gestern nach jerusalem gefahren. früh aufgestanden, den bus genommen, in einem cafe in der betsal’el st. gefrühstückt, mir nette sachen von den verkäuferinnen auf dem designmarkt sagen lassen, zum ort der hostage-familien in der azza st. gegangen, der nur wenige schritte von netanjahus haus entfernt ist. anders als in tel aviv ist hier kein platz mit diversen installationen und vielen besucher:innen; neben dem zelt mit den porträts der geiseln gibt es einen langen tisch mit stühlen und tellern, auf denen halbe trockene pitas liegen, plakate und banner und eine reihe gelber stühle vor dem gehweg schon auf der straße, eine volontairin verteilt abgerissene teile von klebebandrollen, auf die sich mit einem pfilzstift die tage schreibt. 174. und an passant:innen verteilt. es gibt nicht viele, die anschließend stehenbleiben, aber autofahrer:innen hupen immer wieder und ich glaube, hupen kann unterschiedlich klingen, weil hier ist es zustimmung und solidarität und nicht einen moment aggressiv. komisch auch. wir unterhalten uns auch ein bisschen, weil sie sich bedankt, dass ich gekommen bin und ich versuche ihr zu sagen, dass sie sich dafür nicht bedanken muss. sie spricht über die familien, die den ort hier besetzten und in den ersten wochen und monaten hier auch schliefen. nun versuchen die volontair:innen das zu übernehmen, auch um die angehörigen zu entlasten, denen es zunehmend schlechter geht. später, im bus zurück nach tel aviv, werde ich anfangen zu denken, dass es das ist, was ich hätte tun sollen, vielleicht nicht jeden tag, aber doch regelmäßig nach jerusalem fahren und dort volontairen. ich ärgere mich seit dem über mich und meine depressionen und selbstbezogenheiten, meine derzeitigen unfähigkeiten, anwesend zu sein in der situation und in den leben anderer.
zum zappa lab durch jerusalem gelaufen, was zugleich teil meiner damaligen joggingstrecke war. wieder gedacht, dass ich die stadt jetzt mag und gemerkt, dass sie mir vertraut ist, immer noch. menschen, die allein zur show von daniel ryan spaulding kommen, werden im hinteren teil des raumes an der bar platziert. dafür bleibt es mir erspart, mir einen tisch mit fremden teilen zu müssen. wieder die beobachtung gemacht, dass man die in den bars und cafes arbeitenden menschen persönlich und dabei tief enttäuscht, wenn man sagt, man wolle nichts essen. die show war phantastisch und für jemanden, die stand-up comedy irritierend findet, habe ich es genossen und gelacht und ja, geweint. viel berlin- und deutschland-bashing, sehr viel klares zu antisemitismus und israel-hass in der community. möglicherweise hat einiges am abend zuvor in tel aviv besser funktioniert, weil mit sicherheit anderes publikum. ausgesprochen viele religiöse paare waren dagegen in jerusalem im publikum. ‘das hat mir aber gut getan’, denke ich, als ich auf den bus zurück warte, und dass es etwas war, das ich und andere offenbar gerade brauchten.
als ich zurück in meiner wohnung bin, bin ich so müde, dass mir nur serien bleiben und selbstmitleid. trotzdem wieder nicht vor 11 uhr aufstehen können.
seit zwei tagen ist sommer. noch von der art, die einen außerhalb der wohnung nicht den wunsch haben lässt, lieber zu sterben. immer wenn der wind dann so vom meer durch die straßen weht, denke ich ‘ganz im sinne der erfinder’ und freue mich jedes fucking mal. es ist anders, hier zu wohnen als in den gegenden, in denen ich das normalerweise tue. man begegnet zum beispiel immer noch menschen, die dem bild dessen entsprechen, was ‘jeckes’ sind. oft sehr alt und klein und zu gut gekleidet, zu schick und elegant für tel aviv und irgendwie aus der zeit gefallen.
irgendwie kriege ich nicht klar, dass ich morgen zurückfliege.