20240103

an jedem tag steht jetzt ein anderer mensch in meinem mittelpunkt. immer wenn ich denke, dass das mit dem voluntieren eher so mittel lief/läuft, dann versuche ich mir gleich anschließend einzureden, dass mein hiersein vielleicht einfach anderen sinn macht: anderen raum zu geben, zu sprechen. mein impuls, eine zusammenfassung über all die gespräche mit : “das schlimmste ist…” einzuleiten. aber a) weiß ich gar nicht, was das schlimmste ist und b) ist es sowieso kein wettbewerb. und vielleicht ist das schlimmste, dass alles so schlimm ist, jede erfahrung, jeder gedanke, jeder verlust, jede angst, jede unsicherheit. ich habe noch nie das aufeinandertreffen von so viel schmerz erlebt. menschen sind weg, sicherheiten sind weg, glaubenssätze sind weg, selbstgewissheiten sind weg, planungen sind weg, hoffnungen sind weg, elementare vorstellungen einer persönlichen, gesellschaftlichen, politischen zukunft sind weg. sehr viele meiner freund:innen hier sind links und einige haben sich seit jahren in unterschiedlichen projekten engagiert, für frieden, solidarität, bessere bedingungen, konkrete hilfestellungen für palästinenser:innen im westjordernland und in gaza. alles ist weg. nicht nur die konkrete arbeit, sondern auch das vertrauen in diese art der arbeit entgegen allen konkreten, gegensätzlichen erfahrungen und mit der hoffnung, dass es etwas hilft und dazu führt, dass es ein gemeinsames, respektivolles leben neben- und miteinander geben kann. gestern sagte jemand zu mir, dass sie irgendwann wieder mit diesen initiativen anfangen müssten und ich konnte nur denken, dass doch eigentlich “die andere seite” damit beginnen müsste, vertrauen zu ermöglichen und wieder herzustellen.

am montag hat der supreme court das kernelement der justizreform von nethanjahus regierung gekippt: dem obersten gericht sollte die möglichkeit genommen werden, gegen ‘unangemessene’ entscheidungen der regierung, des premierministers und/oder einzelner minister vorzugehen; man kann sagen, dass damit also quasi die unabhängigkeit der justiz mindestens angegriffen, und eigentlich sogar abgeschafft werden sollte. bis zum 7. oktober waren über monate unter anderem jeden samstag hunderttausende auf die straßen gegangen, (vor allem) auch um diese ‘reform’ der regierung zu verhindern. dass sie jetzt also zumindest vorerst unterbunden wurde, hat bei niemandem, mit dem:der ich darüber sprach, etwas positives oder überhaupt etwas ausgelöst. alles fällt nur noch in ein schwarzes loch.

heute sagte jemand zu mir, sie wisse nicht einmal mehr, wohin sie mit den kindern fahren könnte, ohne angst zu haben, dass sie angegriffenn werden und dass nachdem sie sowieso schon seit jahren und selbst in der bayrischen kleinstadt, in der ihre eltern leben, nicht hebräisch sprechen.

die tage sind voll von diesen geschichten und zwischendurch oder gleichzeitig von den bildern der entführten und ermordeten.