ich muss heute umziehen und es braucht deutlich weniger als eine stunde, meine sachen zusammenzubringen und in der wohnung den eindruck zu hinterlassen, ich wäre nie dagewesen. die meiste zeit beansprucht mein wahn, möglichst nicht mit schmutzigen sachen umzuziehen. wobei umziehen beschreibt die situation sowieso nicht ausreichend: ich muss ausziehen und meine sachen in einer wohnung bringen, in die ich erst am freitag ziehen werde und dann muss ich nach givat ada fahren, um dort zwischenzuwohnen. nur noch zwei wochen. und mir wird die angst ganz schwer. li. hat gestern gesagt, dass ich müde aussehe und ich glaube, in all den jahren, die ich hier bin, habe ich das noch nie gehört. ich sah immer besser aus, wenn ich eine zeitlang hier war. vielleicht lege ich mich jetzt für 48 stunden in mein givat-ada-shelter-zimmer und schlafe durch. li. sagte, auch die angehörigen der geiseln machen pausen, aber ich denke seit ein paar tagen immer wieder, ich muss noch alles mitnehmen, weil wenn ich wieder in deutschland bin gibt es keine orte mehr für den schmerz und für meine traurigkeit und ich werde so allein sein wie ich mich fühle. es gibt mehr kundgebungen und seit samstag ein camp der angehörigen und unterstützer:innen in begin und ich sitze stundenlang vor dem eingang in das militärquartier in kaplan. ich denke jede woche, dass diese samstag-kundgebung nun die schlimmste war. vielleicht stimmt das auch, weil allein das verstreichen der zeit ohne lösung und ohne freilassungen macht alles immer schlimmer. aber vielleicht war die kundgebung am samstag auch aus anderen gründen furchtbarerer. erst wurde dieses neue schreckliche hamas-video gezeigt, in dem Matan Angrest spricht, dann redet seine mutter und dann ein angehöriger von Bar Kupershtein. dessen vater, Tal Kupershtein, sitzt daneben in einem rollstuhl. er hatte vor fünf jahren einen unfall, dessen folgen nicht nur seine fähigkeiten, zu stehen und zu laufen bis heute massiv beeinträchtigten, sondern der zudem seine fährigkeit zu sprechen weitgehend verloren hat. nach der entührung seines sohnes begann er, sich diese fährigkeit in sehr kleinen schritten zurückzuholen. am samstag schrie er mehrmals laut in die menge und ich schwöre, diese schreie haben sich in meinen körper gebrannt und ich werde sie sehr lange mit mit tragen.
es wird sommer.
dabei sind in den letzten tagen sehr viele dinge passiert, die mich immer wieder auch daran erinnert haben, warum ich es früher hier so geliebt habe und warum ich mich immer so verbunden gefühlt habe. am montag mit ein paar leuten frühstücken gewesen, und den sohn von Harry Maor kennengelernt, der einfach mal eine große zahl der orte und geschichten kennt, über die ich schreibe und zwar in der zeit, über die ich schreibe. und der guttmann kannte. und einen tag davor endlich sh. kennengelernt, die mir innerhalb von nur wenigen minuten so nahe ist, dass ich dachte, so müssen sich andere kinder im sandkasten gefühlt haben, wenn sie innerhalb von sekunden freundschaften schlossen. überhaupt insgesamt viel mit vielen über alles gesprochen. die situation, das weggehen, identitäten, schmerzen, traurigkeiten, das nicht mehr links sein und das chrashen von eigenen selbstgewissheiten, das nicht wissen wohin, das kein israelisches essen in berlin essen können, das menschen in deutschland nicht erklären können, was es heißt, keinen shelter im haus zu haben, die angst, die sehnsucht.
israel unterbindet nicht nur die einfuhr von hilfsgütern nach gaza, sondern hat am sonntag zudem die lieferung von elektrizität gestoppt. allerdings betrifft dies nur eine wasseraufbereitungsanlage, der rest wird sowieso mit kollektoren und generatoren betrieben. aber realität unterbrindet auch hier nicht anti-israelische reaktionen. seit heute gibt es die live-verkehrsdaten auf googlemaps wieder. das heimatfrontkommando hat sie nach dem 7.10. deaktivieren lassen zum schutz. der song von Yuval Raphael für den ESC ist veröffentlicht worden und es ist ein irritierend schönes lied mit einem irritierend berührendem video. sie hat den 7.oktober in einem shelter überlebt, in dem sie stundenlang auf hilfe wartete, während über und neben ihr menschen erschossen wurden und lagen. ich habe gelesen, dass sie probt, während eine “booing machine” läuft, um sich auf den hass vorzubereiten, der ihr bei ihrem auftritt begegnen wird. in den usa ist mahmoud khalil von der ice verhaftet wirden und soll deportiert werden, trotz greencard und trotz ehe mit einer amerikanerin. er war einer der führenden personen bei den “protesten” in der columbia-universität. außerdem hat die us-regierung die finanzielle unterstützung von denjenigen unis und hochschulen eingestellt (oder gekürzt?) die nicht gegen die antisemitischen und anti-israelischen proteste vorgegangen sind. und natürlich kann man sich darüber nicht freuen oder besser, das als politische reaktion gutheißen. und das nervt mich, weil ich wünsche denen alles schlechte. aber im gegenzug zu vielen anderen menschen verstehe ich, was es eben auch bedeutet und dass hier strategien erprobt werden, die sich bald gegen andere richten. das große black-lives-matter-mural in washington dc wird entfernt. menschen mit diversen identitäten sollen aus dem militär entfernt werden und eine einreise mit einem pass in dem die geschlechtsidentität und der name nicht denen entspricht, die bei der geburt vergeben wurden, sollen nicht mehr möglich sein. was ich vor allem müde bin, ist die dummheit von menschen, diese dinge in einen zusammenhang zu setzen. gerade in einem fb-kommentar gelesen, dass trump vom schicksal der geiseln berührt wäre und ich verstehe wirklich nicht, wie man so bescheuert sein kann, das zu glauben. und erste risse zeigen sich in der tat. wie kann man denken, dass jemand, der sich nur um sein ego schert, der keine vorstellung von politischem handeln jenseits willkür hat, der nach seinen launen entscheidungen trifft, ist jemand, auf den man sich verlassen sollte.
Daniel Hagari hört als sprecher der IDF auf, hintergrund ist, dass er bei einer beförderung übergangen wurde. aber das ist vermutlich nur, was offiziell ist. es trifft mich sehr. was natürlich komisch ist. aber er und seine stimme haben mich seit dem 7.10. intensiv begleitet, mir manchmal irgendeinen rahmen gegeben, wenn alles weggeschwommen ist und ich habe immer sehr gemocht, wie er die dinge erklärt und wie er manchen dingen mehr bedeutung gibt, wie er zeigt, dass sie ihn wirklich kümmern.