jemand erzählt mir eine geschichte über eine geisel und sie ist so verstörend, dass ich quasi sofort aufhöre, noch irgend etwas anderes zu fühlen. immer wieder sind dinge angesprochen worden. immer wieder hieß es, worauf man sich vorbereiten muss. und jetzt merke ich, dass es gar keine vorbereitung geben kann. dass die dinge erst real sind, wenn man weiß, dass sie tatsächlich passiert sind. und nicht, wenn jemand sagt, dass sie passiert sein könnten oder werden und dass man sich darauf vorbereiten soll. und dass man die wucht, nicht abfedern kann, nicht aufhalten, nicht abschwächen, nicht vor-denken, nicht weniger aushalten. stunden vorher hieß es, dass morgen nicht nur die namen der vier geiseln bekannt gegeben werden, die am samstag frei kommen werden, sondern hamas auch eine liste darüber veröffentlichen wird, wer von den geiseln noch lebt, und wer nicht. jetzt heißt es, dass hamas nur eine zahl sagen wird, wie viele geiseln noch leben. und dass das am samstag passiert. es ist zum zerrreisen. im kopf und im körper. und es ist, als wäre der moment, als Romi Gonen, Emily Damari und Doron Steinbrecher frei kamen, eben nur ein moment war, zum kurz atmen, zum euphorisch sein. aber das war nicht die realität, die mich und uns und irgendjemanden erwartet. jemand sagt bei instagram, dass für die familien und freund:innen das alles noch viel schlimmer ist und dass wir anderen deshalb stark sein müssen. und das stimmt. aber es ist auch schwer, das eigene immer nur in relation zu den anderen zu sehen. m. fragte mich heute, ob sie mitkommen kann mit mir am samstag zum hostage square und ich bin überrascht, weil sie sich seit monaten von all diesen dingen fernhält und wir kaum darüber sprechen. und heute sehr lange. wie sich alles immer wieder verschiebt, aufweitet, verengt, anderes ist. Emily Damari ist sehr präsent und das erzeugt immer wieder kurz den eindruck, dass sie okay ist, dass sie mit all dem umgehen kann oder können wird. s. sagt, sie macht sich große sorgen um Doron Steinbrecher, weil sie die ganze zeit allein gewesen sein soll. ich merke immer wieder, wie viel wir von vielen wissen. wie viele bilder wir kennen. wie viele geschichten. wie merkwürdig persönlich es sogar für mich ist, die niemanden persönlich kennt. aber wie sich das eigene empfinden, das sorgen-machen, das verbunden sein, mit vielen hergestellt hat. wie wenig es abstrakt ist, auch wenn distanz bleibt, natürlich. viel distanz. ed. fragte mich nach den klebezetteln mit zahlen auf meinem computer und ich erzähle ihr, dass ich die ersten hatte, als ich in jerusalem beim hostage tent zu volontieren begann und dann wurden es mehr, weil ich in berlin auch immer mal welche getragen habe und nie wusste, was ich danach mit ihnen machen soll. und dass ich jetzt nicht weiß, wann ich sie abziehen soll. weil es irgendwie merkwürdig ist, sie zu behalten. aber das ich sie jetzt nicht einfach alle runternehmen und wegschmeißen kann und sie sagt, das soll ich dann machen, wenn alle geiseln raus sind. und ich sage ja und jetzt müssen sie wirklich bleiben.
ich arbeite weniger als ich wollte. aber ich schlafe okay, bisher jedenfalls. kaffee kostet jetzt mindestens 16 shekel. so lange ich mich erinnern kann, kostete kaffee zwischen 10 und 12 shekel. das ist also anders. daneben ist der umtauschkurs so schlecht, dass mir ganz schwindelig ist. ich versuche, noch weniger geld auszugeben, aber es ist kaum möglich und ich mache mir ein bisschen sorgen, dass das wird schon gehen irgendwie doch auch grenzen haben kann. hätte gern ein date. oder besser, hätte gern ein bisschen zuwendung und eine umarmung. habe mich wieder bei einer dating app angemeldet. aber den verdacht, dass mir die kraft nicht reichen wird, erst eine situation herzustellen, in der ich ein bisschen zuwendung und eine umarmung bekomme und aushalten kann.
ich habe sehr viel angst vor den tagen die kommen und vor den dingen, die wir hören und sehen und zu unserer realität machen werden müssen. aber ich sage zu allen die es hören wollen, dass ich froh bin, hier zu sein und nicht allein mit all dem in berlin.