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20251006, abends

seit ein paar tagen gibt es einen vorschlag für einen neuen deal, einen 21-punkteplan, als deren erster schritt alle 48 geiseln freikommen sollen. seit heute wird dazu in ägypten verhandelt. so nahe waren wir noch nie und manchmal erwische ich mich und andere, dass wir sachen denken wie: vielleicht mache ich das jetzt zum letzten mal oder wenn das vorbei ist, fahre ich erst einmal nach griechenland und mache urlaub oder vielleicht lohnt es gar nicht mehr, sich noch ein tshirt zu kaufen. dann erschrickt man, immer. weil hoffen geht nicht, es ist nicht gestattet oder vielleicht ist es gestattet aber die angst schnürt alles ab. wirklich. die angst schnürt alles ab. ich schlafe wieder im stunden-rhythmus und wenn ich das jemandem gegenüber zugebe, sagt er oder sie, dass auch er im stunden-rhythmus schlafen. es ist ein bisschen peinlich, weil wir alle ja wissen, dass nachts sowieso keine nachrichten dazu kommen werden. es fühlt sich an, als wäre mein körper nocheinmal unter einer neuen art der anspannung. ich kann mich wieder weniger konzentrieren. aber anders weniger konzentrieren als in den monaten nach dem 7. oktober. ich will so sehr, dass jetzt alle zurückkommen. s. schreibt, dass sie so angst hat, wer noch alles tot sein wird. weil das jemand als lebend gilt, heißt ja auch nur, dass man das gegenteil bisher nicht weiß. und ich vermute, wir haben gleich gesichter und namen und geschichten im kopf. ich habe sie. aber ich würde sie nie aussprechen. komisch, dass diese art von vorstellungen unglück aufzuhalten, immer noch funktioniert. und hamas sagt, sie brauchen mehr zeit, weil sie nicht wüssten wo alle sind. warten. auf der demo am samstag waren so viel mehr leute und es war so viel mehr eine nochmal andere stimmung. Einav Zangauker hat geschrieen, Gadi Moses hat gesprochen, Omar Shem-Tov auch und eine tante von Hadar Goldin. dieses angehörige jetzt erkennen, auch wenn man sie außerhalb des hostage-square-und-demonstrations-raumes sieht. am freitag bin ich mit einer frau aus kfar azza in den süden gefahren, erst zu einer der kreuzungen, an denen angehörige protestieren und übernachten, dann zu einer gedenkveranstaltung für Hadar Goldin. sie spricht nicht, über das, was ihr passiert ist und ich will nicht einfach danach fragen. sie erzählt von ihrer freundin als wir eine yellow gas station passieren, an der sie ihr immer kaffee gekauft hat, bevor sie sie im krankenhaus besuchte und davon, dass sie hier nie wieder gehalten hat und dass sie keinen espresso mehr trinkt. am samstag fragt sie mich, ob ich mit ihr zur gedenkveranstaltung nach kfar azza begleite und dabei erfahre ich, dass diese freundin Gila Peled war, die gemeinsam mit ihrem mann Yozar und dem sohn Daniel am 7.oktober in ihrem haus in kfar azza ermordet wurden. ein paar stunden später schreibt sie mir, sie könne nicht fahren, angstattacken und keine kraft, das haus zu verlassen. ich fahre dann nach jerusalem zu einer 101-kundgebung und erlebe zum ersten mal, wie diese veranstaltungen hass auslösen bei anwohnerinnen und vorbeigehenden. jemand schenkt mir einen weißen pullover, weil es abends nun schon kalt ist. das zentrum von jerusalem ist voll mit menschen, religiösen amerikaner:innen vor allem. es ist laut und fröhlich und überladen. es ist zu viel. und zu ungewohnt. und man kann fast vergessen, dass die realität anders ist.

jemand schrieb heute irgendwo: jetzt haben die leute begonnen, sich für die nova-party fertigzumachen und loszufahren. ich kann mich einfach nicht erinnern, was ich am 6. oktober gemacht habe. ich muss das vielleicht auch gar nicht, ich habe niemanden verloren und keine erinnerungen an ein davor festzuhalten. aber ich wüsste gern präsenter, wie das war und vielleicht konkreter trotzdem einfach gern, wie der tag davor für mich war. vermutlich langweilig, ich weiß.

ich fotografiere kaum noch. und ich weiß nicht genau, warum. ist alles um mich herum so normal für mich, dass ich es nicht mehr mit bildern bannen muss? oder bin ich einfach nicht mehr interessiert, es zu tun. entdecke ich nichts neues mehr. nichts was mich beschäftigt. wenn ich das überdenke, und das tue ich in selbstbeobachtung seit mindestens zehn tagen, ist es interessant, aber es löst nichts aus. vielleicht ist es einfach nur teil einer depressiven irgendwas.

ich sitze in meiner wohnung und draussen ist es laut und fröhlich und singen. es ist der erste abend von sukkot.

20250928, abends

ich schlafe viel und tief und lange, aber ich kann nicht nur nicht einschlafen, sondern habe panische angst vor dem einschlafen. seit dem ich mir den zustand des wartens bewusst gemacht habe, ist er mir fast immer bewusst. und ich pflanze die idee in die köpfe anderer wenn wir darüber sprechen, was anders ist, was unseren alltag ausmacht. o. sagt, er kann nicht glauben, dass dieser krieg seit zwei jahren unsere realität ist. dass er sich erinnert, wie am anfang einige dachten, ein jahr max. und wie unvorstellbar das erschien. ich sage, wie krass es mir ist, dass wir phasen darin haben, geschichten, verschiedene zeiten. dass die zeit weitergeht und gleichzeitig stillsteht. dass immer noch 7.10.23 ist. die unnormalität ist realität geworden und normal. ich glaube, dass ist es, was die größte veränderung für mich ist seit april 25: das es normal ist, dass ich mich auf eine weirde weise gewöhnt habe an einen ausnahmezustand. am nächsten morgen hat trotzdem immer ein coffeeshop offen, schreibe ich jmd. auf instagram und sie antwortet mit einem lachenden emoji: ja. die tage vergehen schnell und übersichtlich, in routine. wir verlassen das haus nicht, wenn die raketen aus dem yemen kommen, auch nicht als wir wissen, dass eine drohne in einem hotel in eilat einschlägt. ich merke, dass auch ich weniger auf geld achte, es ist irgendwie verschwommen, darüber nachzudenken. ich gebe zu viel aus und verspreche mir, dass ich in deutschland wieder mehr darauf achte, e. aber auch, dass ich im dezember wiederkomme und wir dann endlich mal ein paar touren machen, uns synagogen angucken zum beispiel. wir alle sind uns immer einig, dass wir nicht mehr planen und dass wir mit anforderungen von menschen in deutschland, konkrete vereinbarungen zu treffen, nichts anfangen können und auch nichts anfangen. ich sage einfach immer zu allem ja und mal sehen und habe den verdacht, dass der november zum beispiel über mir einbrechen wird. ich höre zu viel über finanzielle probleme. jedes gespräch ist immer noch nach wenigen sätzen bei den geiseln oder dem krieg, aber wir sprechen routinierter irgendwie. wie die parolen auf den kundgebungen sich wiederholen und dabei vielleicht weniger bedeuten, oder anderes, wie die geiselangehörigen wissen, dass sie allein sind und unsere versicherung אתה לא לבד eigentlich auch uns aufrecht halten soll, wie wir ein bisschen vielleicht die wiederholung und herstellung der struktur brauchen, und wie wir wissen, dass wir offensichtlich nichts ausrichten, so wissen wir in unseren gesprächen auch nicht mehr anders oder neues zu sagen, über die geiseln, und über die angst, und über den krieg. und reden trotzdem über wenig anderes. vielleicht ist es gar nicht das schlimmste, dass verzweiflung immer mehr wird und immer schwerzhafter, vielleicht ist das schlimmste, wie wir mit ihr leben lernen und wie sie sich eingräbt in unsere körper. es gibt eine für mich neue beziehung zwischen ausnahmezustand und gewöhnung. und immer denkt man: wie schlimm muss es erst für die angehörigen und freund:innen sein und immer fühlt man sich schlecht, wenn man etwas schönes macht oder wenn man es nicht hinbekommt, auf die kundgebung zu gehen. wie ich gestern.

mein gefühl sagt mir, dass ich schon wochen hier bin. dabei bin ich erst letzten freitag zum flughafen gefahren, damit e. mir mit ihrer rückkehr meinen neuen rechner übergibt, weil ich den alten drei tage vorher endgültig gecrasht habe. ich weiß nicht, was es ist mit meinen macbooks und tel aviv. dabei passiert nicht viel. und trotzdem alles. ich kann das gefühl nicht fassen, das ich habe. aber zwischendurch werden es bekannte depressionen. ich höre natürlich nicht einfach auf zu atmen, aber ich muss mich zu oft daran erinnern, es nicht zu tun. ich bekomme plötzlich komplimente, etwas, dass mir seit jahren nicht passiert ist. ich fahre nach sderot, nova-gedenkstätte und re’im. ich verstehe die erzählungen nicht und ich verstehe alles daran. das nova-gelände wird weiter zu gedenkstätte, nun mit markierten räumen, die von ereignissen erzählen sollen, von den gelben containern zum beispiel und von der mushroom bar. es gibt immer noch keine bushaltestelle, aber es gibt so viel mehr tafeln für die einzelnen opfer und viele beginnen sich in ihren inhalten zu ähneln. zwei männer kommen, die eine 2 und eine 5 als luftballon dabei haben. sie binden sie an eine der tafeln. und sie weinen. die zeit vergeht nicht. der schmerz steht zwischen den bäumen und zwischen den schildern. im hintergrund hören wir die einschläge in gaza city. sie sind viel lauter als ich sie vom dezember 2023 in erinnerung habe. aber die gedanken, die aus der verbindung von ort und geschichten und zerstörung in gaza entstehen, sind die gleichen. sie überrraschen mich nur weniger. ein angehöriger von Noa Zander führt uns über das gelände und später zu einem der shelter bei re’im. da erst verstehe ich, dass Noa Zander die frau war, von der ich im letzten jahr eine erinnerungsstätte an diesem ort gefunden hatte, zufällig, als ich nach einem gangbaren weg zur nova-gedenkstätte suchte. es war ein provisorum, klein und ist jetzt durch ein denkmal ersetzt. das erinnerungszeichen damals war für mich irgendwie ein synonym für die gegenwart der erinnerung, für ihre unmittelbarkeit und für das gefühl, dass man hier jederzeit auch unvorbereitet und jenseits des sich definierenden gedenkortes auf sie treffen kann. und vielleicht ist es in seiner jetztigen form ein synonym auch dafür, dass sie das gedenken verfestigt. die menschen, die wir in re’im treffen, sprechen mehr über die zeit ab dem 7. oktober als über den tag selbst. die reisegruppe pflanzt einen zitronenbaum, wir sehen die neuen häuser, die gebaut sind und noch werden, wir sehen weniger von den zerstörungen und dem schrecken und kaum etwas von erinnerungszeichen. als der bus zurück fährt entlang der felder und landschaften denke ich wieder, wie viele orte es hier zum verstecken gibt und wie viel vernichtungswillen die täter hatten, die zu finden.

e. ist während der tage des iran-krieges in mein zimmer gezogen und da geblieben. hat sich eingerichtet und mir ihr schlafzimmer überlassen. das ein eigenes bad hat und ein schönerer raum ist, aber eben kein schutzraum. auch das sagt irgendetwas über irgendeinen teil der situation. ich höre das interview mit Ora Rubinstein, der tante von Bar Kupershtein, und am ende hiess es plötzlich, dass wir morgen vielleicht in einer anderen situation sind; in einer, in der wir wissen, dass der krieg aufhört und alle geiseln nach hause kommen. vor ein paar tagen stand ich auf dem platz der geiseln und die tafel, die das verstreichen der zeit anzeigt, war ausgefallen und ich dachte für einen moment, wie es sein könnte, wenn wir sie nicht mehr brauchen.

noch einmal wurde ein video von Alon Ohel veröffentlicht, noch einmal mussten Eitan Horn, Yosef Haim Ohana, Ziv und Gali ihren geburtstage in der gewalt der palästinenser verbringen. Yossi Sharabi hätte seinen 55. geburtstag feiern sollen. Edan Alexander hat seine rückkehr zur IDF angekündigt. in berlin gingen am wochenende 60- bis 100.000 menschen für gaza auf die straße.

20250916, später abend

ich habe zu viele gefühle, zu viele eindrücke zum schreiben. aber ich denke, wenn ich es nicht jetzt noch mache, gibt es morgen schon zu viele neue gefühle und eindrücke, und am ende ist alles ein wabern.

gestern nacht nicht einschlafen gekonnt, aus angst, dass wir am nächsten morgen schlimme nachrichten bekommen. und ich fühle mich dem nicht gewachsen. seit gestern abend gibt es eine grossoffensive in gaza city und man weiß, dass hamas geiseln als schutzschilde aus den tunnel geholt hat. was für ängste die eltern, frauen, kinder, familien, freund:innen haben müssen, was für ängste. nachts kam dann ein aufruf nach jerusalem zu kommen, aber da war der letzte zug gerade abgefahren und ich dachte zum ersten mal, mist, dass ich kein auto habe. und heute gab es zu viele dinge. morgen dann, ich versuche.

wir hören und fühlen manchmal die detonationen und wir haben uns nach den ersten sofort daran gewöhnt.

tage sind schon wieder ewigkeiten.

abends in suzanne dellal ein stück der Kamea Dance Company gesehen. eines der drei letzten tickets gekauft und erleichtert gewesen und dann in der vorstellung bleiben ein drittel der plätze leer. es ist so leise. dass ich nicht dachte, dass israelis so leise sein können. in der straße davor gibt es seit mindestens mehr als einem jahr den großen bring them home schriftzug an einem bauzaun. gestern sehe ich dann, dass das bring fast vollständig verschwunden ist und ich denke, wie strange und dann auch, dass es offensichtlich wenig versuche gibt, neue kampagnen und zeichen im öffentlichen raum zu platzieren. so wie das banner sehen viele andere plakate, graffiti, bilder, schleifen, transparente auch aus. und es ergibt sich eine merkwürdige diskrepanz zur tatsächlichkeit, in der wir sind. und ich frage mich dann, ob es vielleicht dafür auch einfach keine kraft mehr gibt. die bilder verblassen, die zeichen verblassen. obwohl es noch lange nicht an der zeit dafür ist. obwohl wir noch mittendrin sind. am habima eine durchlaufende videoinstallation gefilmt, die noch geiseln zeigt, die nicht mehr in gaza sind, Edan Alexander zum beispiel, Judy Weinstein and Gad Haggai. wie komisch das ist, dass niemand sich mal die mühe macht und zeit nimmt, das zu ändern. am samstag abend bemerkte ich, dass es viel selbstverständlicher und viel umfangreicher passiert, dass auf den bildschirmen gewaltbilder des 7. oktobers gezeigt werden.

bei gestrigen tag und nach lunch im fast leeren yom tov und nach abgabe der kommentierten druckfahnen nochmal zur kreuzung pinsker / allenby / ben yehuda gegangen. bei tageslicht wird es nicht einfacher, die zerstörten häuser zu sehen. und erst jetzt verstehe ich, wie groß die betroffene fläche ist, wie viel mehr als nur die zur straßen ausgerichteten fassaden. niemand scheint die straßen zu nutzen ausser mir und drei amerikanischen tourist:innen.

im bus setzt sich eine alte frau gegenüber, sagt etwas auf hebräisch, vermutlich zur hitze und schwere des moments. ich antworte, dass ich kaum hebräisch spreche, sie daraufhin in gebrochenem englisch, wie schlimm alles sei und mit fingerzeig auf meine kette, dass sie jeden tag um die geiseln weine. ich auch, nicke ich und als sie mir ihre hand auf den arm legt, weinen wir beiden einen moment. danach mit lila im bucke, in dem nur noch fünf andere menschen saßen und in dem sich niemand die mühe gemacht hatte, eine veränderte speisekarte noch ins englische zu übersetzen. danach gesehen, dass das Nechama Vehezi geschlossen ist, also so richtig, nicht einmal mehr möbel und die kneipe/bar nebenan auch, danach auf dem habima platz gesessen und jmd. sagt am telefon, er will derjenige sein, der mich fragt, wie es mir geht.

jetzt fällt mir noch ein, dass ich letzten freitag zum ersten mal vor shabbat den shuk besucht habe und mich ohne gedränge bewegen konnte.

und jetzt merke ich schon, dass ich heute wieder nicht einschlafen werde, dass sich das gefühl der erwartung von etwas, dass bald realität ist, wie blei unter meine haut zieht.

ich habe zu viele gefühle, zu viele eindrücke zum schreiben. aber ich denke, wenn ich es nicht jetzt noch mache, gibt es morgen schon zu viele neue gefühle und eindrücke, und am ende ist alles ein wabern.

20250914, vormittags

gestern nacht beim laufen durch die king george gedacht, dass ich einfach nicht mehr weiß, wie es vor dem 7. oktober in der stadt war, dass ich, wenn ich denke, dass es jetzt leer und dunkel und verlassen ist, vielleicht einfach vergessen habe, dass es schon immer so war. ich ahne, dass es nicht stimmt, aber ich weiß es nicht mehr. ich bin plötzlich unsicher. ich weiß um die unverlässlichkeit von erinnerungen, aber / und ich kann mich einfach nicht daran erinnern, je durch eine so leere, so stille, so dunkle, so verlassene innenstadt gelaufen zu sein. wir waren erst bei der kundgebung am hostage square und weil ich lange auf j. warten musste, konnte ich mich reinsteigern in den gedanken, dass ich nach mehr als fünf monaten in eine situation zurückkomme, die sich nicht verändert hat und in der sich zugleich so viel verändert hat. dass wir immer noch hier herkommen müssen, dass sie immer noch nicht zurück sind, sagt jede von uns mehrmals. wir weinen viel in den kommenden fast 90 minuten. all die menschen sind in den mehr als 5 monaten woche für woche weiter erschienen. all die angehörigen und überlebenden sind in den mehr als 5 monaten woche für woche weiter erschienen. Keith und Aviva Sigel sprechen, Sharon Cunio spricht, Alma Or spricht. auch die kundgebung ist leiser. nicht nur weniger rufe und parolen, auch weniger gespräche. es ist auf eine merkwürdige weise auch hier trotz tausender menschen leerer, stiller, dunkler, verlassener. ich bin froh, zurück zu sein, ich bin froh weinen zu können. ich bin froh, wieder in der realität zu sein, die meinen gedanken den tatsächlichen raum gibt. ich bin froh, nicht mehr aufmerksamkeit für das thema durchsetzen zu müssen, ich bin froh, mich nicht mehr schuldig oder fremd fühlen zu müssen, weil ich schon wieder damit anfange und weil ich über nichts anderes reden will. irritiert denke ich immer wieder an den moment der ankunft, der kein wieder-da-sein war sondern eine bruchlose fortsetzung. es ist mir erst gestern aufgefallen, als j. und ich unser sosein des hierseins abgleichen. das weinen bleibt in meinem kopf, auch wenn wir bestes essen am dizengoff haben und auch wenn wir über alles andere sprechen, auch das gute. irgendwann werde ich kopfschmerzen bekommen. ich rauche ohne alkohol und es widert mich ein bisschen an. aber das gefühl, mich an etwas festhalten zu können, überwiegt. auch, weil ich mich nicht betrinken will. obwohl ich mich natürlich nur betrinken will.

vor einigen nächten bin ich unbeabsichtigt zur pinsker / allenby gelaufen. auch hier war es leer und still und dunkel und verlassen und die kulisse waren die ruinen der häuser nach den angriffen aus dem iran. es sind 800 meter luftlinie zu meiner jetzigen wohnung. als ich da stehe, erinnere ich mich, dass ich 2017 mal in einem der häuser gewohnt habe, allenby 38, ein schreckliches haus, spooky und eine schlimme zeit. es scheint nicht beschädigt worden zu sein. was merkwürdig ist, weil in der hauszeile sind wenigstens alle fenster rausgeflogen. auch das große, mehrstöckige haus gegenüber ist fensterlos, man kann teile der konstruktion sehen. der supermarkt ist geschlossen, die fenster mit platten versiegelt, alle bars, cafes, restaurants die es hier gab, sind zu. mir hat die kraft gefehlt, noch auf die andere seite der straße und in die pinsker st. zu gehen. da ist es noch schlimmer und ich muss es mir für ein anderes mal aufheben. und vielleicht an einem tag hingehen. mit licht und so. die gewalt der zerstörung und die sichtbarkeit der gewalt trifft mich überraschend unvorbereitet, obwohl ich vorher alles wusste. 43.000 wohnungen seien zerstört worden in diesen 12 tagen, sagt j., aber uns fällt nicht ein, wie viele menschen insgesamt starben, nur das es acht bei dem einen einschlag in Bat Yam waren. sie habe hinfahren wollen, sagt j., aber sie schafft es nicht.

das angebot der verkaufstische am hostage square hat sich wieder erweitert. ich erinnere mich an meinen entschluss, die dinge immer erst zu erwerben kurz vor dem abflug und halte mich daran. fürs erste, weil eigentlich, was ist der punkt. tahini kostet 21 shekel im supermarkt. im humusladen in der malan werde ich erfreut begrüsst. vorgestern nacht gab es alarm in tel aviv. ich habe ihn verschlafen.

709 tage.

20250910, aber über 20250909, aufgeschrieben online und am abend

die flugzeuge sind immer noch voll. es. gibt deutlich mehr polizei für uns auf dem flughafen. die passagier:innen sind irritierend still. aber irgendwie auch ruppiger, rücksichtsloser. ich traue mich nicht, mich bei dingen, die mich nerven, zu wehren. weil das erste was ich jeweils denke, immer ist, was der person alles widerfahren sein könnte. der weg entlang der bilder der geiseln bleibt lang. auch alles andere ist noch da: die installation, die porträts bei dem passeinlese-gerät. bei der passkontrolle stehe ich zum erst mal seit ende 2023 wieder mit zu vielen menschen an. es dauert ewig, nur zwei offene schalter. chaos. laut. anstrengend. alle werden intensiv befragt, und als ich dran bin mit all meinen geschichten im kopf fragt sie nur, was ich hier machen werde und ob ich schon oft da war. nicht mehr als 10 worte von mir und ich darf rein. wie immer bin ich irritiert. aber wie lange nicht muss ich kurz weinen, als ich in hagana den bahnhof verlasse. ein komisches gefühl von nach hause kommen und zu vielen emotionen. die ticketpreise sind auf 8 shekel gestiegen. was viel ist. es gibt mehr gelbe schleifen, mehr bringthemhome schilder. von einem der hochhäuser hängt ein riesiges transparent mit dem bild des misshandelten und verletzten Matan Angrest. die wohnung ist schön, der geruch ist vertraut, es ist warm und gibt ein bisschen wind. die idf hat die hamas führung in katar angegriffen. wir warten wieder einmal, was kommt. auch das ist ein vertrautes gefühl und das fällt mir erst auf, als ich das hier aufschreibe.

700ter october, mittags

seit tagen denke ich wieder darüber nach, wie viele neue jahrestage es gibt. heute sind es 700 tage, am kommenden sonntag 23 monate. wir denken aber weniger die wochen. vor 17 tagen war die erste yahrzeit der ermordung von Eden, Carmel, Ori, hersh, Alex und Almog, vor sechs tagen jährte es sich nach dem gregorianischer kalender. am 20. august war es ein jahr her, dass es der IDF gelang, die leichen von Alexander Dancyg, Haim Peri, Yoram Metzger, Avraham Munder, Nadav Poplwell und Yagev Buchstav nach israel zu bringen. wir erinnern weniger an geburtstage. seit tagen denke ich auch über die situation des permanenten wartens nach. jeden tag erwarte ich etwas. mir ist gerade merkwürdig bewusst, dass und welche anspannung in meinem körper ist. die ganze zeit. immer. heute morgen wurde bekannt, dass hamas ein neues video veröffentlich hat, in dem zwei geiseln zu sehen sind. eine wurde unmittelbar als Guy Gilboa-Dalal benannt. dann haben wir gewartet, wer die zweite ist. vor einer stunde wurde Alon Ohel benannt. nun warten wir, dass die familien die veröffentlichung von bildern oder des videos selbst gestatten. immer warten. heute ist es konkret. in den meisten tagen ist es unbestimmt. 700 tage. ich erinnere mich tag 500. und es ist einfach nicht zu verstehen, wie 200 tage vergangen sind / sein können. in meinen ordnern sammeln sich weiter / wieder die geschehnisse, die ich gern notieren würde. mir fehlt die kraft und ein bisschen mehr noch der mut. gestern nacht mit zwei freunden erst eine veranstaltung besucht, dann auf einem balkon geraucht. drei stunden geredet über nichts anderes. jmd. sagt zwischendurch, wie absurd das sei, dass wir gerade sicher sein können, mit menschen zu sein, denen es genauso geht wie einem selbst, aber dass das nicht dazu führt, dass man in schweigendem einverständnis andere dinge bespricht, sondern dazu, dass man redet über nichts anderes.

es sind noch 48 geiseln, vor einer woche konnte die IDF die leichen von Ilan Weiss und Idan Shtivi nach Israel bringen.

gerade kommt die nachricht, dass die familie von Guy Gilboa-Dalal die veröffentlichung eines ausschnittes des videos erlaubt hat.

20250816, aber in vielen tagen

nicht mehr in england. gestern nacht zurückgekommen. mich einsam gefühlt, sehr. plötzlich mit luft nehmender klarheit nicht gewusst, wohin mit all den gedanken, gefühlen, ereignissen, ängsten. keinen raum bei niemandem gesehen. und dann wie immer irgendwann dabei gedacht, wenn ich jetzt nicht mehr wäre, würde es einfach 24 stunden, zwei tage, vielleicht sogar eine woche, nicht auffallen. das ist nicht nur selbstzerstörerisch, das ist auch interessant. persönlich gesehen befinde ich mich mit einem schlag in einer neuen realität. seit zehn jahren antrainierte muster gelten nicht mehr. oder gelten anders. ich weiß nicht, was ich damit anfangen soll, wie neue rahmen setzen. und ob überhaupt. kann ich jetzt boxen lernen? will ich wieder anfangen, zu laufen? lohnt es sich, einen plan für nächsten mai zu machen? kann ich ein ticket für divine comedy kaufen?

in den tagen davor j. besucht, auf einer demo für die geiseln gewesen, viel gut gegessen, das v&a storehouse besucht, nicht genug london gesehen, überhaupt nicht genug gesehen. warm war es oft. m. kam besuchen. wie immer in solchen zeiten viel paralleles leben ausgedacht. schlecht geschlafen, viel merkwürdig geträumt. die autistinnen weitergelesen, zu viel wiedererkannt und damit zu viel unsicherheit und zu viel nachdenken ausgelöst, also noch mehr als sonst. permanent begleitet mit der frage, ob und weil ja wie sehr die anderen meine anwesenheit quält. mich nicht frei gefühlt. nicht gewusst, wo ich hinsoll und warum ich nie irgendwo hingehöre. der beste moment war der, als wir bei der demo ankamen und ich weinen musste, weil ich überwältigt war von der zahl und der art der menschen und dem gefühl, nicht allein zu sein. und als dann eine kleine ältere frau zu mir kam um zu fragen, ob ich okay bin und weil ich nicht anworten sondern nur noch ein bisschen mehr weinen konnte, sagte: wem dem hier? ich weiß genau, wie es dir geht.

seit dem 30. juli:

hamas bricht alle verhandlungen zur freilassung der geiseln ab. slovenia hat als erstes land in europa alle waffenexporte nach israel verboten. der jüdischen LGBTQ+ -gruppe Ga’ava wurde die teilnahme an der pride in montreal verweigert. Efrat Katz, die lebenspartnerin von Gadi Moses, die bei dem versuch der terroristen am 7.10. sie zu entführen, starb, konnte auf dem friedhof von Nir Oz begraben werden. die niederlande frieren immobilienvermögen von sara nethanjahu ein, vorwurf ist ihre direkte rolle bei der finanzierung des “genozids” ins gaza. die taz veröffentlicht ein interview mit dem hamas-sprecher walid kilani. einer delegation der IDF, die in auschwitz-birkenau am gedenkprogramm “zeugen in uniform” teilnehmen möchte, wird von der polizei der zugang verweigert, weil die soldat:innen israelische fahnen dabei haben. Liri Albag spricht/schreibt auf instagram über die schmerzen nach dem anblick der videos von Rom Braslevski und Evyatar David, über das gebrochensein, auch wenn sie nach außen stark aussieht. viele überlebende sprechen/schreiben darüber, was diese bilder mit ihnen machen. nichts hat sich geändert, nur die verzweiflung wird immer größer, schrieb s. mir heute. macron setzt die geiseln mit den palästinensischen häftlingen in israels gefängnissen gleich. in athen werden israelis verfolgt und an den fassaden wiederholt zur jagd auf israelis aufgerufen. der name “yahya” erfährt immer größere beliebtheit unter den eltern von neugeborenen in großbritannien. in leipzig nennen eltern ihren sohn “yahya sinwar”. das mahnmal zur erinnerung an die deportationen auf der putlitzbrücke in berlin-moabit wird beschädigt. jüdische passagier:innen eines iberia fluges von buenos aires nach madrid finden “free palestine” inschriften auf den verpackungen ihrer koscheren mahlzeiten. aiman mayzek, der zwischen 2010 und 2024 dem zentralrat der muslime in deutschland vorstand, postet ein bild mit einem stolperstein, dessen inschrift “gaza / genocide / 2025” ist. in der hessischen stadt homburg-gonzenheim wird ein 39jähriger rabbiner in einem supermarkt beleidigt und angegriffen. er war in begleitung seiner kinder. die internationale organisation der falkenbewegung schließt Hashomer Hatzair und HaNoar HaOved VeHaLomed aus. das rote kreuz hat sich nach der veröffentlichung der videos von Rom Braslevski und Evyatar David entschlossen, öffentlich besorgnis zu äußern und druck für eine versorgung der geiseln mit lebensmitteln und medikamenten auszuüben. bei einer demonstration für die freilassung der geiseln in israel, attakiert die polizei den vater von Guy Iluz. die spore initiative in berlin kündigt für das erste septemberwochenende ein “familienfest für gaza und seine kinder” an, eine dazu abgebildete landkarte zeigt in den grenzen israels / des westjordanlandes / gazas allein eine melone, damit die auslöschung israels. (bisher gab es keine proteste dagegen). Shir Sigal, die mit ihrer hochzeit so lange wartete, bis ihre eltern Keith und Aviva aus der gefangenschaft der hamas in gaza befreit sind, hat geheiratet. in montreal wird ein jüdischer mann, der in begleitung seiner kinder ist, auf offener straße körperlich angegriffen. die holocaust-überlebende Olga Weisberg aus rehovot stirbt an den verletzungen durch eine rakete aus dem iran. in einem vorort von paris wird ein jüdischer mann, der eine kippa trägt, mehrfach beleidigt und geschlagen. die ard interviewt meron mendel und vergleicht dabei die geplante aufnahme palästinensischer kinder in deutschland mit dem verstecken von anne frank, ohne das mendel wiederspricht oder dies kommentiert. frankreich hat aufgehört, arbeitsvisa für security-angestellte von elal zu verlängern. das bodenpersonal von bruessels airlines fordert, dass die verbindung nach israel nicht wieder wie geplant aufgenommen wird. der französische gepäckabfertigungsfirma alyzia erklärt den vollstädingigen boycott israelischer unternehmen. die fraktion der linken macht eine kleine anfrage zum rechtlichen rahmen und zur förderung des zentralrats der juden. die mutter und die schwester Bipin Joshi sind aus nepal zum ersten mal nach israel gekommen, um sich für seine freilassung einzusetzen. jüdische LTBGQ+ gruppen dürfen doch an der pride in montreal teilnehmen, werden aber beschimpft und angriffen und mit ballons beworfen, die mit urin befüllt sind. die linke neukölln veranstaltet gemeinsam mit pro-pälestina-gruppen ein soli-fest. das filmfest in toronto unterbindet die vorführung der dokumentation the road between us. the ultimate rescue, weil die produzenten keine urheberrechtserklärungen für die videos der hamas vorweisen können (kein scherz!). in griechenland begleiten pro-palestine-aktivist:innen weiterhin mit protesten die route des israelischen kreuzfahrtschiffes crown iris. in guatemala-stadt sprühten pro-palästinensische aktivist:innen “Gaza Viva” an die wände des holocaust-museums und verklebten zudem rund achtzehn plakate. Meny Godard, dessen leiche nach wie vor noch in der gewalt der palästinenser ist, wäre vorgestern 75 ahre alt geworden. frankreich, großbritannien, kanada stellen die anerkennung palästinas in aussicht. friedrich merz stoppt waffenlieferungen nach israel. in venedig wird ein jüdisches paar angegriffen. unter anderem lassen sie einen hund auf den mann los, dessen handy verhindert, dass er direkt gebissen wird. seine frau ist schwanger. Jimmy Pacheco von den philipinen, der die geiselnahme durch die hamas überlebte, wurde vater. die tochter bekam den namen Israela. 47 tourist:innen sitzen in bosnien fest, weil hotelangestellte ihre pässe weggeschmissen haben. jemand schrieb mir, dass er einem pro-palestine-jugendlichen ein free gaza from hamas gegen ein free israel von bibi entlockt habe, so als wäre das ganze ein fucking null-summen-spiel.

671ter oktober, nachts

heute auf dem boden eines schönen hauses in st. albans gelegen und geweint. geweint geweint geweint. jemand hat mich vor ein paar tagen gefragt, warum ich keine bilder mache und schicke, und da ist mir aufgefallen, dass ich das nicht kann, nicht will, und überhaupt, mir diese idee bisher gar nicht gekommen ist. der schmerz ist so groß, die angst ist so groß, die verzweiflung ist so groß. ich kann gar nicht mehr denken in all dem. ich sehe meine umgebung, die schöne stadt, den park, die häuser, das wembley stadion, aber es bedeutet nichts. es ist weit weg und nah und nichts davon löst tatsächlich etwas aus. die videos begleiten mich. der schmerz begleitet mich. die angst begleitet mich. die verzweiflung begleitet mich. und neben dem schreien von Tal Kuperstein hat sich jetzt das weinen von Rom Braslavski in meinem körper eingegraben. da wo schon so viele momente sind, wo die erinnerung an den morgen ist, als wir erfahren haben, dass Carmel Gat, Eden Yerushalmi, Hersh Goldberg-Polin, Alexander Lobanov, Almog Sarusi und Ori Danino ermordet wurden und an den morgen, als die Särge von Ariel, Kfir und Shiri Bibas an mir vorbeifuhren und an den augenblick, als e. und ich im fernsehen zum ersten mal Ohad Ben Ami, Or Levy und Eli Scharabi sehen konnten, da wo die traurigkeit von Arbel Yehud wohnt, wo immer die gesichter von Hanan Yablonka, Keith Siegel, Gali und Ziv Berman, Inbar Haiman, Iair und Eitan Horn, Matan Angrest zu finden sind, das haus von Itzhak Elgarat, wo der schrecken des tages selbst sich festgesetzt hat. und jetzt schreibe ich das, und ich dachte, ich schreibe nur was, aber jetzt ist es alles so viel, dass ich dem nicht gerecht werden kann. es sind so viele menschen, so viele geschichten, so viele erinnerungen, so viele schmerzen, ängste, verzweiflungen. und das schreien von Tal Kuperstein und das weinen von Rom Braslavski.

wir sind so allein. ich bin so allein. auch davon gibt es immer neue varianten. nur zwei menschen haben sich nach den videos von Evyatar David und Rom Braslavski gemeldet, um zu sagen, dass sie wissen, dass es mir schlecht geht. nur zwei. es gibt nicht einmal mehr einen raum ausserhalb des eigenen, darüber zu sprechen, darüber zu weinen, angst zu haben, schmerzen, verzweifelt zu sein, nicht denken zu können.

671 tage und ich kann nicht aufhören zu wissen, wie nahe wir der 700 schon sind.

20250717, und viele tage und nächte davor

sonntag abend ein gespräch mit Dalia Cusnir gesehen, der schwägerin von Iair und Eitan Horn. sie berichtet von den bedingungen und dingen, die Iair erzählte und sagt auf die frage, was man denn tun könne, dass man jedes gespräch, das man hat, mit hinweisen auf die geiseln beginnen soll. dass man alles tun muss, damit sie nicht in vergessenheit geraten. und weil ich versuche, das sowieso schon so oft es geht zu machen und in den tagen davor wieder mal gemerkt habe, wie ich andere damit anstrenge, überfordere, nerve, langweile, habe ich plötzlich so viel erleichterung, weil ich mich für einen moment nicht alleine fühle, dass ich weine. weine weine weine, wie seit einer weile nicht mehr. und merke, dass ich das weinen vergessen habe. und dass seit wochen eine neue art von lähmung herrscht und sowieso mein atem immer zu flach geht. am freitag abend bin ich auf einer party und es ist schön, aber alles ist mir zu viel, zu laut, zu fröhlich, zu anwesend und ich muss gehen. am tag/in der nacht davor wurde klar, dass es vorerst keinen deal geben wird, die forderungen von hamas waren teilweise absurd, aber insgesamt ist es nicht gut zu sagen. war es schon immer schwierig, den verhandlungen in verlauf und outcome zu folgen, ist es jetzt wie ein knäuel. vielleicht einfach auch, weil so viel anderes passiert, dieser krieg immer schlimmer wird, die bilder und berichte von hungernden menschen alles fluten. und ich merke, wie ich rahmen verliere. wie ich weiß, dass viele der bilder und berichte fake sind und propaganda und wie ich merke, dass es niemanden mehr zu stören scheint, wie selbst menschen, die aufgeklärt sind, verstand haben, deren job das denken und analysieren ist, keine kritischen annäherungen und reflexionen mehr unternehmen, sie auch nur noch in schlagworten reagieren. alle, wirklich alle barrieren scheinen gebrochen und alle, wirklich alle gelegenheiten werden genutzt, dem eigenen antisemitismus freien lauf zu lassen. was für eine befreiung sie spüren, in was für einem high sie sein müssen. und das alles macht, dass ich mit misstrauen beschäftigt bin. mit dem gefühl, dass meine, unsere räume immer enger werden. noch enger als ich es mir vor monaten schon vorgestellt habe. ausgeliefert sein, weggeschwemmt werden. seit tagen kann ich nicht schreiben, weil all die dinge, die sich sammeln und die dinge sind antisemitische vorfälle, aufgeschrieben werden sollten und ich habe keine kraft, sie aufgereiht zu sehen, geschweige denn, ihnen nach zu recherchieren, um sie aufschreibbar zu machen. es gibt riesige riesige demos in tlv für die freilassung aller geiseln und für ein ende des krieges und es gibt kleinere proteste für die zivilbevölkerung in gaza. überlebende geben lange interviews: Emily Damari spricht unter anderem über folter, das verschleiern ihrer identität und den käfig, in den sie mit anderen gesperrt wurde. or levy spricht unter anderem davon, wie er versucht, seinem sohn seine abwesenheit zu erklären und den tod seiner mutter. ich merke, dass es überlebende und geiseln und bilder gibt, die mich einfach nicht loslassen; Iair Horn ist so jemand, Keith Siegel, Doron Steinbrecher, die Cunio-Brüder, Bar Kuperstein. aber wenn ich das aufschreibe, weiß ich, dass es nicht stimmt, weil nach und die anderen namen und andere bilder folgen und ich habe unrecht mit meiner selbst-beobachtung. deren anfang nur war, dass Iair Horn in seinem schmerz immer wieder etwas in mir aufreisst.

gestern auf dem weg zur massage in die queer for palestine variante des csd geraten und einen panischen fast-anfall bekommen. angst gehabt. nicht so sehr, dass (mir) etwas passiert, aber weil ich allein war in all diesem offensichtlichen irrsinn, diesem hass, der sich bunt und offen und alternativ gibt und räume besetzt und menschen angst macht. also mindestens mir. und vor allem weil ich darauf nicht vorbereitet war. tausende menschen. junge menschen. aus so vielen ländern. die gefeiert haben. gefeiert haben und hass gehabt haben. anschließend überlegt, ob ich bei nazi-demos früher auch so viel angst und entsetzen hatte. aber irgendwie war ich damals einfach jünger und im unterschied muss ich jetzt immer noch lernen, dass ich mit diesen menschen mit sicherheit auch nichts zu tun habe. bei nazis war das klarer. alles.

jemand fragt mich, ob die zwei-staaten-lösungen denn jetzt nicht mehr möglich sei und ich habe einige momente zu lang gebraucht um zu verstehen, dass die person keinen scherz macht. 

in köln gewesen, in frankfurt gewesen, in mainz gewesen. zum ersten mal seit sehr langem migräne gehabt, derart, die einen fenstersprung als attraktive alternative erscheinen lässt. mich problemlos an stete kommunikation mit s. gewöhnt. a. zeigt seinen film erst in jerusalem, jetzt auf einem filmfest in polen und ich überlege, ob es albern ist, dass mich das froh macht. sehr. vor ein paar nächten geträumt, dass er unbedingt zur IDF gehen will und das einzige, worüber ich mich wunderte, war, warum erst jetzt und worüber ich mich nach dem aufwachen wundere, ist, was für komische dinge in was für merkwürdigen momenten auftauchen. lila erzählt mir (noch einmal), dass sie ihre haare erst schneiden kann/wird, wenn die geiseln frei sind und die darauffolgenden tage versuche ich menschen zu erklären, dass wir alle solche dinge haben, die wir nicht oder die wir erst wieder tun können, wenn die geiseln alle zu hause sind. bei mir sind es avatare in meinen sozialen medien, die aufkleber auf meinem macbook und der bildschirm meines iphones.

das land das ich dir zeigen will ausgelesen und die sprache gemocht. das mäandern der dinge und situationen, das beschreiben, das daraus entsteht, aber manchmal das gefühl nicht losgeworden, dass die idee auch ist, alles ein- und unterzubringen oder vielleicht auch nur nicht gewusst, ob ich in einem klischee lebe, ohne es zu merken. Anschließend schutzraum. seit dem 7. oktober gelesen, sehr kurze geschichten, sehrsehr intensive geschichten. und gedacht, wie krass es ist, dass sie obwohl nach dem 7. oktober geschrieben, wie aus einer anderen zeit sind. einer, der man den schrecken und eine verzweiflung, oder einen anderen schrecken und eine andere verzweiflung noch auf eine andere weise anmerkt, als die realitäten, in denen wir jetzt sind. hätte ich energie, würde ich das vielleicht mal aufschlüsseln. naja.

Avera Mengistu kann nach fünf monaten das krankenhaus verlassen, Romi Gonan kann das krankenhaus verlassen. Nimrod Cohen ist 21 jahre alt geworden. er ist nach wie vor in gefangenschaft der hamas. die IDF konnte muhammad nasser ali kanita elimienieren, der sich an den massakern des 7. oktober beteiligt hatte und Emily Damari in der ersten zeit ihrer geiselnahme in seinem haus gefangen hielt. der von hamas 2014 entführte und ermordete Hadar Goldin ist nun seit mehr als 4.000 tagen in ihrer gewalt. Leah Mosquera ist den verletzungen erlegen, die sie während der raketenangriffe aus dem iran erlitt. Sapir Cohen und Sasha Trufanov haben sich verlobt. anfang juli veröffentlicht das Dinah-projekt seinen bericht zu den von palästinensern begangenen sexualverbrechen an frauen und mädchen auf dem nova-festivalgelände, auf den landstraßen im süden israels, in einer kaserne und in den kibbuzim. die taten wurden systematisch begannen, sexuelle gewalt als kriegswaffe eingesetzt. neu ist vor allem das ausmaß der verbrechen. enthalten sind auch berichte ehemaliger geiseln aus ihrer zeit in gaza. anfang juli nahm sich der 24jährige Daniel Edri aus safed das leben, weil er mit der gewalt und der erinnerung an die toten des 7. oktobers nicht leben konnte. er war einer der ersten, der das nova-gelände nach dem massaker erreichte und fand unter den toten unter anderem zwei seiner schulfreunde. nur etwas mehr als zwei wochen später starb der 19jährige Dan Mandel Philipson fünf tage nach einem selbstmordversuch. er war aus norwegen nach israel gekommen, um als lone soldier in der IDF zu dienen. es ist der vierte selbstmord eines soldaten in zwei wochen. 2024 waren es insgesamt 21. der dänische onlinehändler netwalker13 hat eine kollektion mit tshirts, hoodies und sweatshirts auf den markt gebracht, die slogans wie „zionists are not welcome here“ und roten dreiecken oder bildern des hamas-sprecher abu obaida tragen. vermarktet werden sie unter dem motto „global intifada“. mitte juli wird das erst kurz zuvor eröffnete koschere restaurant „king david burger“ in athen angegriffen. sechs personen stürmten gegen 22 uhr hinein, verwüsteten die einrichtung, sprühten anti-israelische graffiti und bewerfen die gäste mit antisemitischen flyern. ebenfalls in athen, am strand, beist ein mann einem israelischen touristen ein teil seines ohrs. der angreifer rief zuvor „free palestine, fuck israel, I am hamas“. das tomorrowland musik festival cancelte einen auftritt des israelischen dj Skazi, aus sicherheitsgründen, heißt es und massive drohungen propalestinensischer aktivist:innen gab es. in der vorangegangenen woche fand noch ein auftritt des israelischen trance-duo Vini Vici statt, bei dem im publikum viele israelische fahnen geschwenkt wurden. anschließend nahm die polizei allerdings zwei touristen fest, die als soldaten der IDF im gaza gewesen sein sollen. einer von ihnen sagte später aus, geschlagen worden zu sein. vorausgegangen war eine beschwerde der hind rajab foundation (HRF) und der britischen ngo global legal action network (GLAN). erstere war von dem hisbollah-nahen aktivisten dyab abou jahjah gegründet worden und hat das ziel, weltweit israelische soldat:innen anzuzeigen und zu verfolgen. der dyke marsch in berlin untersagt davidsterne. der neue leiter des kinos bio in carouge/genf, alfio di guardo, sagt für nächstes jahr das jüdische filmfestival ab. in davos bespuckt ein mann mehrere jüdische feriengäste. auf der griechischen insel syros verhindern demonstrant:innen – die zahlenangaben schwanken zwischen 150 und 300 – dass das kreuzfahrtschiff crown iris anlegen kann. an bord befinden sich israelischen tourist:innen und es wird von der israelischen reederei mano cruise betrieben. die crew muss anschließend ein anderes ziel ansteuern. rd. 50 jüdische kinder und jugendliche aus frankreich, zwischen zehn und 15 jahre alt, mussten ein flugzeug in valencia wieder verlassen, mit dem sie nach paris reisen wollten. die fluggesellschaft vueling warf ihnen vor, sie würden durch ihr verhalten die sicherheit gefährden. andere passagier:innen sagten später aus, die gruppe habe ein lied auf hebräisch gesungen. eine 21jährige betreuerin wurde auf den boden geworfen und festgenommen. später stellte sich heraus, dass ein mitglied der crew zwei der terroristen des 11. september ausgebildet hatte. um später in ein anderes flugzeug einsteigen zu können, sollten einige der kinder ihre jüdische symbole entfernen. israelische teenager werden während ihres urlaubs auf rhodos attackiert: als sie sich in den frühen morgenstunden im club „hakuna matata“ befinden, versammeln sich vor dem eingang antiisraelische demonstrant:innen. beim verlassen des gebäudes haben diese sie dann zunächst beschimpfen und dann verfolgen. einige von ihnen tragen messer. die jugendlichen versuchen sich zu verstecken, aber mindestens einer von ihnen wird von den angreifern getreten. beim größten queer electronic musik festival in deutschland, dem whole festival in ferropolis, heißt es unter anderem auf plakaten “intifada is queer”, offenbar ohne das veranstalter:innen ein problem darin sehen. macklemore darf beim deichbrand festival auftreten, er sagt, was man erwarten konnte, vor einem publikum, das genau das hören wollte und es ist auch hier letztlich allen egal. zuvor hatte meron mendel dem ganzen noch seinen segen gegeben und sich gegen eine absage ausgesprochen. kneecap, massive attack und andere antisemitische bands haben eine organisation gegründet, um sich gegen eine “zensur” zu wehren, die sie erfahren und um sich gegenseitig besser unterstützen zu können. in schweden findet eine demonstration statt, bei der hängende skelette mit kz-uniformen und dem banner “a genocide is a genocide” gezeigt werden. eine gruppe von 18jährigen israelis wird in lloret de mar zweimal angegriffen: zunächst beschimpfen und bedrohen die täter zwei der jugendlichen auf den toiletten eines nachtclubs, in der darauffolgenden nacht jagen die gleichen männer sie mit stöcken durch die straßen bis zum hotel. durch die belgische region flandern dürfen keine militärischen güter mehr transportiert werden, wenn sie für israel bestimmt sind und wenn nicht gewährleistet ist, dass sie nur zur zivilen nutzung sind. in berlin müssen die betreiber:innen des restaurants Gila und Nancy ihre geplante eröffnung am gendarmenmarkt absagen, da sie von pro-palästina aktivist:innen belästigt und bedroht werden. in münchen ziehen an einem samstag rund 750 pro-palästinensische demonstrant:innen in unmittelbarer nähe der synagoge vorbei. in der synagoge in herford können wieder gottesdienste stattfinden. in dokla, polen, werden die ruine der synagoge, die reste eines jüdischen friedhofs und ein holocaust-gedenkstein mit nazi- und mit pro-palästina-graffiti beschmiert. ein pro-palästina-camp an der uni in hannover fordert unter anderem die aussetzung aller kooperationen mit israelischen forschungseinrichtungen und setzen dabei israel in ihren schreiben immer mal wieder in anführungszeichen. an der freien universität in berlin kann eine veranstaltung zur frage “wie wir die intifada globalisieren” stattfinden. eine umfrage in den usa ergab, das ein viertel der befragten die aktuellen angriffe auf juden und jüdinnen “understandable” findet. laut einer umfrage in israel sind 74 prozent der bevölkerung der meinung, das alle geiseln in einem deal zurückkommen sollen und dafür der krieg in gaza gestoppt werden soll. anfang juli bricht ein mann in paris in mehrere häuser ein und zerstörte unter anderem gewaltsam die mesusas an den türen. in berlin beschmieren zwei palästina-aktivist:innen eine wand des bundeskanzleramts mit roter farbe. luxemburgs ehemaliger außenminister jean asselborn kann im interview mit tilo jung die verschwörungserzählung einbringen, dass israel die regierungen anderer länder kaufe. der israelische cellisten Amit Peled veröffentlicht einen beitrag in den sozialen medien, in dem er berichtet, dass ein kellner in einem restaurant in wien sich geweigerte hat, ihn und zwei andere israelische musiker zu bedienen, nachdem er gehört hatte, dass sie hebräisch sprechen. die anderen gäste hätten dies zwar beobachtet, aber niemand habe ihnen geholfen. alle aßen schweigend weiter.

england hat heute abend die europameisterschaft gewonnen.

es sind 660 tage.

20250706, sehr viel abends

ich sah gerade ein live-video-interview mit Viki Cohen, der Mutter von Nimrod Cohen, der nach wie vor in gewalt der hamas in gaza ist. es gibt seit ein paar tagen einen neuen vorschlag für einen deal, mit dem zehn lebende und 18 tote geiseln zurück kommen könnten, erst heißt es, dass hamas dem postiv gegenübersteht, dann, dass ihre forderungen zu änderungen nicht umsetzbar seien und jetzt, dass ein deal morgen verkündet werden könne. die familien sagen, alle müssen sofort raus und sie haben recht, es sollte keine weiteren unterschiede gemacht, niemand mehr zurückgelassen werden. aber darum scheint es in den verhandlungen gar nicht zu gehen, es ist bestenfalls eine positionierung, die den familien zugestanden wird. vor ein paar tagen sagte jemand zu mir am telefon, warum man denn nicht zuerst dafür sorgt, dass die noch lebenden rauskommen, die anderen seien ja schon tot und ich habe völlig die fassung verloren, in einer weise und mit einer heftigkeit, die mich noch stundenlang beschäftigen wird.

ich lese ‚das land das ich dir zeigen will‘ und es ist ein wunderbares buch (bisher), auch wenn ich noch nicht so richtig weiß, worum es gehen soll. aber es ist wie nach hause kommen (bisher) ab s. 42 gibt es eine lange passage zur central bus station und sie ist zum einen so, wie man eben über den ort schreibt (und dafür nicht dagewesen sein müsste) und zum anderen denke ich, wie man aus den darstellungen ablesen kann, wann sie da war und ich gleiche alle orte, über die sie schreibt, in meinem kopf mit erinnerungen ab und dann habe ich jedes mal heimweh. ed. schickt mir ein bild, dass sie das zimmer mit mir getauscht hat.

nach dresden gefahren. von dresden nach chemnitz gefahren. als der zug in tharandt hält, erinnere ich mich daran, dass ich mal einen freund hatte, der manisch depressiv war und immer mal nach tharandt ging, wenn es besonders schlimm wurde. der hat mir mein hochbett gebaut, weil er war zimmermann und ein guter typ und ein bisschen war es eine zeit, in der ziemliche viele menschen gute dinge für mich getan haben. jedenfalls ein sehr schönes, sehr massives bett, aus phantastischem holz. das hat er geklaut, am helllichten tag, von einem holzlagerplatz mitten in der stadt. das hat mich sehr beeindruckt und nur wenig nervös gemacht, aber ich habe ihn gefragt, ob das eine gute idee ist und er hat geantwortet, was soll passieren, wenn jemand kommt, würde er sagen, dass er manisch ist. und dann hat er das bett gebaut, zwei tage und eine nacht und wollte kein geld. orte und erinnerung. wie komisch das manchmal ist.

gefühlt ein date gehabt. bis morgens um halb 5 auf einer straße gesessen und wein getrunken und geraucht und gelacht und geredet. und die sonne fing an aufzugehen und es war stundenlang kein mensch außer uns zu sehen. ein paar stunden später bekomme ich eine nachricht und ich denke daran, dass lj. mal sagte, dass man am nächsten tag eine nachricht bekommt, wenn er interessiert ist. und ich weiß nicht, ob wir immer noch in dem alter und einer welt sind, in denen wir uns solche regeln bauen, aber in seiner nachricht stand, dass es für ihn die schönste und intensivste nacht seit langem war.

die synagoge in herford scheint immer noch geschlossen zu sein. das erste mal habe ich es vor 17 tagen gelesen. jetzt berichten zwar einige medien mehr darüber, aber immer noch auf die gleiche weise, nämlich die, als wäre es gerade entschieden worden. offenbar kam bisher niemand von diesen journalist:innen darauf, mal die polizei zu befragen, oder den bürgermeister, politiker:innen oder erinnerungskulturell-engagierten, die immer stolz und selbstüberzeugt davon sprechen, dass diese gebäude auf den willen zu bleiben verweisen.

das roskilde festival gibt seine orange donation, also seinen gewinn, dieses jahr an das rote kreuz, das damit nothilfemaßnahmen der palestinian red crescent society in gaza finanziert. auf dem festival spielten fontaines d.c. die sich mit kneecap und bob vylan solidarisierten, fahnen mitgebracht hatten, ihren namen in rot, weiß, grün leuchten liessen, parolen gröhlten und gegen ende ihres auftritts palästinensische “aktivist:innen” auf die bühne holten. damit haben sie aus ihrem konzert eine pro-palästina-demo gemacht, lese ich immer wieder. niemand kritisiert es. alle schreiben zwar über die auftritte und slogans, die als besonders radikal oder taboo-brechend wahrgenommen werden, aber niemand scheint ein problem damit zu haben, dass diese leute zu diesen veranstaltungen eingeladen werden und damit riesige bühnen – im wortsinn – für ihren israelfeindlichen, antisemitischen dreck bekommen. und mediale aufmerksamkeit kriegen dann sowieso nur eine handvoll bands und äußerungen, und ich wage mal den verdacht, dass sie nicht die einzigen sind. eingeladen in roskilde war zum beispiel saint levant, der eine rede dazu hielt, dass es einen genocide gäbe und er dankbar und erfreut sei, dass sich die menschen global nun auf die richtige seite der geschichte stellen mit ihrer unterstützung für palästina.

das ehepaar nethanjahu war vor einigen tagen in nir oz. getroffen haben sie unter anderem Einav Zangauker. und umarmt. andere protestieren; Rauma Kedem zum beispiel, deren tochter, schwiegersohn und vier enkelkinder am 7. oktober ermordet wurden. oder Danny Elgart, dessen bruder Itzik in geiselhaft ermordet wurde und der vor einigen tagen seinen 70. geburtstag gehabt hätte. Guy Iluz wäre heute 28 jahre alt geworden. er erlag vermutlich in einem krankenhaus in gaza den wunden, die ihm terroristen am 7. oktober zugefügt hatten und die dann nicht versorgt wurden. seine familie und freund:innen hatten bis dezember 2023 noch gehofft, er würde leben. hamas hat seine leiche nach wie vor nicht an israel übergeben. die familien von Maxim Herkin und Bar Kuperstein haben den medien erlaubt, eine kurze sequenz aus einem video zu zeigen, das hamas im april veröffentlicht hatte. kan 11 hat den film ’52 Days’ gezeigt, in dem Renana Gome Yaakov und ihre beiden söhne Yagil und Or über die ereignisse des 7. okobers in nir oz sprechen, die beiden jungs, damals zwölf und 16 Jahre alt, berichten von ihren erfahrungen als geiseln in gaza, Renana von ihren ängsten und ihrem kampf für die freilassung. gezeigt werden videos und fotografien, die die terroristen machten, gesprochen wird von den mißhandlungen, denen beide ausgesetzt waren. Ohad Ben Ami berichtet in der knesset über seine gefangenschaft in gaza und unter anderem darüber, dass terroristen sechs der geiseln zwingen wollten, zu entscheiden, welche drei von ihnen erschossen werden sollen.

der iron dome soll 86 prozent der raketen aus dem iran abgefangen haben.

den ersten preis des press-cartoon-belgium-wettbewerbs gewann in diesem jahr gérard alsteens mit der zeichnung einer landkarte von israel. die umrisse des eingangstores von auschwitz-birkenau sind auf die des gazastreifens gelegt. die italienische supermarktkette chain hat ihre entscheidung, israelische lebensmitte zu boycottieren, zurückgenommen. die international sociological association hat die israeli sociological association suspendiert. in melbourne steckt am freitag, gegen 20 uhr ortszeit, ein mann eine synagoge in brand, in der sich zu diesem zeitpunkt 20 menschen, unter ihnen kinder, befinden. kurz danach stürmen 20 markierte ein israelisches restaurant in der stadt, zerstören fenster und inventar, bedrohen gäste und rufen unter anderem “death to the idf”. und in der mitte der nacht werden drei autos angezündet und die wände eines nebenliegenden geschäftes beschmiert, das bereits wiederholt ziel pro-palästinensischer angriffe war. reels bei facebook spült mir vor ein paar tagen ein bescheuertes video von wayne carpendale in die timeline, in dem er einen bescheuerten und misogynen dialog mit sich selbst führt und als eine der beiden figuren hat er ein pali-tuch um seinen kopf geschlungen. das ganze hatte inhaltlich nichts mit gaza, israel oder palästina zu tun. statement als symbolisches bild. oder was weiß ich.alles normal. macht man jetzt halt so. the underground youth legen das shirt “what kind of dystopian hellhole is this” wieder auf, um gelder für doctors without borders zu sammeln. sie sagen es nicht explizit, aber ich würde mich doch sehr wundern, wenn es nicht vor dem hintergrund der äußerungen der organisation zur situation in gaza und zur förderung ihrer dortigen arbeit ist. “we will dance again” hat einen emmy als beste dokumentation gewonnen.

gestern hat england gegen frankreich verloren. es ist nahezu unmöglich, einen ort zu finden, an dem wir gucken können. entweder es wird gar nicht angeboten, oder, wie gestern, er ist frequentiert von palituch-hipstern. als ich freitagabend die hermannstraße entlanggehe, komme ich an einem fest der linken vorbei, der zaun ist mit palästinafahnen geschmückt. einen tag später, mittags, sitze ich in einem nebenliegenden cafe. irgendwann kommt eine gruppe an, sehr erwachsene menschen, die offensichtlich eine exkursion machen, wissenschaftler:innen vielleicht oder so. mindestens die hälfte von ihnen trägt einen button, der eine palästinafahne ist, das rote dreieck wird als blutstropfen verlängert. in meinen straßen gibt es immer mehr fahnen von balkonen und aus fenstern. es hat noch einmal zugenommen. deutlich. eine andere beklemmung stellt sich ein. das gefühl, das räume immer kleiner werden, enger. es erinnert mich an cottbus. aber es ist irgendwie anders. theoretisch müsste es weniger anspannung sein, weil ich als person nicht bedroht bin, weil man mir jetzt im unterschied zu damals nichts ansieht. aber merkwürdigerweise empfinde ich es als beängstigender, fühle mich auf eine weirde art bedrohter, eingeschlossener. und irgendwie komme ich nicht darauf, dieses gefühl zu beschreiben mit vernüftigen nachvollziehbaren gedanken. vielleicht weil irgendwas nur wabbert. nicht fassbar ist. vielleicht weil es so viele facetten hat. gewalttätige und so viele kleine, die präsenzen schaffen und den raum gestalten. vielleicht weil es optisch und in der szene sehr oft die menschen sind, denen früher meine solidarität gehörte, mit denen ich mein leben verbrachte, die meinen rahmen gebildet haben, meine sicherheit waren. in leipzig wird ein mann mit einem messer angegriffen, der eine kleine israel-fahne an seinem rucksack hat. ich traue mich nicht, ein neues und schönstes kleid anzuziehen, bei dem man mein hebräisch geschriebenes tattoo sehen würde. in dem cafe kommt eine junge frau zu meinem tisch, um mir zu sagen, dass sie bei der buchvorstellung war und sich bedanken will, weil es so schön war und sie zum ersten mal wieder ein bisschen hoffnung hatte. oasis haben ihre ersten konzerte gespielt. ich habe geguckt, was tickets auf dem freien markt kosten.