und im besonderen mit meinen persönlichen befindlichkeiten, aufregungen und geschichten dabei. dann ins pro qm gegangen. In dem ich das letzte mal mit carolyn war an dem letzten tag, den wir je zusammen verbracht haben für den rest meines lebens und an dem ich im qm ein buch über babyn yar gekauft hatte weil ich dort mit david war, eine der letzten stationen unserer letzten reise und mich die sehnsucht beim anblick des buches so überfallen hat, dass ich in einer ecke des qm saß und weinen und dann eben dieses buch kaufen musste. anschließend noch eine veranstaltung für die kampagne “schlossaneignung” besucht. mich erinnert, wie unwohl ich mich in diesen architekten-kontexten fühle. gedacht, dass die rekonstruktionsdebatten in ihrer beführwortern nochmal eine ganz eigene art von bescheuerten akteuren zum sprechen bringen. festgestellt, dass jürgen zimmerer dagegen wirklich sehr gute sachen zum schloss/humboldtforum sagt und mich in seiner radikalität sehr zu hause gefühlt.

hizbollah schickt seit mittwoch mehr und mehr raketen und drohnen. nun vereinzelt auch weiter ins innere des landes. hamas sagt “nein” zum deal bzw. haben sie das angebot in einer weise “überarbeitet”, dass es nun eine ansammlung von verstörenden forderungen ist. hamas sagt auch, man wisse nicht, wie viele der geiseln noch leben, dass sie erschossen werden, sollte es weitere befreiungsversuche geben und dass all die opfer auf palästinensicher seite ein “‘necessary sacrifice’” sind. einer umfrage des Palestinian Center for Policy and Survey Research (PCPSR) steigen die zustimmung für hamas sowohl in der westbank als auch in gaza. ed. schreibt, dass alles zum weinen ist. und weil sie so etwas noch nie geschrieben oder gesagt hat, muss ich wirklich kurz weinen. in new york wird das privathaus von Anne Pasternak, direktorin des brooklyn museums, mit roter farbe antisemitisch beschmiert. in einem im eingangsbereich aufgespannten transparent wird sie als “white-supremacist Zionist” bezeichnet. auch an den wohnhäusern von anderen mitgliedern des museums-boards wurden randaliert. das museum selbst war vor einigen wochen das ziel von sogenannten pro-palestine-aktivist:innen, die dabei unter anderem die lobby kurzzeitig besetzten. in den niederlanden hat die royal academy of art in den haag als erste hochschule in europa bereits am 10. mai erklärt, das austauschprogramm mit ihre israelischen partneruniversität Bezalel Academy of Arts and Design in Jerusalem zu beenden. die design academy eindhoven beendete ihre austauschprogramme mit israelischen einrichtungen vor kurzem ebenfalls. in beiden fällen ist bisher nicht öffentlich gesagt worden, was dies konkret für israelische studierende bedeutet. am mittwoch ist Ariel Cunio 27 jahre alt geworden. zwei tage vorher hatte Emily Damari ihren 28. geburtstag. 252 tage.

weiss immer noch nicht, ob ich mich auf diese stelle bewerben soll. aber weiß überhaupt sowieso nichts so richtig, was ich mit mir anfangen soll. jetzt und demnächst. a. sagte, ich habe noch nie nicht an einem buch gearbeitet (seit er mich kennt) und ich denke im angesicht meiner ratlosigkeit und der mit ihr eingetretenen leere unregelmäßig regelmäßig einfach nur panisch “fuckfuckfuck”.

20240610, abends

immer wieder, besonders samstags aber auch an jedem 7. eines monats, versuche ich im kopf das wochenende 7./8. oktober zu rekonstruieren oder wenigstens meine erinnerungen in die richtige reihenfolge zu sortieren. funktioniert so mittel, sage ich mal. irgendwie fallen mir nicht mehr so viele momente ein, neben schock und angst und sorgen und panik und hilflosigkeit keine anderen gefühle. ich erinnere mich an den moment des aufwachens und was es mit mir machte, als ich den vielen alarm sah, ich erinnere mich daran, wie ich i24news “entdeckte” (ich wusste, dass es sie gab, habe sie aber nicht benutzt) ich erinnere mich, dass an. vorbeikam. aber ich erinnere mich zum beispiel nicht, was ich abends gemacht habe. reflexhaft würde ich sagen: wir sind trinken gegangen. aber ich kann mich nicht einen moment erinnern, dass haus, meine wohnung, mein bett oder die nachrichtensendungen verlassen zu haben. ich erinnere mich an das chaos, daran, dass es keine gesicherten informationen gab, keinen überblick, keine vorstellungen von dem ausmaß. es war ein unfassbares chaos, nicht nur vor ort sondern auch im kopf, in meinen vorstellungen. ich erinnere mich an das gefühl, dass mir die luft abgeschnürrt erschien und ich mich immer wieder zwingen musste, tief einzuatmen. ich habe immer wieder versucht, mit allen zu sprechen. aber das war irgendwie auch absurd. und kam mir irgendwann bescheuert vor. sie waren vor ort und hatten ernsthafte sorgen, ich habe aus der sicherheit meiner wohnung nachrichten verfolgt. jedenfalls war Noa Argamani die erste geisel, die ich bewusst als geisel wahrgenommen habe, weil das video, das zeigt, wie sie umringt von palästinensern auf einem moped (?) entführt wird, bei i24news veröffentlicht wurde, während die moderatorin mit einem freund von ihr am telefon sprach und ihn dann fragte, ob es okay wäre, ihren namen zu sagen. am samstag vormittag ist sie gemeinsam mit Shlomi Ziv, Almog Meir Jan und Andrey Kozlov durch die IDF befreit worden; aus privatwohnungen, die sich in dem UNRWA-“flüchtingslager” nuseirat befanden. für Noa Argamani war es die vierte unterkunft, in die sie verschleppt wurde. Shlomi Ziv, Almog Meir Jan und Andrey Kozlov wurden zuletzt von abdallah aljamal und seiner familie gefangen gehalten, einem hamas-terroristen, der als journalist arbeitete. Arnon Zmora, der als offizier der eliteeinheit Yamam bei der befreiung dabei war, wurde verletzt und starb einige stunden später. das herz des vaters von Almog Meir Jan war einige stunden vor seiner befreiung stehen geblieben; seine familie sagte, infolge der belastungen und verzweiflung der vergangenen acht monate.

ich war gerade in einem dieser arabischen telefon-verkaufs-und reparatur-shops auf der karl-marx-straße, weil ich einen tag vorher mein iphone gecrasht hatte und ein neues display brauchte, das mich nicht so ruinierte, wie apple es offenbar plante. bevor ich es abgab, hatte ich mein bildschirm – “bring them home” – bild, entfernt. gibt nicht so viele möglichkeiten, zu beschreiben, wie es sich anfühlte, als ich anschließend auf der straße stand und all diese nachrichten bekam. natürlich wieder öffentlich geheult. stranger moment, in dem plötzlich wirklich alles einmal leicht war, gut war, möglich war. es hielt bis weit in die nacht an, die ich mit a. in einer dunklen bar trinkend verbrachte. ich notiere das hier lieber mal.

es ist auch schwer zu beschreiben, war das alles noch bedeutet, übergeordnet. es zeigt, dass es möglichkeiten gibt, geiseln zu befreien. es zeigt, dass die hoffnungen, dass viele noch leben, nicht unberechtigt sind. es zeigt, dass es möglichkeiten gibt, die menschen auch außerhalb von deals und verhandlungen zu retten. tagelang habe ich nichts mehr von einer möglichen vereinbarung gehört, nun hieß es gerade ohne weitere erläuterung, hamas habe nicht zugestimmt. sicher ist aber, dass Shlomi Ziv, Almog Meir Jan und Andrey Kozlov in einer ersten und vermutlich auch in keiner zweiten runde von freilassungen nicht dabei gewesen wären; als männer zwischen 22 und 41.

in berlin immer mehr demos. aktuell scheint es attraktiv zu sein, im wedding zu beginnen und dann quer durch prenzlauer berg und mitte zu laufen. immer noch tausende teilnehmer:innen. immer wieder ausschreitungen am hermannplatz und in der sonnenallee. gegenkundgebungen oder überhaupt pro-israelische demos, hier für die geiseln, haben zwischen 15 und 100 teilnehmende, in ausnahmen mal 300 vielleicht. alles ist voll mit zeichen und codes; an den wänden, an den kleidungen, als kufiyas, aufkleber, aufnäher, schriftzüge, tshirts. als ich heute vor einer weile nach hause kaum, saß im fenster des nachbarhauses eine sehr junge frau mit melonen als ohrringe. auf der karl-marx-straße und ganz sicher nicht nur da, werden große und kleine flaggen verkauft. es ist normalität geworden, nicht nur fassaden zu scannen, sondern bspw. auch die klowände in bars.

im norden von israel immer mehr alarm und angriffe, immer wieder opfer und zuletzt tagelange brände, ausgelöst von beschuss der hizbollah. benny gantz hat heute das kriegskabinet verlassen.

eine bewerbung nicht abgeschickt, weil ich den text für ein forschungsprojekt nicht fertig bekommen habe, den ich nicht fertig bekommen habe, weil ich generell zu müde bin, aber vor allem auch, weil mir die motivation fehlte, mich um eine stelle an einem ort zu bemühen, an dem “themen mit jüdischen bezug” und menschen wie ich mutmaßlich weniger gern gesehen sind. heute morgen einen hinweis bekommen, mich doch auf eine stelle zu bewerben, an einem anderen ort, auf die ich mich vor zwei jahren schon mal beworben hatte. die vorzeichen haben sich geändert, offensichtlich, aber das heißt nicht, ich würde mich sicherheit die notwendigkeit anerkennen, eine solche stelle anzunehmen.

der platz der geiseln gegenüber der humboldt uni ist wieder abgebaut. ich hatte gehofft, es findet sich ein anderer ort, an dem er weiter existieren kann. das restaurant bleibergs in berlin-wilmersdorf gibt bekannt, dass es schließen muss: nach dem 7.oktober kamen immer weniger gäste und stattdessen immer mehr antisemitische nachrichten.

über die tage, zuviele. (am 3.6.2024, zwischen 14 und 22 uhr)

nach zu viel alkohohl und in sehr später nacht sage ich, dass ich angst habe, mich nicht nochmal zu verlieben. und mein gegenüber antwortet, dass dies vielleicht ja auch besser sei. so reaktionen von menschen in halbwegs guten und liebevollen beziehungen sind mir die liebsten und ich frage mich, warum mir diese möglichkeit so schnell und leichthin, dabei rundheraus abgesprochen wird und warum es dabei nicht mal den kleinsten raum für mich gibt, die gedanken (und ängste) dazu zu entfalten. wie hart mich das trifft merke ich am nächsten tag, an dem ich nicht nur deshalb, aber auch deshalb, das bett nicht verlassen kann und irgendwann ernsthaft energie dafür aufwende, sicheres selbsttöten zu googlen.

ich koste mich viel energie gerade. vielleicht ein vorteil, dass ich viel zeit zum schlafen habe.

wir gehen auf kundgebungen und auf veranstaltungen, wir reden und wir trinken, wir denken über bündnisse nach. manchmal zeigt sich, dass auch wir unterschiedliche dinge wollen. weil auch wir von unterschiedlichen orten kommen. ich merke wieder, wer ich mal war und dass ich es, oder etwas ähnliches, wieder sein könnte. und ich weiß nicht, ob ich das will. ich stelle fest, dass mein früheres netz erstaunlich stabil ist und das ich zurückgehen kann als wäre nie etwas nicht gewesen.

jemand beschwert sich in einer nachricht, dass ich mich nicht zurückmelde und fragt ob ich “entführt worden” bin. und ich kann nicht fassen, dass jemand das für witzig hält. übrhaupt denke ich wieder viel über realitäten nach, nachdem ich vor einigen tagen in einem podcast rachel goldberg-polin über jüdischsein und die verpflichtung, die geiseln um jeden preis zurückzuholen, sprechen hörte und in tränen ausgebrochen bin. und das nicht auf die süße art, sondern auf die brutale, bei der der körper so crasht.

auf das hausprojekt in der scharnweberstraße 38 wurden zwei anschläge verübt. an seiner fassade steht seit vielen jahren “gegen jeden antisemitismus”. auf dem klo im nathanja lese ich in großbuchstaben “free palastine”. als ich höre, dass der besitzer der lieblingsbar ein problem mit all dem antisemitischen sosein in neukölln hat weine ich vor erleichterung. in montreal und in toronto werden schüsse auf jüdische schulen abgefeuert, in bucharest fliegt ein molotovcocktail auf die israelische botschaft. in paris marschieren an einem tag mehr als 10.000 menschen gegen israel, in nyc steht eine frau neben der “israel day parade” und zeigt auf ihren telefon den satz “they are not coming home”. angeführt wurde diese demonstration von familienangehörigen der geiseln. in berlin gibt es mehrfach pro-palästinensische demonstration mit mehreren tausend menschen. immer wieder kommt es zu ausschreitungen am hermannplatz und in der sonnenallee. am samstag ging eine solche demo an der synagoge brunnenstraße vorbei. auf der gegenkundgebung waren 15 menschen. ein paar mehr aber auch nicht so richtig viele kamen am sonntag um für die freilassung der geiseln zu protestieren. es gab immer wieder anfeinungen auf der kleinen runde zwischen bebelplatz und neptunbrunnen. die regierung der malediven ändert ihre gesetze, um zukünftig israelischen staatsbürger:innen die einreise verbieten zu können. bereits ab dezember hatte es für sie eine reisewarnung des israelischen außenministeriums gegeben.

heute morgen wurde bekannt gegeben, dass Dolev Yehud bereits am 7. oktober im Kibbuz Nir Oz ermordet wurde, forensiker:innen konnten seine DNA aus verbrannten überresten identifizieren. bis jetzt war man davon ausgegangen, dass palästinenser ihn nach gaza entführt hatten und damit natürlich auch davon, dass er noch lebt. er hinterlässt eine frau und vier kinder, das jüngste war einige tage nach dem 7.oktober geboren worden. Dolevs schwester Arbel wird nachwievor von hamas-angehörigen gefangengehalten. ich sehe das bild eines lächelnden jungen mannes, der auf diese selbstverständliche art schön ist. und ich will ihn gern umarmen und sagen, dass alles okay ist. ich will nie jemanden umarmen und schon gar nie will ich sagen, dass alles okay ist. aber hier und jetzt will ich es. irgendetwas macht dieses verdammte bild und diese verdammte geschichte mit mir.

und weil ich ewig brauche, einen eintrag wie diesenn fertig zu bekommen, sind mit dem verlauf der zeit vier weitere geiseln für tot erklärt worden: Chaim Peri, 79, Amiram Cooper, 84, Yoram Metzger, 80, und Nadav Popplewell, 51. sie sollen bereits vor mehreren monaten gestorben sein, in oder bei khan younis, die umstände sind noch unklar, aber vermutlich waren sie zusammen. die drei älteren wären unter denen gewesen, die in einer ersten phase eines möglichen deals, dessen bedingungen gerade verhandelt werden, freigelassen worden.

der schmerz hört nicht auf. jeden tag hat er eine neue variante.

241 tage.

20240526, nachmittags

vor einigen tagen wurde bekannt gegeben, dass IDF und shin bet drei weitere leichen gefunden und nach israel gebracht haben: Michel Nisenbaum, 59, aus Sderot, den palästinenser gefangen nahmen und ermordeten, als er auf dem weg war, seine 4jährige enkeltochter zu holen, die sich am morgen des 7. oktobers nahe re’im befand; Oryon Hernández-Radoux, 30, der mit seiner freundin Shani Louk auf dem nova music festival war und Chanan Yablonka, 42, der ebenfalls dort war. beide sollen ebenfalls bereits am 7. oktober ermordet worden sein. ich habe vor einigen wochen mal geschrieben, weil wiederholt festgestellt, dass man, also ich, immer noch menschen unter den geiseln finden, von denen ich glaube, sie in dem moment zum ersten mal zu sehen. obwohl mich die bilder und die geiseln und die geschichten seit monaten begleiten. bei Chanan Yablonka ist es das gegenteil: er gehört zu denjenigen, dessen bild sich durch meine gegenwart zieht, weil er a. so krass ähnlich sieht und weil ich mich erinnere, wie ich sein bild zum ersten mal gesehen habe, und was für ein schreck das war und wie ich dann manchmal darauf geachtet habe, dass es sein bild ist, dass ich bei demonstrationen trage. nachmittags sind wir zu einer gedenkveranstaltung auf dem platz für die geiseln gegangen und ein freund von Oryon Hernández-Radoux sprach, über ihn und wie sie sich kennenlernten.

vor ein paar tagen an di. geschrieben, dass ich “nie wieder nicht traurig” sein werde. und sie hat einfach zugestimmt. es hat mich überrascht, weil sie immer versucht, so positive dinge zu sagen und weil ich ein bisschen angst hatte, dass sie versucht, das bei dem satz auch zu machen. ich habe den satz gestern nacht am telefon zu ma. gesagt und auch die stimmte einfach zu. die feststellung wird so immer weniger ungeheuerlich und groß. ich, wir, werde/n einfach “nie wieder nicht traurig” sein.

die fusion-menschen veröffentlichten ein neues pamphlet, in dem sie jetzt israel das existenzrecht absprechen. es dürfte das erste mal sein, dass eine deutsche, sich links/alternativ positionierende gruppierung das derart offen sagt. versucht, gegenstimmen, protest, widerspruch zu finden, bisher vergebens. mi. sagt, wer soll das/den auch machen. abschied von den letzten selbstgewissenheiten meiner vergangenheit. dabei stelle ich dann doch fest, dass noch welche vorhanden waren. das ist alles auch etwas, dass vor allem erst einmal ekel hervorruft. jmd. weint am telefon, nachdem sie den text gelesen hast und ich kann das schon gar nicht mehr. weinen deshalb. nur kotzen ginge noch. offensichtlich.

höre einen podcast zu rammstein und lindemann und dabei die stimmen der frauen, die über ihren missbrauch sprechen. die band ist gerade auf ausverkaufter europa-tournee, u.a. allein vier konzerte in dresden mitte mai.

Maxim Herkin wurde gestern 36 jahre alt.

veröffentlicht wurde ein video von zwei palästinensischen männern, die darüber sprechen, frauen am 7. oktober vergewaltigt zu haben. der internationale gerichtshof ordnete am freitag an, dass israel seine militäroffensive in rafah sofort beenden muss. vor ein paar minuten zeigt mein telefon zum ersten mal seit vier monaten alarm in tel aviv an. die raketen kamen aus rafah.

20240522, abends

gestern gedacht, dass nun eine gute zeit zum sterben wäre; ich bringe viele dinge zu ende, langsam zwar, aber zu ende und habe keine neuen. ein bisschen angst vor der leere ohne arbeit. besser ohne plan. kann mich nicht erinnern, ob und wann das (überhaupt) mal so war. von geld und so zu schweigen. versuche manchmal, alternativen zu entwickeln, nicht nur aus angst, sondern auch, weil ich mich nicht mehr ständig in frage gestellt wissen will. frage mich überhaupt, wie jemand, die so verunsichert ist von anderen, sich all diesen beurteilungen aussetzt. weiß nicht, wie andere ihre orte finden. überzeugt bin ich, dass irgendwas mit glück mal sein müsste. distanz und unzugehörigkeit als etwas gutes zu sehen, wäre aber auch wieder hilfreich. jedenfalls sind die einzigen alternativen, die ich denken kann, putzen, call-centern, aldi. wenn ich nicht so müde wäre, sollte ich mich vielleicht nochmal ernsthafter mit diesem herkunfts-ding und seinen folgen beschäftigen.

abends ist ein film in den israelischen medien veröffentlicht worden, der zeigt, wie Liri Albag, Karina Ariev, Agam Berger, Daniella Gilboa, and Naama Levy von der nahal oz base entführt wurden. alle fünf sind bis heute in der gewalt von hamas (oder anderer palästinenser). so junge frauen, verängstigt, verletzt, umringt, herumgezerrt, gestoßen, von so vielen und so lauten männern. einer von ihnen spricht offen von vergewaltigung. sie werden gefesselt, müssen auf dem boden sitzen. es sieht aus, als hätten sie teilweise nur schlafanzüge an. sie sind blutverschmiert, offensichtlich misshandelt. gezeigt werden 3 min 10. geschnittene sequenzen, auch, damit die leichen der ermordeten nicht gezeigt werden. die familien haben der veröffentlichung zugestimmt und sie veranlasst, auch und vor allem, um den druck auf die israelische regierung zu erhöhen. ich wünschte mir, jemand würde mal den druck auf hamas erhöhen. stattdessen kündigen norwegen, spanien und irland für die nächsten tage die anerkennung von palästina als staat an.

229 tage

Omer Wenkert ist heute 23 geworden, gestern hatte David Cunio seinen 35. geburtstag.

irgendein institut an der hu ist besetzt, vorgestern wurde das bajzel mit roten dreiecken markiert, das doda ist schon eine weile geschlossen. der international criminal court prüft haftbefehle gegen netanyahu und gallant. ed. schreibt, wir wollen das er verschwindet und müssen ihn jetzt verteidigen. am sonntag ist der helikopter mit dem iranischen präsidenten ebrahim raissi abgestürzt.

hätte gern eine pause. nur einen tag. und dabei selbstverständlich. und nicht weil ich denke: jetzt mache ich aber mal eine pause.

20240518, früher abend

gestern wurde bekannt gegeben, dass die idf die leichen von Itzhak Gelerenter (58), Amit Buskila (28) und Shani Louk (22) in einem tunnel in rafah gefunden hat. gerade wurde veröffentlicht, dass man auch die leiche von Ron Benjamin (53) gefunden hat. mein körper ist taub, mein denken ist taub. jö. und ich gehen nachmittags zu einer gedenkveranstaltung am ‘platz der geiseln’ und plötzlich ist es mir ziemlich egal, was ich über den ort und die inszenierung denke, was ich als umgang mit erinnerungszeichen anzweifele. ich bin froh, an einem ort zu sein, der mir irritierend vertraut ist. ein ganz ganz kleiner, klar umgrenzter raum inmitten von tourist:innenbewegungen. ein ort in einem raum, den wir normalerweise nicht besuchen. es gab so phasen in den letzten monaten, in denen bestimmte themen besonders relevant waren. wenn es um neue deals ging, natürlich, aber auch sonst, zum beispiel im januar (?), als es immer wieder um den zustand der geiseln ging und um ihre medizinische versorgung. mir fällt auf, dass wir nie wieder etwas davon gehört haben. vermutlich sind die von isreal gelieferten medikamente nie angekommen. offensichtlich hat das in der öffentlichen debatte niemanden interessiert. und ich frage mich, ob wir jetzt in einer phase sind, in der wir immer und immer wieder erfahren, dass tote gefunden wurden. während man bei Shani Louk seit monaten wusste, dass sie den 7. oktober nicht überlebt haben kann, ging man bei Itzhak Gelerenter und Amit Buskila bis vor sehr kurzem davon aus, dass sie noch lebten. ich denke an di.’s rede über die grausamkeit von hamas vor einigen tagen. unter einem der texte für Itzhak Gelernter lese ich einen kommentar, in dem die person beschreibt, wie sie bei einer demonstration ein schild mit seinem bild gehalten hat und wie sehr sie seitdem mit ihm verbunden ist. um menschen zu trauen, die ich nicht kenne. um menschen zu weinen, denen ich nie begegnet bin. auf die kleinsten chancen hoffen, für menschen, die persönlich nichts mit mir zu tun haben. ich habe mir noch nie negatives denken verboten, wider allen wahrscheinlichkeiten, sollen sie noch eine chance haben, zurückzukommen. es ist irgendwie seit einigen tagen noch dunkler geworden.

mittags mit si. telefoniert, die im norden ausharrt und bleiben will und immer wieder sind wir unterbrochen von alarm.

20240517, mittags

es ist als würde man/ich die ganze zeit auf etwas warten. dabei passiert die ganze zeit etwas, kein ereignis ist mehr ein einzelnes, alles nur teil eine sich anstauenden abfolge und die einschläge folgen immer schneller aufeinander. vielleicht warten darauf, dass es noch schlimmer wird. jeden abend scrolle ich durch instagram und mache stories aus nachrichten zu den geiseln, jeden morgen starre ich auf die zahl der alarme. heute waren es 39 und auch in naharija. überhaupt sind es immer mehr derzeit. auch viele tote soldaten. ich versuche aus nachrichten situationen zu basteln und entwicklungen zu verstehen. weil ich dies nur selten abgleichen kann, erscheint die situation noch fragiler. als würde man/ich die ganze zeit warten, dass es/etwas bricht.

in rouen versuchte ein mann eine synagoge anzuzünden, in paris wurden am jahrestag der deportation von das denkmal zur erinnerung an 3.900 französischen gerechten unter den völkern und weitere mahnmale in der nachbarschaft beschmiert, in berlin das mahnmal für die deportationen von juden:jüdinnen am standort der vormaligen synagoge levetzowstraße, in stockholm wurden nahe der israelischen botschaft schüsse abgefeuert, an einer bushaltestelle am potsdamer platz wurde ein mann angegriffen, weil er eine israelfahne um die hand gebunden hatte, im bioladen um die ecke trägt die verkäuferin ein palituch, ein israelisches restaurant sieht sich gezwungen, aus dem friedrichshain wegzuziehen, weil die antisemitischen angriffe zu krass wurden, auf dem festival in cannes wird kein israelischer film gezeigt, in hamburg besetzen irgendwelche pro-palestine-idioten die tote flora für minuten aber öffentlichkeitswirksam. in paris hatten sich die täter:innen für ihre antisemitische drecksaktion den jahrestag einer deportation von 3.700 juden:jüdinnen ausgesucht, aus paris zunächst in lager im département loiret, dann nach auschwitz-birkenau. dummheit und antisemitismus bei gleichzeitigem gefühl für das besonders perfide.

in israel wird bekannt gegeben, dass zwei der geiseln, Sonthaya Oakkharasr und Sudthisak Rinthalak aus thailand, am 7. oktober ermordet und ihre leichen von hamas nach gaza verschleppt wurden. beide hatten im kibbutz be`eri gearbeitet. gestern wurde Carmel Gat 40 jahre alt. das ist alles, was es noch zu geben scheint: das zählen der tage, meldungen zu toten, erinnerungen an geburtstage, die immer gleichen bilder, die immer gleichen forderungen. und nichts scheint sich zu tun.

seit gestern erkältet. schlimme nächte. tage etwas besser, aber müde. am dienstag war untersuchung. das aneurysma ist nicht gewachsen und auch sonst zeigte sich keine veränderung, aber ich habe in der folge ein neues bewusstsein für das verrotten meines inneren und kriege es nicht abgeschaltet.

seit gestern gibt es einen platz für die geiseln in berlin. für einen monat, auf dem bebelplatz. weiße (why???) stühle für die geiseln, ein tunnel, eine abgelaufene sanduhr. eingezäunt. verlagerung der erinnerung in einen anderen raum, mitnahme der (fast) gleichen symboliken. der tunnel, problematisch in seiner implikation der möglichkeit von nacherleben schon in tel aviv, verkommt hier vollens zum kitsch. auch beschissen, das wenige, das es hier in berlin überhaupt gibt als erinnerungszeichen, noch kritisieren zu müssen.