20240417, statt arbeit

vor ein paar tagen sagte erneut jemand zu mir, es sei doch egal ob hamas einen deal unterzeichnet, die geiseln seien eh alle tot. ich gebe mir mühe, mich freundlich anlächelnden, auf zwei-staaten-lösung hoffenden und für mehr aufklärung gegen antisemitismus setzenden menschen die situation zu erklären. ich schreie einen freund an, weil er mir die falschen fragen stellt. ich entschuldige mich bei zu vielen menschen, dass ich gerade zu abgefuckt für gute leichte kommunikation bin. ich versuche zu lernen, nicht mehr die hauswände und stadtmöbel nach inschriften und aufklebern zu scannen, nicht die pins an der kleidung von menschen anzusehen, ihre ketten, die zeichen oder texte auf ihren tshirts und ihre großen pali-tücher zu ignorieren. ich stelle fest, dass ich als jemand die jahre teil einer (radikalen) antifaschistischen linken war, linke in öffentlichen raum jetzt skeptisch und distanziert, oft mit einem unguten gefühl betrachte, mich auf meinen wegen zu veranstaltungen und (gegen-)kundgebungen immer aufmerksam umsehe, lieber nicht lese, aufpasse, wer in die bahn einsteigt, wer vor mir geht, wer an ecken steht, wer bilder macht. ‘das alles ist wie cottbus in den 1990er jahren, nur eben anders’, sage ich zu mehr als einer freundin.

ich kann mich nur schwer konzentrieren. ich arbeite nicht so viel wie ich sollte. ich mache mir sorgen, um meine zukunft, um geld. ich schreibe bewerbungen und bekomme nur ablehnungen. ich frage mich ständig, was ich falsch mache. und stelle fest, wie schnell man aus einem akademischen “betrieb” fällt, wenn man keine feste stelle mehr hat, wie man verschwinden kann und es niemandem auffällt. ich habe keine ahnung, was ich tun und immer noch nicht, was ich werden soll. ich habe angst vor meiner zukunft und davor, kein geld mehr zu haben. ich schlafe zu viel und bin trotzdem müde. so müde. ich brauche jeden tag stunden, das bett zu verlassen. ich erwische mich, vor mich hin und auf das haus gegenüber zu starren. ich denke zu oft an a., der keine gedichte mehr schreibt. ich habe heimweh und immer noch keinen rückflug gebucht. ich gucke mir obsessiv wohnungsanzeigen an, besonders die, bei denen man einen blick auf die umgebung bekommt. manchmal weine ich, wenn ich den ort erkenne. ich zähle die menschen zusammen, die mich lange zeiten meines lebens eng begleitet haben und weder nach dem 7. oktober noch nach dem iranischen angriff wenigstens kurz nachfragen, ob ich okay bin.