20240512, nachmittags

denke zu viel über den esc nach. über verlogenheit und den offensichtlichen diskrepanzen zwischen realität und vermittlung des ereignisses. frage mich zwischendrin, ob es gleichzeitig aber dieses ins albern gehende beharren der organisator:innen und des “zentralkomitees” (das ist ein bisschen lustig) gleichzeitig ermöglichte, dass die veranstaltung überhaupt in anwesenheit von eden golan stattfinden konnte. und dann gibt es diese tausenden menschen die “protestieren” und diese “künstler:innen” die “protestieren” und ich ärgere mich so sehr und bin angeekelt und angewidert und dann fällt mir auch noch etwas auf, was anscheinend sonst niemanden juckt: es gab an keiner stelle eine offene solidarisierung mit eden golan, dass mal jemand gesagt hätte, ‘das geht so nicht, das ist scheisse’ oder sich in irgendeiner weise vor sie gestellt hätte. denn wie krass ist das denn: all die sicherheitsvorkehrungen, dass mehrmals umziehen müssen, die eigene familie nicht mitbringen dürfen, den hass auf der straße, in der veranstaltungshalle, in den sozialen medien, auf der bühne, von den anderen teilnehmer:innen und niemand sagt nur einmal laut: das geht so nicht. habt ihr sie noch alle? was für ein dreck das alles ist. der trost, dass sie die zweithöchste zahl des publikums-voting bekommen hat, existiert nur 17 sekunden oder so.

seit dieser überschrift im tagesspiegel vor ein paar tagen (siehe letzter eintrag) ist mir eigentlich permanent schlecht. ich bin nicht mehr nur traurig, erschöpft, müde und angespannt, jetzt ist mir auch noch übel. der ekal hat sich eingenistet in den zellen.

mit einer freundin geschrieben, deren lebensbegleiter der meinung ist, es sei nur wichtigtuerei von den rund 600 lehrende/dozent:innen, einen offenen brief zur unterstützung des propalästinensischen unibesetztenden mobs zu unterschreiben. kein antisemitismus nirgends. besonders nicht bei den personen, die er persönlich kennt. sie können keine antisemiten sein, ich kenne sie. man muss darauf bestimmt mit vernunft und aufklärung reagieren, aber ich möchte gern nur noch weggehen. mich einfach ohne ein wort umdrehen und gehen. dieser zwang zum verharmlosen. sie habe angst, dass ihre welt immer kleiner wird, wenn sie sich positionieren, sagt ma. und das ist nicht so schlecht als erklärung. abr weil darin nicht vorkommt, dass die situation von juden:jüdinnen völlig und rücksichtslos ausgeklammert wird, ist die erklärung dann doch auch nur ein halber gedanke. während sie und ich uns nachrichten schreiben, erfahre ich, dass mittwoch abend die frau eines kollegen nach einer veranstaltung mit einem vortrag zu antisemitismus an einer uni tätlich angegriffen wird. daneben versuche ich hektisch mi. zu erreichen, weil es viel alarm in beer sheva gab und von einer frau berichtet wird, die von einem schrapnel verletzt wurde.

gestern 1:30 uhr veröffentlichte hamas ein kurzes video, in dem die geisel Nadav Popplewell (51) spricht, drei stunden später verkünden sie, er sei tot. das video wird in den medien nicht gezeigt, nur ein standbild. zu sehen ist, dass Nadav Popplewell zuvor misshandelt worden sein muss; sein rechtes auge ist schwarz-lila unterlaufen. unklar ist, wann hamas den film aufgenommen hat. er war am 7. oktober gemeinsam mit seiner mutter Channah Peri (79) aus dem Kibbutz Nirim entführt worden. sie wurde am 24. november im rahmen des deals freigelassen.

Oded Lifshitz wurde gestern 84 Jahre alt und Almog Meir Jan 22. am tag davor waren der 57te geburtstag von Itzik Gelerenter und der 23ste von Guy Gilboa Dalal.

ich sehe auf facebook die ankündigungen für die beerdingungen der in den letzten tagen gefallenen soldaten, sehe in ihre gesichter, die so verschiedenen sind und so vergangen. denke darüber nach, wie ich nicht mehr zurecht komme, briefe nicht öffne, mich nicht um einen job kümmern kann, mir aufstehen zu anstrengend vorkommt. im loosing it. und sehe mir dabei zu. so fangen vermutlich einige der geschichten an, wenn man die auf der straße sitzenden leute fragen würde.

den herausgeber:innen eines tagungsbands in spanien geschrieben, dass ich keinen text einreichen werde, weil ich es mir nicht leisten kann, ihn übersetzen zu lassen. wie krass das ist. und wovon wissenschaft machen und veröffentlicht, das heißt wahrgenommen werden eben auch abhängt: du musst sie dir leisten können. es ist total egal, wie gut ich bin. sie antworten mir mit der nettesten und süssesten mail ever. und jetzt bin ich eine arme unveröffentlichte verzweifelte wissenschaftlerin, die die nettesten und süssesten mails ever bekommt. ist bestimmt auch etwas wert. irgendwo.

vor ein paar tagen eine website gefunden, mit der man touren in der ukraine buchen kann. sehr viel sehnsucht gehabt. david vermisst. wie er gerade durchdrehen würde. und wie gut mir das täte.