nach zu viel alkohohl und in sehr später nacht sage ich, dass ich angst habe, mich nicht nochmal zu verlieben. und mein gegenüber antwortet, dass dies vielleicht ja auch besser sei. so reaktionen von menschen in halbwegs guten und liebevollen beziehungen sind mir die liebsten und ich frage mich, warum mir diese möglichkeit so schnell und leichthin, dabei rundheraus abgesprochen wird und warum es dabei nicht mal den kleinsten raum für mich gibt, die gedanken (und ängste) dazu zu entfalten. wie hart mich das trifft merke ich am nächsten tag, an dem ich nicht nur deshalb, aber auch deshalb, das bett nicht verlassen kann und irgendwann ernsthaft energie dafür aufwende, sicheres selbsttöten zu googlen.
ich koste mich viel energie gerade. vielleicht ein vorteil, dass ich viel zeit zum schlafen habe.
wir gehen auf kundgebungen und auf veranstaltungen, wir reden und wir trinken, wir denken über bündnisse nach. manchmal zeigt sich, dass auch wir unterschiedliche dinge wollen. weil auch wir von unterschiedlichen orten kommen. ich merke wieder, wer ich mal war und dass ich es, oder etwas ähnliches, wieder sein könnte. und ich weiß nicht, ob ich das will. ich stelle fest, dass mein früheres netz erstaunlich stabil ist und das ich zurückgehen kann als wäre nie etwas nicht gewesen.
jemand beschwert sich in einer nachricht, dass ich mich nicht zurückmelde und fragt ob ich “entführt worden” bin. und ich kann nicht fassen, dass jemand das für witzig hält. übrhaupt denke ich wieder viel über realitäten nach, nachdem ich vor einigen tagen in einem podcast rachel goldberg-polin über jüdischsein und die verpflichtung, die geiseln um jeden preis zurückzuholen, sprechen hörte und in tränen ausgebrochen bin. und das nicht auf die süße art, sondern auf die brutale, bei der der körper so crasht.
auf das hausprojekt in der scharnweberstraße 38 wurden zwei anschläge verübt. an seiner fassade steht seit vielen jahren “gegen jeden antisemitismus”. auf dem klo im nathanja lese ich in großbuchstaben “free palastine”. als ich höre, dass der besitzer der lieblingsbar ein problem mit all dem antisemitischen sosein in neukölln hat weine ich vor erleichterung. in montreal und in toronto werden schüsse auf jüdische schulen abgefeuert, in bucharest fliegt ein molotovcocktail auf die israelische botschaft. in paris marschieren an einem tag mehr als 10.000 menschen gegen israel, in nyc steht eine frau neben der “israel day parade” und zeigt auf ihren telefon den satz “they are not coming home”. angeführt wurde diese demonstration von familienangehörigen der geiseln. in berlin gibt es mehrfach pro-palästinensische demonstration mit mehreren tausend menschen. immer wieder kommt es zu ausschreitungen am hermannplatz und in der sonnenallee. am samstag ging eine solche demo an der synagoge brunnenstraße vorbei. auf der gegenkundgebung waren 15 menschen. ein paar mehr aber auch nicht so richtig viele kamen am sonntag um für die freilassung der geiseln zu protestieren. es gab immer wieder anfeinungen auf der kleinen runde zwischen bebelplatz und neptunbrunnen. die regierung der malediven ändert ihre gesetze, um zukünftig israelischen staatsbürger:innen die einreise verbieten zu können. bereits ab dezember hatte es für sie eine reisewarnung des israelischen außenministeriums gegeben.
heute morgen wurde bekannt gegeben, dass Dolev Yehud bereits am 7. oktober im Kibbuz Nir Oz ermordet wurde, forensiker:innen konnten seine DNA aus verbrannten überresten identifizieren. bis jetzt war man davon ausgegangen, dass palästinenser ihn nach gaza entführt hatten und damit natürlich auch davon, dass er noch lebt. er hinterlässt eine frau und vier kinder, das jüngste war einige tage nach dem 7.oktober geboren worden. Dolevs schwester Arbel wird nachwievor von hamas-angehörigen gefangengehalten. ich sehe das bild eines lächelnden jungen mannes, der auf diese selbstverständliche art schön ist. und ich will ihn gern umarmen und sagen, dass alles okay ist. ich will nie jemanden umarmen und schon gar nie will ich sagen, dass alles okay ist. aber hier und jetzt will ich es. irgendetwas macht dieses verdammte bild und diese verdammte geschichte mit mir.
und weil ich ewig brauche, einen eintrag wie diesenn fertig zu bekommen, sind mit dem verlauf der zeit vier weitere geiseln für tot erklärt worden: Chaim Peri, 79, Amiram Cooper, 84, Yoram Metzger, 80, und Nadav Popplewell, 51. sie sollen bereits vor mehreren monaten gestorben sein, in oder bei khan younis, die umstände sind noch unklar, aber vermutlich waren sie zusammen. die drei älteren wären unter denen gewesen, die in einer ersten phase eines möglichen deals, dessen bedingungen gerade verhandelt werden, freigelassen worden.
der schmerz hört nicht auf. jeden tag hat er eine neue variante.
241 tage.