20240517, mittags

es ist als würde man/ich die ganze zeit auf etwas warten. dabei passiert die ganze zeit etwas, kein ereignis ist mehr ein einzelnes, alles nur teil eine sich anstauenden abfolge und die einschläge folgen immer schneller aufeinander. vielleicht warten darauf, dass es noch schlimmer wird. jeden abend scrolle ich durch instagram und mache stories aus nachrichten zu den geiseln, jeden morgen starre ich auf die zahl der alarme. heute waren es 39 und auch in naharija. überhaupt sind es immer mehr derzeit. auch viele tote soldaten. ich versuche aus nachrichten situationen zu basteln und entwicklungen zu verstehen. weil ich dies nur selten abgleichen kann, erscheint die situation noch fragiler. als würde man/ich die ganze zeit warten, dass es/etwas bricht.

in rouen versuchte ein mann eine synagoge anzuzünden, in paris wurden am jahrestag der deportation von das denkmal zur erinnerung an 3.900 französischen gerechten unter den völkern und weitere mahnmale in der nachbarschaft beschmiert, in berlin das mahnmal für die deportationen von juden:jüdinnen am standort der vormaligen synagoge levetzowstraße, in stockholm wurden nahe der israelischen botschaft schüsse abgefeuert, an einer bushaltestelle am potsdamer platz wurde ein mann angegriffen, weil er eine israelfahne um die hand gebunden hatte, im bioladen um die ecke trägt die verkäuferin ein palituch, ein israelisches restaurant sieht sich gezwungen, aus dem friedrichshain wegzuziehen, weil die antisemitischen angriffe zu krass wurden, auf dem festival in cannes wird kein israelischer film gezeigt, in hamburg besetzen irgendwelche pro-palestine-idioten die tote flora für minuten aber öffentlichkeitswirksam. in paris hatten sich die täter:innen für ihre antisemitische drecksaktion den jahrestag einer deportation von 3.700 juden:jüdinnen ausgesucht, aus paris zunächst in lager im département loiret, dann nach auschwitz-birkenau. dummheit und antisemitismus bei gleichzeitigem gefühl für das besonders perfide.

in israel wird bekannt gegeben, dass zwei der geiseln, Sonthaya Oakkharasr und Sudthisak Rinthalak aus thailand, am 7. oktober ermordet und ihre leichen von hamas nach gaza verschleppt wurden. beide hatten im kibbutz be`eri gearbeitet. gestern wurde Carmel Gat 40 jahre alt. das ist alles, was es noch zu geben scheint: das zählen der tage, meldungen zu toten, erinnerungen an geburtstage, die immer gleichen bilder, die immer gleichen forderungen. und nichts scheint sich zu tun.

seit gestern erkältet. schlimme nächte. tage etwas besser, aber müde. am dienstag war untersuchung. das aneurysma ist nicht gewachsen und auch sonst zeigte sich keine veränderung, aber ich habe in der folge ein neues bewusstsein für das verrotten meines inneren und kriege es nicht abgeschaltet.

seit gestern gibt es einen platz für die geiseln in berlin. für einen monat, auf dem bebelplatz. weiße (why???) stühle für die geiseln, ein tunnel, eine abgelaufene sanduhr. eingezäunt. verlagerung der erinnerung in einen anderen raum, mitnahme der (fast) gleichen symboliken. der tunnel, problematisch in seiner implikation der möglichkeit von nacherleben schon in tel aviv, verkommt hier vollens zum kitsch. auch beschissen, das wenige, das es hier in berlin überhaupt gibt als erinnerungszeichen, noch kritisieren zu müssen.