20250130, abends

hamas hat vor einigen stunden übermittelt, dass die dritte geisel, die morgen frei kommen soll, Gadi Moshe Mozes ist. er war am 7. oktober aus Kibbutz Nir Oz entführt worden, seine lebensgefährtin Efrat Katz wurde getötet, vermutlich versehentlich durch idf soldaten, ihre tochter Doron und deren zwei kinder, Raz and Aviv Asher, die zu diesem zeitpunkt 5 und 2 jahre alt waren, wurden ebenfalls von palästinensern verschleppt und erst ende november 2023 im rahmen des ersten abkommens freigelassen. Gadi Moshe Mozes ist in der gewalt des palestinian islamic jihad, ein letztes lebenszeichen gibt es durch ein von den terroristen im dezember 2023 veröffentlichtes propagandavideo. in diesem war auch Elad Katzir zu sehen, der später ermordet wurde und dessen leiche die idf im april 2024 nach israel bringen konnte. Gadi Moshe Mozes und Arbel Yehud besitzen jeweils auch einen deutschen pass. freikommen sollen morgen zudem fünf männer mit thailändischer staatsbürgerschaft. 31 hatten die terroristen am 7. oktober entführt, acht sind noch gefangen: Surasak Lamnau, Pingsa Nattapong, Bannawat Seathao, Sathian Suwankam, Sriaoun Watchara, Pongsak Tanna, Sudthisak Rinthalak und Sonthaya Oakkharasr. von den beiden letztgenannten ist bekannt, dass sie tot sind. am samstag sollen drei weitere geiseln freikommen, die namen hat hamas noch nicht übergeben. aber israel versucht nun druck aufzubauen, damit die organisation etwas zur situation der bibas familie sagt. wir warten. alle warten. ich weiß nicht, ob man das so sagen darf. und ich weiß immer noch nicht, wann “wir” anfängt und warum. aber so oder so es gibt einen raum in mir, der allein dafür bestimmt ist. für das warten. und manchmal, oft eigentlich, zieht dann dieses warten durch meinen körper und übernimmt alles. und das krasse ist, dass es wirklich auch in mir etwas gibt, das daran festhält, dass sie noch leben, dass diese kinder und ihre eltern, deren bilder, deren anblick und deren geschichten so vertraut sind, dass sie noch leben. ich weiß nicht, was für ein wunder es sein soll, dass dies ermöglichen würde, aber ich merke auch, wie ich es nicht anders denken kann, bis wir es wissen. und ich weiß, dass das gegen etwas steht, dass ich von mir selbst und dabei immer behaupten würde.

mit e. durch die wüste gefahren. immer liebe beim durch die wüste fahren. und immer austicken, beim kamele sehen. komischer reflex. aber ich ticke ja auch immer noch aus, wenn ich sehe, wie orangen und zitronen an bäumen in meiner nachbarschaft wachsen. jerocham besucht, dimona, in der gegend von zikim nicht weit gekommen, aschkelon und aschdod. viel nur vom auto. immer wieder auch gemerkt, dass e. dann doch einfach fast 81 ist. und irgendwann versagt mir das innere gedulden, beim zuhören von ihrem permanenten sprechen, das mich selbst in den wenigen momenten, in denen ich überhaupt etwas sage, immer und immer wieder unterbricht und ausblendet. das jeden meiner sätze für die erzählung eigener geschichte nutzt. war mir irgendwann nicht mehr sicher, ob sie mich überhaupt mag oder ich mich nur als publikum eigene. aber dann sagt sie, dass ihr sohn mich zum shabbatessen einlädt und als ich mich freue, antwortet sie, dass das doch klar sei, weil ich dazugehöre. beziehungen sind kompliziert, und ich merke, wie ich bewusstsein für sie habe, aber mich nicht in ihnen auskenne. und das sage ich auch, weil y. mich gerade doof findet und ich darüber nur lachen kann, weil albern und weil der vater von idit tgestorben ist und ich irgendwann ihre telefonnummer gelöscht habe und ihr jetzt nicht sagen kann, wie leid mir das tut, weil wegen sehr mögen und weil sein newsletter der beste war. aber ich habe endlich zwei kurze sequenzen gefilmt, wie ich sie mir denke. klarere vorstellungen entwickelt, was ich brauche, um das zu tun, was ich bekommen will. aber nur sehr unklare vorstellungen, wie ich es bekommen kann. bin alle durchgegangen, die ich mit einem auto kenne, aber die situation wäre ähnlich wie mit e. niemand kann an diesen orten nur anwesend sein. j.s vorschlag von einem taxi ist gut, aber (a) jeder involviert sich hier sofort und (b) müsste ich das anders vorbereiten und bezahlen. aber sowieso muss ich es anders vorbereiten als ich dachte. und davon muss ich vielleicht erst einmal trennen, wie ich es bekomme. vielleicht so.

das reisen mit e. hat es mit sich gebracht, dass ich nun mehr als vorher weiß, dass jeder immer irgendwie über den 7. oktober spricht. die menschen an den nachbartischen in beer sheva und in aschkelon und die museumswärter in beer sheva. ich kann mich nicht entscheiden, ob es nicht vielleicht auch gut ist, dass ich so dinge immer auch noch ausblenden kann.

wir durchfahren die landschaften. und ich weiß so viel, dass ich immer auch weiß, bis wohin sie kamen am 7. oktober. und nur in meinem kopf macht das landschaften anders. als wir hinter aschkelon sind, denke ich plötzlich: hier waren sie nicht mehr. ich erinnere mich, wie ich mit al. für meine diplomarbeit duch brandenburg und mecklenburg-vorpommern gefahren bin und in diesen wäldern und feldern immer die kolonnen der todesmärsche gesehen habe. wie sich schwarz-weiß-bilder über gegenden legten. jetzt sind es videos in farbe und es gibt gebrüll und hohn in arabisch und fliehende menschen und gewalt und das alles legt sich trotzdem über gegenden. ich weiß, ich steigere mich zu sehr rein. aber vielleicht auch nicht, weil erklären kann ich problemlos, wie wissen um ereignisse landschaften und orte verändert.

Amit Soussana spricht davon, dass Liri Albag ihr leben gerettet hat, als hamas-männer sie gefoltert haben. und sie spricht dann auch noch sehr detailiiert über die folter selbst. ich zwinge mich, ihr zuzuhören, weil es soll immer gelten, dass, wenn sie es schaffen, darüber zu reden, muss ich es hinkriegen, ihnen zuzuhören. aber ich denke auch, was noch alles ausgesprochen werden muss, was erst ausgesprochen werden kann, wenn mehr geiseln freikommen. wie das eben auch räume öffnet, erlebtes zu erzählen. wir werden viel aushalten müssen. wobei ‘wir’, naja, diejenigen außerhalb israels / jüdischer gemeinschaften sind, die es überhaupt für relevant halten. was ich mich aber weigere, ist zu viel darüber zu lesen, wer da freigelassen wird im gegenzug. ich habe gemerkt, das macht, dass ich den deal in frage stelle. und es macht mir angst und mich wütend. weil das sollte eigentlich nicht so sein und ich kann einfach nicht verstehen, warum es so ist. warum diese verbrecher freikommen. es ist nicht erträglich. wirklich nicht. Lili Albag sagt, ‘There are 2 million terrorists in Gaza’. ich lese von Emily Damari freundin Orel, und dass entschieden worden war, dass sie nach der entführung durch hamas öffentlich nur ‘ihre beste freundin’ sein durfte, weil es die angst gab, die terroristen würden Emily noch mehr quälen, wenn sie wüssten, dass sie lesbisch ist.

erst jetzt wurde bekannt, dass die polizei von new south wales / australien bereits vor neun tagen einen wohnwagen mit sprengstoff, sogenanntem powergel, fand, das für den anschlag auf eine synagoge in sydney vorgesehen waren. männer wurden festgenommen. vieles ist noch unklar. und sowieso wtf wird zum täglichen gedanken. in deutschland gedenkt man im bundestag erst dem 80. jahrestag der befreiung von auschwitz, dann stimmen die cdu gemeinsam mit der afd und der fdp für einen von merz eingebrachten ‘entschließungsantrag’ zur begrenzung von migration. und es gibt eine ganze neue art von angst, merke ich. k. ist in porto und ich musste ihm heute schreiben, wie sehr ich ihn vermisse.