20231226

alltagsdinge am vormittag: sehr viel wäsche waschen, erinnerung an eine nicht gezahlte rechnung schreiben, ein bisschen aufräumen.

besuch des art museums in ramat gan. peinlicherweise zum ersten mal und ohne bestimmten grund, außer dem, dass ich noch nie da war. einerseits sehr gewöhnliche ausstellung zu place und body in der israelischen kunst. aber dann erwische ich mich, dass ich gerührt von dem umstand bin, dass mir so vieles so vertraut ist. nicht, weil ich die künstler:innen kenne oder sachen schon mal gesehen habe, sondern irgendwie weil etwas in den bildern ist, dass sich mit bildern in meinem kopf verbindet. vielleicht. keine ahnung eigentlich. jedenfalls: sehr schönes gebäude, in den 1930er jahren eingeschossig als fabrik für bodenfliesen errichtet, aufregende form als langgestreckter riegel über einem dreieckigen grundriss. 1987 als museum eröffnet und 2021 erweitert – in der länge und in der höhe – von efrat kowalsky architects. im inneren hat mich die nicht immer klare unterscheidung zwischen ausstellungs- und mitarbeiter:innenbereichen etwas gestresst, aber allein die treppe war den besuch wert.

anschließend im sonnenuntergang zum expo-gelände gefahren und die 06:29 -ausstellung gesehen, die in einer der hallen (teile des) nova-festival areals zeigt – die hauptbar, zwei bühnen, einen ausschnitt des zeltlagers und seiner angrenzenden bereiche zur entspannung, zum verkauf von second-hand-sachen und essen, toilettenhäuser, wiederkehrende aufforderungen, müll zu trennen. ich habe mich nach einer weile vor allem auch daran erinnert, wie es ist, auf solchen events zu sein (offensichtlich habe sich die beigaben zur gestaltung eines solchen temporären raumes im wald nicht geändert). jetzt denke ich, wie strange es ist, dass ich dieses gefühl innerhalb der installation weit entfernt vom tatsächlichen ereignisort hatte und nicht auf dem gelände selbst.

joan didion hat in ihrem buch The Year of Magical Thinking geschrieben, dass erzählungen über verlust und katastrophen immer damit beginnen, dass man erst einmal sagt, wie normal kurz zuvor alles noch war, wie gewöhnlich, alltäglich, selbstverständlich, friedlich. ich denke, einer der aspekte, worauf die ausstellung abzielt, ist genau die herstellung dieses moments von normalität, gewöhnlichkeit (im ungewöhnlichen der party natürlich), alltäglichkeit, selbstverständlichkeit, friedlichkeit. und das war ein zweiter gedanke, der sich durch meine zeit in der ausstellung zog: das schmerzhafte bewusstsein, was für ein hippie-event das war.

der ‘nachbau’ des ortes ist dann zum einen verknüpft mit bildern der ermordeten: große videopanele zeigen tanzende menschen und die (letzten) whatsapp-kommunikationen der opfer und zum zweiten verbunden mit zeugnissen der verbrechen: verbrannte autos, zurückgebliebene kleidung, schuhe, schmuck, sonnenbrillen… die musik überlagert die gespräche. wenn man die augen schließen würde, könnte man sich vermutlich problemlos in eine party imaginieren. es riecht wahnsinnig penetrant nach räucherstäbchen. überall lassen sich kleine karten finden mit nachrichten, kerzen, kleine erinnerungsgegenstände von besucher:innen finden. eine frau macht (?) ein mandala vor einer der wände für die entführten, es gibt gedenkbereiche für die ermordeten polizist:innen und andere menschen, die versuchten, zur hilfe zu kommen.

vor dem einlass wird man gebeten, eine spende zu zahlen. das geld soll unter anderem zu den überlebenden und dem, was sie brauchen, gehen. sehr junge frauen arbeiten an der kasse. sie freuen sich, dass ich vorbeikomme – unnötigerweise, die ausstellung wird so gut besucht, dass sie verlängert ist – und unterhalten sich länger mit mir, weil ich aus berlin bin. eine von ihnen spricht ein bisschen deutsch und erzählt mir, dass sie auch in berlin wohnt und am 2. oktober nur für einen kurzen besuch und für das festival kam und jetzt nicht mehr weiß, wie sie nach deutschland zurück soll.

ich brauche ziemlich lange, bis ich wieder gehen kann.

abends bei den nachrichten habe ich das gefühl, dass die situation sich verschärft. ich kann gar nicht genau sagen, warum ich das denke. vielleicht weil mehr gefahren in den unterschiedlichen szenarien besprochen werden? weil ausgesprochen wird, dass es sieben akute bedrohungen/auseinandersetzungen gibt und diese dann konket zugeordnet werden (gaza, libanon, syrien, iran, irak (?), westjordanland und yemen (huthi))? weil es weniger um konkrete ereignisse geht, als um eine sich abzeichnende und verschärfende entwicklung? weil es offensichtlich mehr angriffe von hizbollah gibt? und es plötzlich mehr um die situationen im norden und die bedrohungen geht? und/oder weil daniel hagari auf englisch spricht, etwas, das er immer macht, wenn er sicherstellen will, dass etwas wirklich bei journalist:innen ankommt? plötzlich halte ich es denn doch für eine gute idee, mich bei dieser krisenliste des auswärtigen amtes zu registrieren.

und dann lese ich auf facebook, dass carolyn gestorben ist.