heute morgen, noch vor dem aufstehen, sehe ich ein kleines video von der hochzeit von Yarden und Shiri Bibas; einen kleinen und sehr intimen zusammenschnitt des tages. ich addiere ihn zu den vielen bildern, die ich mittlerweile von den geiseln und ihren angehörigen in meinem kopf habe; eine weitere geschichte, ein weiteres mehr an nähe. es gibt einen grundsätzlich anderen umgang mit den zivilen opfern von terroranschlägen oder mit gefallenen soldat:innen, getöteten politist:innen etc. in israel. die namen und bilder werden jeweils sehr schnell in die öffentlichkeit getragen, oft finden beerdingungen unter der anteilnahme einer öffentlichkeit statt und immer wieder gibt es verbreitete aufforderungen, angehörige im rahmen einer schiv’a zu besuchen und zu unterstützen. man kennt die toten nicht, aber man kennt sie, weiß um ihre geschichten, familien und/oder hoffnungen. oft bleibt dieses wissen über jahre bestandteil der eigenen karte, nicht selten kann man terroranschläge nicht nur mit konkreten orten verbinden, sondern auch mit konkreten namen. es ist teil von etwas, das zum sozialen gedächtnis gehört. dies ist sehr anders als in deutschland. ich erinnere mich daran, dass nach dem anschlag auf den weihnachtsmarkt am berliner breitscheidplatz unendlich viel zeit verging, bis die namen der 13 ermordeten opfer überhaupt in die öffentlichkeit gelangten. man wusste sehr schnell sehr viel über den täter, und erinnert bis heute kaum etwas von den opfern. ein bisschen ist das vielleicht wie bei der öffentlichen wahrnehmung und vermittlung der rechtsextremen/rassistischen anschläge und morde in den 1990er jahren; aber irgendwas funktioniert an dem gedanke doch wieder nicht richtig. aber vielleicht auch nur für mich nicht, weil ich eben dann doch sehr viele namen opfer rechter gewalt kenne. geändert hat sich dies in deutschland erst mit dem antisemitischen anschlag in halle im oktober 2019 und dem anschlag in hanau im februar 2020. besonders letzterer hat aus meiner sicht – endlich – das erinnern verändert, die namen und gesichter und geschichten präsent gemacht und dabei unter anderem auch in die städtischen räume vieler städte getragen. dies ist nie genug, natürlich. und ich mag mich eigentlich nicht, wenn ich etwas, das selbstverständlich sein sollte, betone, wenn es dann endlich doch mal stattfindet.
und dann fällt mir beim lesen in deutschen zeitungsberichten wieder auf, wie sie es noch nicht einmal schaffen, die namen der geiseln zu nennen.
nach dem aufstehen und die folgenden stunden des tages lerne ich viel über 21 junge männer, soldaten der idf, die gestern in gaza getötet wurden, viele von ihnen reservisten: Hadar Kapeluk (23), Sergey Gontmaher (37), Elkana Yehuda Sfez (25), Yoav Levi (29), Nicholas Berger (22), Cydrick Garin (23), Ahmad Abu Latif (26), Nir Binyamin (29), Elkana Vizel (35), Israel Socol (24), Sagi Idan (24), Mark Kononovich (35), Shay Biton Hayun (40), Daniel Kasau Zegeye (38), Matan Lazar (32), Rafael Elias Mosheyoff (33), Barak Haim Ben Valid (33), Itamar Tal (32), Adam Bismut (35), Yoval Lopez (27), Ariel Mordechay Wollfstal (28). bevor ich ihre geschichten lese, scanne ich mit wenig atem namen und gesichter und gleiche sie ab mit meinen erinnerungen und meiner gegenwart. und natürlich bin ich zuerst einfach nur krass erleichtert, wenn sich keine verbindung ergibt, ich nichtmal das gefühl habe, jemanden schon getroffen zu haben. aber das ist dann, wenn überhaupt erleichterung, nur ein kurzer moment.
öffentlich werden gerade optionen für einen neuen deal besprochen. es ist etwas unklar, was genau tatsächlich verhandelt wird und von wem. aber es ist ja grundsätzlich die frage, was akzeptabel, was moralisch geboten und was moralisch vertretbar ist, was in wessen sinne durchgesetzt wird, und nicht zuletzt, mit wem man da eigentlich verhandelt. es gibt keine gewähr, dass irgendwas von dem, was hamas in aussicht stellt, tatsächlich passiert. und dabei wird die verzweifelung der angehörigen und freund:innen immer größer und lauter und schriller, während sie gleichzeitig immer mehr in sich zusammenzufallen scheinen, zerbrechlicher sind, grauer. mir scheint es, dass die darstellungen in den erzählungen freigelassener geiseln, aber auch in den flehenden forderungen der angehörigen immer drastischer werden, 109 tage, 109 fucking tage. ich kann das nicht mal schreiben, ohne dass ich schon wieder tränen in den augen habe.
ich hatte gute und verwöhnte tage in köln und der schnee ist geschmolzen.