20250605, später abend

schon wieder will ich seit tagen schreiben, sammle gedanken und links und hinweise auf ereignetes. aber seit tagen gibt es auch wieder einmal eine bleierne müdigkeit und sowieso den versuch, ordnung zu halten in der zeit und das heißt vieles, im besonderen den versuch, meine arbeit als eine struktur zu nehmen, wieder zu nehmen eher und mehr als in den letzten 19 monaten. aber es ist schwer, anderes schwer, weil es gar nicht so gut funktioniert, etwas zu machen, was ich in der form zwar richtig und wichtig und das allerbeste für mich finde, aber im inhalt mich noch nicht überzeugt bin. ich denke dann immer, der ausweg und plan soll sein, das wirklich als job zu sehen, als meine arbeit zu bestimmten zeiten und nicht mehr als eine obsession oder als etwas, dessen fragen ich unbedingt lösen und klären muss. ich habe angst, dass ich darin gar nicht mal so gut sein könnte. und ein bisschen vielleicht auch, dass ich mich langweilen werde. und dann ist da das zwanghaft bewusste wissen, dass ich einen (für mich) besseren job nicht finden kann und jetzt gefälligst sofort mal glücklich zu sein habe. regeln also, grenzen, arbeits- und freizeit. und dann frage ich mich leider doch zu oft, was dieses beharren auf freie zeit denn soll, wenn ich die dann vor allem zum serien gucken nutzte und nicht zum bloggen vielleicht. ich sollte endlich dahin kommen, jeden tag ein bisschen zu schreiben und habe ich doch zu j. letztens gesagt, dass es mir gut täte. aber damit kann ich doch nicht gemeint haben, dass ich tagelang daran denke, mich schäme und/oder ärgere, dass ich es nicht hinkriege und dann doch alles auf einmal.

naja.

in meiner freien zeit auf einen flohmarkt gegangen, hier nicht weit weg, auf dem kranoldplatz und es war die art flohmarkt, die ich mag mit vielen vielen klamotten und ein bisschen kaffee und gutes essen an ständen aber dann war alles voll mit hipstern und palitüchern und ich war wie gelähmt vor ekel und ein bisschen auch vor entsetzen ob dieser normalität. ein paar tage später dann in der kunstbibliothek eine junge frau mit eindeutigen aufklebern auf ihrem rechner und als ich gestern nacht k. davon erzählen wollte, wusste er schon bei der nennung des ortes was gleich kommen wird. irritierender moment von verbundenheit nach so vielen momenten von nicht-verbundenheit. als ich vor ein paar tagen zum beispiel die s-bahn verlasse und sehe, dass es gerade wieder alarm in tel aviv gibt und m. schreibe, die sofort antwortet und ich ihre müdigkeit und verletztlichkeit durch die entfernung sofort merke, während um mich herum alle in anderen realitäten sind. jmd. schrieb mir gestern in einer längeren nachricht, wie es sich anfühlt, nach mehr als einem halben jahr wieder in der eigenen wohnung in israel zurück zu sein, wie erschrocken sie ist, weil alle um sie noch so viel gebrochener, müder, verzweifelter, ratloser, verlorener sind und wie sie nichts findet, woran sie sich festhalten kann. ich habe einen flug gebucht, aber der ist erst im september und deshalb gilt es irgendwie noch nicht. und wenn ich ihre und einige andere nachrichten und dinge so lese, dann habe ich ein bisschen angst, was es ist, wohin ich zurückgehen werde. es ist zu lang. zu viel zeit. aber nach wie vor gibt es kaum airlines die fliegen und ich kann mich nicht dazu bringen, so krass viel geld zu bezahlen. was irgendwie auch komisch ist. weil was solls. vielleicht habe ich aber auch auch bisschen angst, was es mit mir macht, wenn ich nur eine woche da bin und vor der intensität und den vielen emotionen des ankommens und des gehens. m. fliegt in zwei wochen für ein paar tage aus arbeitsgründen und ich wusste nicht dass neid etwas ist, dass körperliche schmerzen in meinem inneren macht.

a. foto bebildert einen artikel im spiegel, in dem es um den film ging, in dem er spielt und so etwas ist eine sehr merkwürdige sache und aber auch schön und ziemlich lustig. auch wenn ich niemanden gefunden habe, der:die auch darüber lacht. das jahrbuch ist fertig, aber noch nicht als gedruckte version dar. ich habe zwei seiten text vom kleinen buch, die ich vor kurzem (innerlich) als das ende der schreibblockade gefeiert habe, ersatzlos gestrichen und durch zwei neue, nun leicht geschriebene ersetzt und wie bei allen anderen büchern und texten auch muss man sich eben in der geduld üben, die die gedanken ordnet, die immer als einzelne sätze aufzuschreiben sind, nicht als das gewirr. wie immer kann ich nur hoffen, dass die erfahrung mal lernt, das empfinden zu bestimmen.

schon ende mai ist die synagoge in graz angegriffen worden; jemand schmieß einen gegenstand auf das gebäude und beschädigte den eingang. am gleichen wochenende, aber am samstag, zog in bern ein gewaltbereiter mob aus 2.000 personen vom bahnhofsvorplatz in richtung der synagoge; die polizei konnte sie erst rund 20 meter vor dem komplex aufhalten und nur unter einsatz von wasserwerfern und tränengas. ein paar tage später bringt ein streetartist namens laika in rom ein großes murial an einer hauswand an, das netanyahu und hitler küssend zeigt; er:sie nennt es ‘the Final Solution’. und noch ein paar tage später werden in paris zwei synagogen und das holocaust-mahnmal großflächig mit grüner farbe beschmiert. der stadtrat von barcelona beschloss, die institutionellen beziehungen zu israel abzubrechen und ein 1998 geschlossenen freundschaftsabkommen mit Tel Aviv-Yafo auszusetzen. das kanadische tanzstudio 303 streicht seine gaga-style-kurse; eine tanzmethode, die von dem israelischen choreografen ohad naharin entwickelt wurde. das studie schließt sich damit 15 weiteren tanzgruppen aus den usa und kanada an, die einem bds-aufruf zum boykott folgen. in frankfurt bestetzen ende mai rund 20 sogenannte pro-palästina-demonstrant:innen den eingang der frankfurter allgemeinen zeitung, um von ihr ein propalästinensisches statement zu fordern. dort entschloss man sich aber lieber, die polizei zu rufen. in boulder/colorado greift ein mann mit einem selbstgebauten flammernwerfer und molotow-cocktails eine kleine demonstration an, die an die geiseln der hamas erinnert. er verletzt sechs menschen zum teil schwer, unter ihnen eine holocaustüberlebende. in einem podcast spricht einer der gäste darüber, dass die demonstrierenden sich jede woche treffen, eine kleine gruppe etwas älterer menschen und wie sehr sich diese proteste von den großen demonstrationen in new york oder washington unterscheiden, wie isoliert sie sind und wie stetig und konsequent gleichzeitig in ihrem erscheinen. das stadtratsmitglied taishya adams verweigert kurz darauf ihre unterschrift unter einem gemeinsamen brief der abgeordneten, weil darin von antisemitismus die rede ist, während es dem täter doch darum gegangen sei, den zionismus zu beenden. lufthansa hat angekündigt, bis 22. juni den flugverkehr nicht wieder aufzunehmen, ryanair bis ende juli. greta thunberg und der schauspieler liam cunningham haben sich mit anderen in einem boot der freedom flotila auf den weg gemacht, durch die israelische blockade von gaza zu brechen. heute nacht gelang es der idf, die sterblichen überreste von Judy Weinstein und Gad Haggai zurück nach israel zu bringen. auch heute ist Yonatan Samerano 23 jahre alt geworden. sein zweiter geburtstag in der gewalt der hamas. vor ein paar tagen sind die zwillinge von David Cunio – Emma und Yuli – vier jahre alt geworden; ihr zweiter geburtstag ohne ihren vater. schon am 21. mai starb Tamar Kutz, deren sohn Aviv gemeinsam mit seiner frau Livnat und den kindern Rotem (18), Yonathan (16) und Iftach (14) am 7. oktober in kfar aza von terroristen mit kopfschüssen hingerichtet wurden.

in deutschland hat die bundesregierung beschlossen, das amt des beauftragten für den kampf gegen antiziganismus nicht neu zu besetzen.

600. oktober, morgens

600. oktober. ich weiß nicht mehr, ob ich am 500. dachte, dass wir zu diesem kommen werden. ich weiß wie dieser tag selbst schon zu krass war. ich traue mich nicht nachzulesen, was ich damals geschrieben habe, wie ich mich überhaupt sowieso nicht getraue, die vergangenen monate nachzulesen, vielleicht, weil ich lieber nicht so gern wüsste, was der schmerz alles so beinhaltet für momente und vor allem für wiederholungen. ich frage ed., warum runde tage schlimmer sind als andere, obwohl nichts anderes ist, außer die zahl. sie antwortet, man braucht akzente in der endlosigkeit. ich weine. ich weiß gar nicht warum genau. ich muss eigentlich in die bibliothek gehen, aber ich schaffe es nicht. mein kopf sucht nach ausreden, einfach im bett zu bleiben. als ob ich dafür noch etwas anderes bräuchte als diese zahl und das, was sie bedeutet.

600 tage.

20250524, abends

manchmal weiß man auf der ersten seite, dass man ein buch lieben wird. heute: Olga Grjasnowa Juli August September und ich lese es auf einer parkbank sitzend, kaffee trinkend auf der schillerpromenade. hipstersamstag. seit tagen denke ich immer wieder darüber nach, wie es ist, dass nicht nur eine beziehung endet, sondern irgendwann auch eine liebe als gefühl und was es dann macht, dass sie nicht getauscht wurde für eine liebe zu einer neuen person. was für eine art von leere da steht wenn man keine liebe mehr hat für eine beziehungsperson. und dass so aufzuschreiben ist pathetischer unsinn, um den es eigentlich gar nicht geht, sondern um das gefühl, dass etwas auf eine art vorbei ist, in der man sich freut, wenn man über die person dann mitbekommt, dass sie gerade auf eine neue art – wieder – erfolgreich ist und zum beispiel in cannes einen film vorstellt. man selbst ist also, neben der leere, absolute fine mit der person und der situation und dem ende, bis man dann in einem buch liest, wie die protagonistin denkt, dass sie jemanden liebt, weil er ihre bedürfnisse kennt und man – also ich – sich plötzlich an diese tausend kleinen gesten erinnert, als bild und als gefühl, was sie mit einem gemacht haben. sich wirklich erinnert, so im körper. also daran zum beispiel, wie er oft was zu essen dabei hatte, weil er wusste, dass ich wieder nicht gefrühstückt habe. und dann musste ich weinen. so passiert heute, auf einer parkbank auf der schillerpromenade. vielleicht. wie konnte ich von einer solchen unsicherheit zerfressen sein, wenn ich eigentlich so sicher war.

gestern nacht im holzkohlen in einer größeren gruppe von menschen sitzend, um d.’s geburtstag zu feiern und beim zurückziehen aus gesprächen und lautstärke über eine nachricht im internet gestolpert, dass in bielsko-biala pro-palestine-idioten die zusammenkunft von holocaust-überlebenden in einer synagoge gestört haben. das ist an sich schon schrecklich, aber es wurde richtig schrecklich, weil ich dort war vor einigen jahren, eingeladen von einem lokalen historiker und dann vor der gemeinde, um rosh hashana zu feiern und es war so einer von diesen abenden und überhaupt so eine von diesen reisen, bei denen man schon viel merh versteht von einer geschichte, weil man vor ort ist. es war ein guter abend, aber es war auch ein schwer abend, so dieses sitzen inmitten von fremden menschen und dann war es plötzlich unerträglich und schwer und fremd. es ist eine kleine gemeinde, die in quasi nicht auffindbaren räumen sitzt und alles ist dafür gemacht, dass diese kleine gemeinde und ihre menschen einen schönen ort haben. ich weiß nicht. irgendwie bekomme ich es nicht hin, zu denken, sagen und zu schreiben, wie schmerzlich sich das vorzustellen ist.

am hauseingang gibt es neue schmierereien. ich glaube immer noch nicht, dass es gezielt oder persönlich ist, aber ich bin umliegende hauseingänge abgegangen und habe etwas vergleichbares nicht finden können, also nicht in dem sinn, dass jemand vorletzte nacht die straße entlang ging, ohne einfach überall pro-palestine-dreck ranschrieb, wo sich die gelegenheit bot.

british airways kündigt an, bis ende juli nicht nach israel zu fliegen. in berlin wird die fassade der synagoge brunnenstraße beschmiert. edan alexander spricht darüber, wie es war, als raketen der idf ihn fast in einem der tunnel trafen, in dem er gefangen gehalten wurde. nahe des about blank wird we will dance again on dead bodys an eine plakatwand gesprüht. Eitan Abraham Mor ist 25 geworden. an der humboldt universität wurde (mindestens) ein plakat aufgehangen, das Yaron Lischinsky zeigt. über dem bild ist ein rotes dreieck und make zionist afraid geschrieben.

ich gebe zu viel geld für dinge aus. viel zu viel. dummerweise nicht für die, die ich tatsächlich brache.

20250522, sehr nachts

heute morgen beim aufwachen das erste, was ich lese, ist eine nachricht, die mir jmd. aus tlv geschickt hat und in der steht, dass in washington Yaron Lischinsky und Sarah Milgrim ermordet wurden, ein paar, dass in der israelischen botschaft arbeitete und an dem abend eine veranstaltung des American Jewish Committe, im jüdischen museum besucht hatte. Yaron Lischinsky war in nürnberg geboren und lebte in deutschland, bis er mit 16 jahren nach israel auswanderte. sie wollten in den kommenden tagen nach jerusalem reisen, wo er plante, ihr einen heiratsantrag zu machen. für deutsche verhältnisse mehr als ungewöhnlich wird sehr ausführlich über die opfer berichtet. ich fahre am späten nachmittag zur israelischen botschaft in berlin, davor gibt es ein trauerkundgebung, sie ist sehr klein, aber sehr prominent besucht und überall stehen zu viele kamerateams und sicherheitsmenschen. ich ärgere mich, dass ich daran nicht vorher gedacht habe und später gefahren bin. es ist anstregend.

ed. schrieb mir vor ein paar tagen, dass sie mir gern eines der otef-t-shirts schenken möchte, ich brauche ewig, mich zu entscheiden und dann ist es nir oz, was es vermutlich auch schon war, bevor ich ewig brauchte, mich zu entscheiden. kurz eine weile so zu tun, als ginge es um das motiv und die farbe, war aber auch schön. a letter for david hängt mir sehr nach und ich kann die bedeutung und schönheit des filmes nur schwer vermitteln und ich würde gern, dass jede:r, der ich von dem film erzähle, ihn danach auch sehen will. aber es gelingt mir irgendwie nicht und gestern wurde David Cunio 35 jahre alt. sein zweiter geburtstag in der gewalt der terroristen. und ich kann das haus von Itzik Elgarat nicht vergessen und ich weiß nicht, warum nicht und warum ausgerechnet dieses nicht. auf bluesky erklären mir irgendwelche leute, ich dürfe nicht von ‘palästinensischer geiselhaft’ schreiben. und wäre ich nicht sowieso schon so müde, würde ich es jetzt nochmal werden. mein schlaf hat seit tagen eine eigenartige tiefe und stumpfheiten und aufwachen fährt mehrmals die nacht scharf dazwischen. jedenfalls schrieb ich ed. am dienstag, dass mir die ganze zeit zum heulen zumute ist, und sie antwortet, ich soll mir tränen aufheben, ich werde sie brauchen. jmd. sagt mir, ich soll ihr sagen, dass sie so etwas nicht schreiben soll. und dieser vorschlag zeigt, wie und an welchen stellen sich realitäten teilen.

wieder regelmäßig zu arbeiten, nicht nur in der zeit sondern auch im inhalt, bringt etwas wie struktur und das ist gar nicht schlecht. jetzt, wo ich langsam zu verstehen beginne, dass die spielräume bleiben, wird es entspannenter und heute morgen dachte ich, was für ein glück ich doch vielleicht hier gerade auch habe, wie viele anträge abgelehnt werden, weiß ich ja nicht nur selbst, sondern vor allem auch von allen anderen. auf der fahrt nach köln zwei seiten im kleinen buch geschrieben und vielleicht ist damit eine blockade aufgehoben, so schien es zumindest und auch wenn ich zu wenige kapazitäten habe gerade, mich weiter ranzusetzen. das jahrbuch wird fertig und der verlag schickte den zweiten teil zur kontrolle. bitte meine beschäftigungen nicht mit gut-gehen verwechseln, musste ich heute jemanden erinnern. und gestern in der bar wollte al. auf eine reise nach italien trinken und ich sagte, nein, auf die rückkehr der geiseln. wenn jmd. mir zuhören würde, also so wirklich zuhören mit dem raum, alles zu erzählen, auch mit seinen verwicklungen und brüchen und tränen und ohne trost und ohne es erklären müssen. vielleicht gab es eine zeit, darüber zu sprechen und ich habe sie nicht gemerkt und zu wenig genutzt oder nicht damit gerechnet, dass sie wieder zu ende geht. ich will nie umarmt werden, aber ich will umarmt werden. ich kann immer nur oder immer öfter nur denken, wie schwach ich bin und wie ich nicht den bezug herstellen kann zu dem, was um mich ist. und ich wundere mich oft, dass ich nicht immer einfach nur auf den boden falle. und erwarten menschen eigentlich wirklich, dass ein neuer guter job vergessen macht, was realitäten sind und was seit dem 7. oktober alles gebrochen ist?

alice teodorescu måwe, abgeordnete der schwedischen partei der christdemokraten (ich weiß nicht mit sicherheit, ob die so heißt) im europaparlament wurde dort von einem:r mitarbeiter:in der schwedischen linken partei für ihre pro-israelische haltung angegriffen und beleidigt. nethanjahu spricht auf seiner ersten pressekonferenz in israel seit fünf monaten unter anderem davon, dass man, also er, davon ausgehe, dass noch 20 geiseln am leben seien, verharmlost den angriff vom 7. oktober indem er behauptet, hamas habe nur in flipflops und ohne schwere waffen angegriffen und spricht über den kibbutz Ein HaShlosha als beispiel für widerstand und heroismus; ein kibbutz, in dem dutzende terroristen eindrangen und vier menschen, unter ihnen eine 80jährige frau, brutal ermordeten. die verhandlungen zu den geiseln sind vielleicht eher verhandlungen zum krieg und blieben undurchsichtig; mal ist von neun bis zehn freizulassenden für 60 tage waffenruhe die rede, mal von einem ende des krieges, einer hamas die sich entwaffnen lässt, von einer aus doha abreisenden israelischen deligation, von zukünftigen zonen ohne palästinensische bewohner:innen. es ist viel geschrieben und gesagt worden zur freilassung von Edan Alexander und dazu, was das mit angehörigen macht, die allein einen israelischen pass haben, was es für zionismus bedeutet, für eine zugehörigkeit zu israel, für das vertrauen in den staat usw. kann man alles nachlesen und -hören, wenn man möchte. aber ein gedanke, der in meinem kopf rumgeistert, ist die frage, was es eigentlich in der situation anrichtet, bedeutet und/oder heißt, dass für seine freilassung (scheinbar) keine “gegenleistung” erbracht werden musste. ende märz und im verlauf des 13. mai wurden bauliche relikte in der kz-gedenkstätte flossenbürg beschmiert, mit parolen, die eine täter:innenschaft aus dem linken/linksextremen spektrum nahelegen (sollen). rias hat vorfälle ausgewertet und kommt zu dem ergebnis, dass sich 2024 die zahl der antisemitischen vorfälle im vergleich zu 2023 verdoppelt hat. in amsterdam werden stolpersteine als “propaganda” beschmiert. im westjordanland besuchte eine gruppe ausländischer diplomaten eine geschlossene militärbasis ohne erlaubnis und die idf-angehörige geben warnschüsse in die luft ab und alle regen sich danach auf. das whitney museum of american art sagt zwei tage vor beginn die aufführung von „no aesthetic outside my freedom: mourning, militancy, and performance“ (noel maghathe, fadl fakhouri und fargo tbakhi) ab, bei dem es um palästinensische trauer gehen soll, ab und begründet dies mit einer ansprache, die tbakhi bei einer vorherigen aufführung des stückes hielt, in dem es unter anderem hieß, man dürfe nicht im publikum bleiben, wenn man an Israel in irgendeiner Form glaube. daraufhin haben, natürlich, andere künstler:innen, die wie die oben genannten am einem stipendien-programm des museums teilnahmen, ihre arbeiten aus “protest” zurückgezogen. die EU stellt das seit 25 jahren bestehende assoziierungsabkommen mit israel in frage; 17 länder sind fürs infragestellen, zehn dagegen. lufthansa fliegt mindestens bis zum 8. juni nicht nach israel und ryanair gibt bekannt, die geduld mit israel zu verlieren und darüber nachzudenken, den flugverkehr gar nicht wieder aufzunehmen und stattdessen neue ziele anzusteuern. Igor Pivnen, ein polizist, der am 7. oktober in den süden israels fuhr, 13 terroristen tötete und viele menschen rettete, hat sich das leben genommen, weil er mit dem, was er gesehen hatte, nicht umgehen konnte, weil er von schuld geplagt wurde, nicht mehr menschen geholfen zu haben. ich lese auch, dass rund 50 überlebende des nova-festivals sich das leben genommen haben sollen. es gibt nun – endlich – eine übersicht mit den namen der acht geiseln, die eine deutsche staatsbürgerschaft haben: Itay Chen, Tamir Nimrodi, Alon Ohel, Shay Levinson, Tamir Adar, Gali Berman, Ziv Berman, Rom Braslavski. hat nur 19 monate gedauert. ihre angehörigen sprechen davon, dass es zwar warme treffen mit hohen politischen repräsentant:innen gäbe, aber keine konkrete hilfe und ergebnisse. in edinburgh eröffnete ein “palestine museum”. in der türkei können immer weniger konzerte von einheimischen jüdischen künstler:innen stattfinden; weil veranstalter:innen absagen oder gewaltbereite mobs sich vor den hallen versammeln. aber john cleese bleibt stabil und kommt für shows nach tel aviv und jerusalem. Yuval Rafael belegt den zweiten platz beim esc, nachdem die jurys sie eher schlecht bewerten, erhält sie die höchste je dagewesene punktzahl von zuschauer:innen und die langen minuten, in denen es so aussah, als würde sie gewinnen, waren die schönsten seit einer weile, auch, weil ich mir vorstelle, wie all den israelhassern ihre wut und fassungslosigkeit aus den ohren quoll. es sind die kleinen dinge. das spanische nationale fernsehen blendete vor ihem auftritt eine tafel mit dem spanischen und englischen text: “when human rights are at stake, silence is not an option. peace and justice for palestine” ein. während ihres auftritts versuchen zwei personen auf die bühne zu kommen und sie mit roter farbe sie übergießen. nachdem die sängerin ihr lied mit “Am Yisrael Chai” beendete, erneuerte das israelische home-command seine warnung zur vorsicht an israelis, die nach basel gereist waren. während der übertragung gab es mehrere, dabei sehr aggressive demonstrationen in der stadt. Yuval Rafaels account auf twitter wurde kurz darauf gesperrt, nachdem zahlreiche user:innen ihn meldeten. daniel bax kann in der taz schreiben, dass Yuval Raphael für israel singt, um von den kriegsverbrechen abzulenken. ihr auftritt sei nationalistisch und propaganda. Eden Golan, die für die israelische jury die punkte verkündete, wurde verboten, einen gelben pin für die geiseln tragen. der diesjährige sieger johannes pietsch aus österreich, der als “jj” auftritt, möchte nicht, dass israel nächstes jahr in wien teilnehmen kann. beim giro d’italia versucht ein sogenannter pro-palästinensischer aktivist, israelische radfahrer niederzuschlagen. gary lineker teilt antisemitische posts bei instagram und muss anschließend – ein bisschen überraschend, wenn ich das so notieren darf – seine bbc-moderation aufgeben. am letzten samstag hätte Carmel Gat 41 jahre alt werden sollen. ebenfalls am letzten samstag läuft ein aggressiver mob von 1.100 menschen zum sogenannten nakba-tag durch berlin, unter anderem wird ein polizist niedergetreten und schwer verletzt. die situation in gaza hat sich mit der einstellung von hilfslieferungen drastisch verschärft. und der UN-untergeneralsekretär für humanitäre angelegenheiten tom fletcher darf in einem radiointerview mit BBC 4 behaupten, dass 14.000 babys in den nächsten 48 stunden sterben werden und journalisten-welt anderer medien übernimmt ungeprüft und vermutlich dankbar. einen tag später stellt bbc richtig, aber das interessiert dann schon weniger. Ron Krivoi und Arbel Yehud geben lange intervies zu ihrer zeit als geiseln. eine nahaufnahme von Edan Alexanders arme zeigt spuren der folter, die familie sagt, der “Edani” den sie “kannten, kam anders zurück.”

es ist sehr kalt und windig draussen, meine kleinen erdbeerpflanzen scheinen nicht zu überleben, eisenhüttenstadt bietet an, sich für ein zweiwöchiges probewohnen zu bewerben. ich traue mich nicht, nach flügen zu suchen.

594 tage. ed. schickt mir ein design für ein plakat für tag 600.

20250513, nachts

bin nach mitte gefahren, zu freitag gegangen, um eine neue hülle für das neue macbook zu kaufen und es gab irritierend wenig auswahl und eine hülle war in einem knalligen gelb und sie war die schönste und besonderste und ein bisschen auch die lustigste und deshalb habe ich sie gekauft. aber wir haben den 585sten oktober, und deshalb hat alles auch noch eine andere bedeutung.

ein paar minuten später schickt m. mir ein bild von sich und ihrer tochter und schreibt, sie seien okay. es gab alarm und ich sehe ihr gesicht und es ist hart und müde und damit ein bisschen fremd. sehnsucht. nach ihr, nach der stadt, nach meinem leben.

20250512, nachts

wir fahren nach charlottenburg, um a letter to david zu sehen. wir weinen und es ist ein so wunderbarer film und trotzdem kaum auszuhalten. und ich sehe nicht nur die orte, ich habe sie gesehen in einer völlig anderen form. weil ich kenne sie nur aus dem danach. und alles ist da und alles ist nahe. ich sehe Sylvia Cunio und ich erkenne sie, weil sie mir mehr als einmal begegnet ist in den letzten monaten und das ist das erste mal, das ich weine. und irgenwann denke ich, Tom Shoval kann diesen film nie enden und sich und uns in eine realität entlassen, aber er tut es irgendwann und ich lese in dem moment auf meinem telefon, dass Edan Alexander freikommen soll. und als ich danach auf die toilette des kinos gehe, ist die erste kabine verschlossen und ich höre, dass dahinter jemand ist, die bitterlich und ohne trost weint. und dann weine ich auch in meiner kabine und als ich raus- und vorbei an der schlange gehe, die es nun gibt, schäme ich mich, auch wenn die meisten der wartenden vermutlich im gleichen film waren.

meinen ersten arbeitstag nicht nur mit dem ordnen und zurecht-finden in den neuen dingen verbracht, sondern auch mit dem warten und dem meldungen ansehen und mit dem versuch, die debatten zu verstehen. gefühle aushalten, die eine so große spannbreite haben, verstehen, was dieser deal bedeutet, auch politisch und mit blick auf die anderen geiseln und auf trumps politik und gleichzeitig dieses fucking-unfassbare glück, Edan Alexander endlich zu sehen, lebend, auf seinen beinen stehend. und dann all die videos, vom ersten telefonat mit seiner mutter, vom wiedersehen, von seiner großmutter, die essen gemacht hat. was zur hölle. was für ein glück. wem auch immer sei dank, ruft martha an und fragt, ob ich zeit für ein getränk habe und aus anderen gründen als ihre habe ich endlich die gelegenheit, eine zigarette zu rauchen und ein getränk zu trinken. ich habe heimweh, seit tagen und jetzt kann ich es kaum aushalten, hier sein zu müssen, in einer gegenwart, in der ich mir aufmerksamkeit, für das, was passiert, erbitten muss. und natürlich sagte jede:r dort, dem:der ich schreibe, vielleicht sollte ich einfach nur eine woche kommen, ja, und bitte und mach.

am samstag in der wohnung rumgestanden und zu lakonisch gedacht: na mal sehen, von wem hamas heute ein video veröffentlicht und ich schwör, der punkt war gesetzt als eine eilmeldung mich wissen ließ: Yosef-Chaim Ohana und Elkana Bohbot. letzterer war in den tagen davor für mich überproportional präsent, weil es viele bilder von seinem kleinen sohn gab, der das plakat seines vaters hochhielt. im video liegt er nur auf einer matratze, abwesend, Yosef-Chaim Ohana spricht darüber, dass Elkana Bohbot aufgehört habe, zu essen und zu trinken. es ist propaganda von hamas, natürlich. aber es ist so schmerzhaft und so unaushaltbar. ein paar tage zuvor hieß es, Tamir Nimrodi, Netphong Phinta und Bipin Joshi wären tot. aber es gibt keine tatsächliche bestätigung, nur die tatsache, dass es von ihnen seit langem keine lebenszeichen gäbe. und dann sagt heute jemand in den nachrichten, 21 noch lebende geiseln, und es trifft mich und ich weiß einfach nicht, wie das übernehmen in wirklichkeit.

mehr als 70 vormalige und aktuelle esc-teilnehmer:innen fordern nun, dass israel ausgeschlossen werde, darunter der sieger des letzten jahres, es gibt wieder demonstrationen und mindestens einer der teilnehmer:innen, sendet eine todesdrohung. israel warnt besucher:innen der veranstaltung, sich als jüdisch oder israelisch erkennen zu geben. in basel, in der schweiz. in neapel wird eine israelische familie aus einem restaurant geworfen, die stadt lädt sie daraufhin ein, übernimmt übernachtungen und den besuch einen cafes. Emily Damari protestiert – vermutlich als einzige? – dagegen, dass mosab abu toha einen pulitzer-preis gewinnt. er hatte unter anderem in frage gestellt, dass sie und Agam Berger geiseln sind und leugnete den mord an Shiri, Ariel und Kfir Bibas. kanye west veröffentlichete am 8. mai den song “ww3” mit offen antisemitischen inhalten und hitler-verherrlichung und schafft es damit auf platz 1 unter anderem bei spotify deutschland. in der türkei ermordet ein gastgeber den fotografen Yitzchak Eliyashiv, einen ehemaligen gabbai der Heichal-Mosche-Synagoge in manhattan. die partei die linke beschließt, die jerusalem declaration als definition für antisemitismus zu verwenden, in einem nachtclub in philadelphia wird ein f*ck the jews- transparent über der tanzfläche angebracht, das pope-mobile von papst franziskus wird zu einer mobilen gesundheitsstation für die kinder in gaza umgebaut, sein letzter wunsch. mindestens 38 soldat:innen soldat:innen der IDF sollen sich seit dem 7. oktober selbst das leben genommen haben. eine rakete aus dem yemen schlägt neben dem flughafen ein, Guy Gilboa-Dalal hat in hamas gewalt seinen 24. geburtstag. ein paar tage zuvor wäre der 24. geburtstag von Daniel Perez gewesen, den die terroristen am 7. oktober ermordeten und nach gaza verschleppten, wo seine leiche nach wie vor als geisel gehalten wird. das gretchen in berlin sagt einer band aufgrund ihrer israelfeindlichen positionierung ab. ich frage mich, wie es mir gut gehen soll nur weil die sonne scheint.

jeffrey herf im bajzel zugehört. bester abend seit fast immer. wir werden das jahrbuch mit den spenden unserer freund:innen veröffentlichen können.

20250507, früher abend, aber auch über den tag verteilt

gestern nacht nicht schlafen können, weil die dig beschlossen hat, unseren antrag abzulehnen, mit der begründung, das sei zu unbedeutend. in langen reihen von abwertungen meiner arbeit trifft mich diese auf eine neue weise und macht mich wütend auf eine neue weise und schafft hilflosigkeit in einer neuen weise. als ich mich dann im internet festlese, finde ich einen einige stunden alten post, in dem es heißt, trump habe verlautbart, nur noch 21 der 24 geiseln würden leben. seit ein paar tagen geistert das so durch die welt, nachdem sara netanjahu bei einer gelegenheit, an die ich mich nicht mehr erinnere, die aber öffentlich war, entsprechende andeutungen machte. die angehörigen der geiseln scheinen dazu nicht informiert worden zu sein. vergangene woche hatte hamas ein video veröffentlicht, dass zeigen soll, wie eine geiseln nach einem luftangriff aus trümmern gerettet wird. sie behaupteten, es würde sich um Maxim Herkin handeln, von dem die terroristen dann widerum ein video am samstag veröffentlichen, in dem er eine verbundene hand hat. es gibt wenig aussicht auf einen deal. und in zusammenfassung einiger podcasts und artikel in den letzten wochen hatte ich immer wieder den eindruck, es sollen damit auch die voraussetzungen und rahmen gesetzt werden, in/mit denen der verbleib der noch lebenden und sowieso der toten in gaza nun einfach zur tatsache wird. natürlich spricht das niemand aus, aber das ihre befreiung das ziel der immer noch zunehmenden militäroperationen ist, liest und hört sich politikerseits immer mehr wie eine formal an, die an viele andere pflichtschuldig vorgetragene erinnert. jemand stellt zum beispiel in einem interview die geschichte von geiselnahmen und israels jeweilige reaktionen vor; die einordnung und damit auch normalisierung dessen hat (vielleicht) begonnen und am 1. mai sitzt mir ein typ gegenüber, der einer der wichtigsten ngos zum nahen/mittleren osten in deutschland vorsteht und erzählt mir nicht nur langweilige geschichten von seinen treffen mit wichtigsten deutschen politikern, sondern auch, dass der kampf gegen hamas eben wichtiger sei für israels überleben und auf meinen einwand, dass es die gesellschaft und selbstverständnisse von jüdisch-sein zerstören werde, wenn diese 59 menschen nicht zurückkommen, tut er ab als emotinales überzogenes geschwätz. vogelperspektive einer kriegsherrenlogik (oder so ähnlich), wird die liebste freundin das später nennen. zugleich intensiviert sich alles: eine rakete der houthis schlug tatsächlich am flughafen ein, die idf fliegt angriffe im yemen und in syrien, wo die situation der druzen sich noch weiter verschlechterte und zahlreiche ermordet wurden. israel nimmt verletzte druz:innen zur behandlung auf. (zehn?-)tausende reservisten werden wieder einberufen. die szenarien einzelner politiker für gaza sind verstörend. ich kann die fragilität der situation bis hierher spüren. und ich spreche viel und oft mit verschiedenen menschen in israel, und merke, dass das, was ich erst als veränderung nach dem 7. oktober festgestellt habe, als intensivierung und neuheit meiner beziehungen, tatsächlich realität wird und ist. und ich merke auch, dass mein plan, im september erst zu fliegen, nicht so gut ist.

am samstag bei phillip boa gewesen und zu meiner überraschung in der zweiten reihe gestanden und irgendwie war alles zeitreise, auch das gefühl. nur dass er netter geworden ist und am ende sogar was von liebe gesagt hat, war irgendwie naja, ungewohnt. danach wieder dieses krass, ich habe zwei stunden nicht über die situation und die geiseln nachgedacht – gefühl und auf dem nachhauseweg lief noch die samstagsendung des toi-podcasts, die, in der sie immer die biografien der ermordeten vorstellen. und die leichtigkeit der gerade vergangenen zeit hat gemacht, dass das hören noch schwerer war.

schaffe immerhin, ein paar sätze zu schreiben und denke, wenn ich es gut mit mir meine, dass ich gar nicht faul bin, sondern nur noch keine ordnung in meinem kopf über das zu schreibende hergestellt und vielleicht auch ein bisschen angst habe, mich zu sehr in die veröffentlichten artikel einzulesen, weil, wie ich an. gestern bis nach warschau mitteilte, das ganze buch vielleicht nur als satire geschrieben werden kann. lese wir schon wieder und die absolutheit meiner vorbehalte gegen kurzgeschichten ist vielleicht einfach unsinn. den nachmittag mit tereza verbracht, die in berlin ist für 24 stunden und mir drei davon widmet.

heute ist alles 19 monate.

20250429, nachmittags

ich lese Dror Mishani “fenster ohne aussicht” und es ist mir viel näher, viel klüger, viel ehrlicher als Saul Friedländers “israel im krieg”. es sind unterschiedliche herangehensweisen und themen, ich weiß, aber ich verstehe mich und schreibe dies in einer grundsätzlichen weise und vielleicht auch, wie ich denke, dass solche darstellungen funktionieren sollten oder können. jedenfalls erinnerte ich mich bei der gelegenheit gerade ohne erkennbaren zusammenhang an eine sequenz in einem buch, an das ich mich insgesamt nicht mehr erinnere und in dieser sequenz besucht eine jüdische frau ihre nicht-jüdische freundin in deren großen haus (oder vielleicht auch eine große wohnung) und fragt sie beim besichtigen, ob sie sie im fall einer notwendigkeit verstecken würde und die freundin versteht die frage nicht. und im internet lese ich gestern davon, dass zur mailänder parade 2015, die jährlich anlässlich des jahrestages der befreiung italiens stattfindet, erstmalig keine jüdischen verbände teilnahmen, damit auch nicht die jüdische brigade, da die präsenz antizionistischer aktivist:innen zu groß ist und es während vergangener paraden wiederholt angriffe auf juden und jüdinnen gegeben hatte. die diskussion um eine teilnahme und die angriffe selbst setzen sich offenbar bis in die gegenwart fort, aber ich notiere das nicht wegen den geschichten selbst, sondern wegen dem gedanken, dass zwar alles schon da war und wir es auch gesehen und gewusst, aber es nicht zusammengesetzt haben, sondern alles irgendwie einzelteile blieben, über die wir uns im immer empört oder entsetzt haben und die dabei eingekapselt blieben. wir haben sie vielleicht gestapelt, aber nicht verbunden.

vor mehr als einer woche oder so ruft mich yo. nachts an und weil wir uns immer noch nicht vertragen haben, weiß ich dass etwas passiert ist und er sagt mir, dass o.s vater gestorben ist und ob ich kommen kann. kann ich nicht, weil ich in berlin bin und weil ich nicht einfach so viel geld habe, zurück zu fliegen. ich schreibe o. und er antwortet innerhalb von sekunden, wie froh er ist, dass ich ihn kannte. ich kannte ihn natürlich nicht so gut, wie ich sollte, was daran lag, dass er nur ungarisch und hebräisch sprach und ein paar worte deutsch, und zwar die, die er von der ss und anderen deutschen im kz mauthausen lernen musste. und das ‘kannte’ war dann vielleicht eher so ein enges geflecht aus scherzen, die sich darum spannten, dass ich aus deutschland komme und der vater “achtung achtung” sagen konnte. etwas das wie heimweh klingt, durchzieht meine tage und das ist ein leiser und ziehender schmerz, der alles mitmacht, was ich beginne und dann nicht verschwindet. gestern nacht schreibt m. sie hat nichts zu sagen im besonderen, aber ich merke, sie ist immer noch verloren in ihrer situation und ich glaube, sie vermisst mich und ich würde gern einfach an ihrem küchentisch sitzen. ein paar stunden davor habe ich mit li telefoniert und ihre stimme ist noch dunkler, vielleicht klingt sie schwarz und sie sagt: wann kommst du und es ist so lange hin, dass ich merke, wie ich mich mit erzählungen in schleifen zu rechtfertigen versuche. und ed. schrieb am mittwoch, dass sie nicht-koscheren grappa geschenkt bekommen hat und ihn im kühlschrank aufhebt, bis ich wieder da bin. und die zeit wird davon nicht weniger.

k. ist zurück in berlin und wir gehen essen und dann sitzen wir vor dem späti in der hermannstraße und trinken bier und er liest mir eine kurzgeschichte von terry pratchett vor, die wir beide noch nicht kannten und die er in einem sammelband gefunden hat, zufällig. ich sage romantischer wird es nicht mehr und wir lachen. wenigstens das.

am freitag mit a., dem anderen, im kedem gewesen. es schön gehabt und gedacht, dass es vielleicht wirklich ein bisschen hilft, hier mit israelis befreundet zu sein. ich weiß nicht, ob das stimmt, aber vielleicht macht das so zwischenräume, in die man abtauchen kann. manchmal. wahrscheinlich ist aber auch das eine illusion. was aber auch war, ist, dass wir über a. gesprochen haben, den eigentlichen. und das war komisch und dabei schön, nicht nur, weil es einfach so übergangslos ging, sondern auch, weil es ganz einfach war und selbstverständlich und ohne, dass mein gegenüber kommentiert, wie doof er ist und ich antworten muss, nein, ist er nicht. ihn einfach vermissen und für einen moment wieder gut finden können und damit nicht allein sein. schön war das, sehr schön und es hat gemacht, dass ich mich anschließend für ein paar kleine stunden unbekannt leicht fühlen konnte. aber auch, dass ich ihn einfach so und einfach so unkompliziert gern gesehen und gern umarmt hätte.

merke immer wieder, dass geschichte, und forschungen, die menschen über ns-geschichte machen, mir plötzlich wirklich geschichte sind, weit weg und alles, was geschrieben wird, als tatsächliche historisierung. unser artikel ist erschienen und bisher wollte uns noch niemand eine reinhauen. vielleicht haben wir etwas falsch gemacht.

heute eröffnete in berlin ein neuer platz für die geiseln am alten standort. ich hatte nicht die kraft, hinzugehen. ich merke viel in den letzten tagen, dass sich dieser zustand wieder eingestellt hat, in dem anderen nachrichten die situation der geiseln überlagern. nicht für mich, aber in den medien, die ich lese und dass das auch etwas mit mir macht, merke ich dann auch. wir waren schon mal an diesem punkt und dieser feststellung. aber es wird nicht weniger schmerzhaft. hamas wiederholte das angebot: alle geiseln gegen fünf jahre waffenruhe und israel sagt nein. das ist die situation: hamas sagt, alle zurück und israel sagt nein. ich weiß, dass es um andere aspekte geht, die diese situation herstellen, aber die alle beiseite gedacht, ist das die situation. wie das aushalten. hamas hat auch ein video mit omri miran veröffentlicht. island, slowenien und spanien fordern nun den ausschluss israels beim esc. in einem hotel in kyoto muss ein israeli eine erklärung unterschreiben, er sei nicht an kriegsverbrechen beteiligt gewesen, als voraussetzung, einchecken zu dürfen. bei der siegerehrung der nachwuchs-em im fechten wandten sich die drittplatzierten schweizer demonstrativ ab, als die hymne israels gespielt und die fahne gezeigt wurde. virgin atlantic airlines kündigt an, den flugverkehr zwischen london und tel aviv grundsätzlich nicht wieder aufzunehmen. die dokumentale berlin schreibt in ihren news, yom hashoah sei ein tag, um allen jüdischen menschen und anderen opfern zu gedenken, die im holocaust ermordet wurden. dana horn hat in einem podcast lange dazu gesprochen, welche folgen ein gedenken und eine geschichtserzählung haben, die ein universelles narrativ nutzen. auch dieses jahr beschweren sich jüdische überlebende von bergen-belsen über das verhalten der gedenkstätte und der staatskanzlei. das feinbergs warb beim israel-tag in berlin auf einem aufsteller für einen cocktail mit „zerhackstückelter“ wassermelone und nartürlich fand sich ein medialer mob, der tobte. und die dig hat nichts besseres zu tun, als sich zu distanzieren. aber ich wenigstens fands lustig.

nicht vergessen, auch die sammlung dieser dinge ist nur eine sammlung einzelner dinge.

571 tage. und ich denke die ganze zeit: nur noch 29 bis 600.

20250420, nachmittags

es ist ostern und es ist still. oder zumindest stiller. ich weiß immer noch nicht so richtig, warum und wie die zeit vergeht. ich würde sie gern nutzen, um intensiv zu schreiben, aber ich bekomme es nicht hin. ich kann mich nicht konzentrieren, ich kann nicht denken. und ich habe einfach keine lust. ich bin nach wie vor so müde und manchmal schlafe ich nun auch tagsüber. aber ich weiß nicht wirklich, was ich darüber hinaus so mache. sinnlos übers tempelhofer feld laufen. sinnloses zeug streamen. in der wohnung auf und ab gehen. mich immer noch mit der einstellung rumärgern. einen text in einer zeitschrift durchsetzen. manchmal etwas entscheiden, und mich dann für eine kleine weile besser fühlen. heute wieder mit yoga angefangen und gemerkt, wie schmerzhaft mein körper auf bewegungen ausserhalb des üblichen reagiert. den schmerz ein bisschen zu sehr genossen. vor ein paar tagen in einer größeren runde ex-cottbuser:innen fast bestanden. nur am ende und betrunken einen wirren und wütenden vortrag gehalten, weil die situation der geiseln in deutschland niemanden interessiert. die zeiten, mich einzuladen, werden bald wieder zu ende sein. ich bin seit mehr als drei wochen zurück und ich stelle fest, dass dies noch lange nicht ausgereicht hat, mich in den realitäten von anderen wieder zurecht zu finden. und es kommt mir so vor, als würde sich niemand in meinen realitäten zurecht finden (wollen). es gibt keinen von anderen für mich geschaffenen raum, um wütend zu sein. und keinen für die traurigkeit oder für die komplexität und die länge der geschichten. ich höre anderen zu, wie sie ihr kindheits-oster-traditionen in gegenwart transportieren und wie sie etwas bedeuten. und ich bin davon ge/berührt und es verstört mich, dass ich so etwas gar nicht habe und vielleicht bin ich neidisch und ein bisschen noch verlassener als sowieso. heute und gestern besser, aber davor so schlimme depressive anfälle gehabt, dass ich zum ersten mal in jahrzehnten depressiver anfälle dachte, ich kann damit nicht mehr leben, mit diesen despressiven anfällen. davor konnte ich immer nicht mehr leben mit situationen und/oder als strategie bei überwältigungen. aber nun dachte ich zum ersten mal, ich kann damit nicht mehr leben und meinte etwas grunsätzlicheres. das hat mich so erschrocken, dass ich erstmal keinen schlimmen depressiven anfall mehr hatte.

saul friedländer israel im krieg gelesen und ich will nichts schlechtes über saul friedländer sagen und nicht einmal denken, aber vom beginn an habe ich mich gefragt, was das für ein buch sein soll. ein tagebuch, steht im titel, aber ich kann nicht glauben, dass jemand so nüchtern, so emotionslos am 7. oktober begann, das politische geschehen zu sammeln. die geiseln kommen kaum vor, ihre namen noch seltener, die ermordeten auf israelischer seite noch weniger. wo der autor ist und in welcher beziehung er zu den ereignissen und zu den menschen und realitäten in isreal steht, bleibt gänzlich offen. mehr als einmal gedacht: geh doch mal vor die tür und frage jemanden, wie es ihm/ihr geht. keine reflektionen eigener (persönlicher) gegenwart oder biografischer vergangenheit, bestenfalls eine sammlung politischer ereignisse, (berechtigter) tiraden gegen die regierung und eigener halbgarer mutmaßungen, die aber anschließend nie mit einer entwicklung abgeglichen werden. antisemitismus in europa und an den amerikanischen unis wird zur kenntnis genommen, aber mehr als einmal heruntergespielt und in der summe dann scheinbar nicht verstanden. etwas, was bei jemandem wie ihm eigentlich nicht sein kann. für ein deutsches publikum geschrieben, habe ich mehr als einmal gedacht. immer wieder hält er eine zwei-staaten-lösung hoch aber wie das (noch) funktionieren soll außer als leere formel für realitätsfernes (europäisches) hoffen wird mir nicht klar. habe mehr von allem verstanden, weil ich phillip spencer zuhöre oder k.s mail lese. ärgerlich. auch, dass ich es schon seit seite 2 wusste aber trotzdem weitgelesen habe in der erwartung von irgendwas. davor die tore von gaza beendet. auch nicht supergut gefunden im schreiben – immer an demoberichte in den frühen 2000er jahren erinnert gefühlt -, aber wenigstens etwas gelernt und verstanden und emotionen gehabt. jetzt Dror Mishani Fenster ohne Aussicht: Tagebuch aus Tel Aviv.

the cure kündigen etwas für montag an.

hamas verlautbarte, dass sie nichts vom schicksal und der situation Edan Alexanders wisse, da sie seit dienstag den kontakt zu denjenigen verloren habe, die ihn bewachten. mindestens einer der terroristen sei tot aufgefunden worden. vorangegangen sein soll ein angriff der idf in der gegend. gestern veröffentlichte hamas ein video von Elkana Bohbot, ein paar tage davor der islamische djihad eins von Rom Braslavski, und letztes samstag hamas eins von Bar Kupershtein. Noa Argamani wird zum time magazin zu den “100 most influential people of 2025” gewählt. Dror Mishani hat in seinem tagebuch den moment beschrieben, als er ihr video von der entführung zum ersten mal sah und so stellen sich meine beziehungen zu allem möglichen heutzutage her. cynthia nixon kündigt den trailer für die neue staffel and just like that in einem hemd an, dessen stoff eine großflächige palästinafahne ist. kann sie machen, löst keinen skandal mehr aus, nur große freude bei ihren unterstützer:innen und fans, nehme ich an. im süden von gaza hat ein soldat einen kleinen hund gefunden, der hebräisch verstand und dann stellte es sich heraus, dass dies der kleine hund billy von Rachel Dancyg aus nir oz ist, deren ex-mann Alex von hamas entführt und in gefangenschaft ermordet wurde ebenso wie ihr bruder Itzik Elgarat. 847 idf-soldat:innen sind seit dem 7. oktober gefallen.

die irische band kneecap projizierte während ihres auftritts beim coachella in kalifornien gestern israelfeindliche slogans über die bühne und ihr sänger gab zudem verschiedene israelfeindliche, antisemitische und pro-palästinensische statemants zum besten. das war auch letzte woche bei ihrem auftritt schon so gewesen, aber aus dem livestream geschnitten worden. ein spanischer fernsehsender fordert, dass israels beitrag vom esc ausgeschlossen wird. die malediven haben nach mehrfacher ankündigung in den letzten 18 monaten nun endgültig beschlossen, dass menschen mit einem israelischen pass nicht einreisen dürfen. in villeurbanne wird ein jüdischer mann angegriffen, geschlagen und antisemitisch beschimpft, in neukölln fliegt ein stein in ein fenster des bajzel, in charlottenburg werden eine frau und ihr begleiter ein paar tage zuvor von zwei männern antisemitisch beschimpft. an der alice-salomon-hochschule findet eine veranstaltung mit qassem massri und udi raz statt. propalästina/prohamas aktivist:innen besetzen mittwoch mittag zudem den emil-fischer-hörsaal auf dem campus nord der humboldt-universität, deren leitung ihn am abend räumen ließ.

561 tage.

20250414, abends

ich bleibe isoliert. und wie immer in diesen zeiten stelle ich schmerzhaft fest, wie einfach mir das möglich ist. und wie ich einfach verschwinden kann. kann, könnte, sollte, möchte. überhaupt machen mir wieder alle die dinge schwer. so scheint es. oder so ist es.

Rachel Goldberg-Polin hat ein langes interview gegeben, zu pessach und seiner bedeutung vor dem hintergrund, dass es immer noch 59 geiseln gibt. ich brauche tage, es mir anzuhören. gestern gab es einen kleinen seder-tisch für die geiseln am brandeburger tor und ich erwische mich bei dem gedanken, dass ich jetzt zu den menschen gehöre, die in kleinen gruppen dort auf diesem unwirtlichen platz stehe und plakate hochhalte, die keinen interessieren. alles fühlt sich stumpf an. alles ist wie laufen durch watte. am freitag habe ich zwei menschen vor dem bajzel sitzend die bilder der kibbutzim gezeigt und ihnen erklärt, was sie sehen. zum ersten mal. ich weiß gar nicht, was ich mache und warum die zeit vergeht.

ich merke immer wieder, wie menschen hier nichts mit meinem letzten tattoo anfangen können, dass sie die bedeutung nicht instinktiv erfassen, dass sie kein vorwissen haben, um sie zu erfassen und/oder dass sie dann mit der geschichte nichts anfangen können. dass sich hier nie diese wärme einstellt, wenn man darüber spricht. wie viel anders das ist und wie viel anders-sein sich an kleinen dingen und nebenschauplätzen festmacht. in nirim habe ich auf dem arm von Adele Raemer ebenfalls eine version der blüte gesehen und mich kurz geschämt, weil es mir wie eine unangemessene aneignung vorkam, weil sich unsere erfahrungen und unsere überlegungen so grundlegend unterscheiden. ich erinnere mich, wie m. sagte, du hast dich selbst zu einem teil von etwas gemacht und vielleicht ist es das eben auch, das verbundenmachen und das dann verbundensein und dafür ein bild suchen.

a. spielt in einem theaterstück mit, ich glaube eine der hauptrollen, und ich freue mich. dass er diese dinge wieder macht und dass er erfolgreich damit ist.

zwischen allemm gibt es immer wieder meldungen zu verhandlungen. zu zahlen möglicherweise freizulassender geiseln. mal heißt es 9, mal 11. immer wieder Edan Alexander. hamas bietet an, alle freizulassen für waffenruhe. dann wieder, dass sie ihrer entwaffnung nicht zustimmen und es deshalb keinen deal geben wird. jemand hat das wohnhaus des gouverneur von pennsylvania Josh Shapiro in brand gesetzt. ob es eine antisemitische motivation des täters gab, ist noch unklar. greenday widmen während ihres auftritts beim coachella festival einen song “the kids from palastine”. johnny rotten bezeichnet die hamas als “nichts weiter als einen haufen von ‘judenvernichtern'”. die plattform boiler room löscht alle videos von auftritten in israel. Tal Shoham spricht über seine erfahrungen als geisel in gaza in der UN. in london stellen jurist:innen strafanzeige gegen zehn briten, die in der IDF gedient haben.

ich bin müde. und ich fühle mich sehr allein.