kaum aufstehen gekonnt, den zug nach jerusalem trotzdem bekommen und mit hunderten anderen menschen am straßenrand gestanden, um den weg der polin-goldberg-familie zum friedhof zu begleiten. mit hunderten anderen, sehr verschiedenen menschen geweint. judith kennengelernt, die die rund 1,5 wartenden stunden neben mir steht und mir erzählt, wo die eltern welcher gefallenen soldaten wohnen. alles ist nahe. zum community center in baka gefahren, nur zweimal falsch ausgestiegen. maps funktioniert echt beschissen hier. in meiner vorstellung komme ich allein zu dem ort und kann kerzen hinterlassen, in der realität sind mehr als hundert menschen auf den platz und als ich ankomme, beginnt in der videoübertragung der beerdigung rachel goldberg-polin zu sprechen. mein körper schmerzt, wirklich, mein körper schmerzt. auf dem rückweg merke ich, wie tatsächlich nahe das umfeld von ihnen zu den von mir bewohnten wohnungen und den von mir aufgesuchten orten ist.
nach der ankunft in tlv zur kundgebung gegangen. es ist sehr laut und ich treffe zufällig om. wir sprechen über meine wiederankunft hier und das gefühl vom flughafen, in die situation zurückzukehren, wieder und immer noch die bilder der geiseln zu sehen. er erzählt mir von einem video, in dem zu sehen ist, wie mitarbeiter:innen die bilder der sechs ermordeten abnehmen.
hamas veröffentlichte ein video von Eden Yerushalmi, die familie / das Hostages and Missing Families Forum stimmte zu, das ein ausschnitt veröffentlicht wird, in dem sie sagt, wie sehr sie ihre eltern liebt und vermisst. hamas sagen auch, dass sie die anweisungen zum umgang mit den geiseln geändert haben für den fall, dass sich israelische truppen nähern. es ist eher kontext als das klar gesagt wird, was damit eigentlich gemeint ist. weil es ja schon bis zu diesem punkt nicht so gewesen sein dürften, dass sie bereit waren, die geiseln in so einem fall einfach gehen zu lassen.
ein veröffentlichtes paper vom 27. juli zeigt, dass Hersh Goldberg-Polin, Carmel Gat und Eden Yerushalmi in der ersten phase eines deals freigekommen wären. Carmel Gat hatte einen deutschen pass. steffen seibert kriegte es daher gerade mal so zustande, wenigstens ihren namen in einem tweet zu nennen.
ich bin zu traurig, um zu schreiben. ich weiß, ich schreibe sowieso nicht jeden tag, müsste also auch nicht heute. aber der tag war irgendwas und ich würde gern irgendwas davon beschreiben können. stattdessen stelle ich nur fest, dass ich die traurigkeit nicht zu fassen bekomme, dass sie erschöpfung beinhaltet und sehr viel distanz zu sehr vielen schafft oder verstetigt. überlege, ob das eine in meinem leben neue art von traurigkeit ist. ich finde nichts in meinem emotionalen haushalt, auf das ich mich beziehen könnte.
menschen in deutschland sprechen mir lieber die berechtigung ab, mich so zu fühlen, wie ich mich fühle als sich zu fragen, warum sie das eigentlich nicht interessiert.
ich erinnere mich an den moment, als hamas das video von Hersh Goldberg-Polin veröffentlicht hat. in den tagen davor haben mir mehrere menschen in deutschland gesagt, die geiseln seien doch sowieso alle tot. ich habe das video gesehen und beschlossen, dass ich so nicht denken werde, dass ich davon ausgehen will, dass sie lebend zurückkommen, ganz einfach deshalb, weil Hersh Goldberg-Polin es trotz seiner krassen verletztung bis zu diesem moment geschafft hatte.