20240305, vormittags

gespräche zu verabredungen, die ein bisschen mehr in der zukunft liegen als heute abend, enden in der regel mit: ‘ja, das machen wir… wenn es das land dann noch gibt’. dann lacht man, aber in bitter und unsicher. gestern in jerusalem zum beispiel, als ka., deren wohnung ich 2022 für ein paar monate gemietet hatte, mir ihre neue zeigt und für august anbietet, für einen monat wieder zu kommen. davor im israel museum gewesen. mich auf einen leeren ort gefreut. stattdessen große gruppen und viele führungen. thomas demand ausstellung besucht, manchmal “okay” gedacht und manchmal nicht aufhören können, draufzustarren. “In Pictures. Walter Benjamin’s Little History of Photography” noch gesehen, eine phantastische kleine ausstellung über arabische designer:innen und eine noch viel kleinere mit dem titel “October Sun: Four Voices from the Yom Kippur War”. es waren die ersten ausstellungen seit dem 7. oktober, in denen ich war (außer der ausstellung zum 7. oktober natürlich) und ich habe gemerkt, wie ich anfangs etwas brauchte, wirklich anwesend zu sein und mir die dinge anzusehen. überlegt, ob meine künftigen ausstellungsbesuche nun immer davon geprägt sein werden, ob und was die künstler:innen zu israel/gaza gesagt haben. wahrscheinlich. es war vorher schon so und wird jetzt noch mehr. mit ka. darüber gesprochen, dass wir die namen unter allen offenen briefen immer mit der angst lesen, jemanden zu finden, den:die wir kennen. und wie das so ist, wenn wir dann jemanden kennen. überhaupt sehr viel und sehr lang über erfahrungen gesprochen, die sich ähneln. ich musste ein paar mal ein bisschen weinen. öffentlich, im hansen. aber das ist hier jetzt vielleicht auch so und niemanden wundert es. anschließend zur westernwall gefahren. fast vollständig leer und dabei fast ausschließlich besucht von strictly orthodox / Haredi und natürlich weiß ich so dinge, aber es ist krass und ein bisschen verstörend, wie orte sich verändern, durch die menschen, die sie benutzen. wie viel leiser es dabei war. und wie viel kleiner der platz wirkte trotz der leere. wie sehr man, also ich, sich/mich nur als einzige besucher:in gefühlt habe, als betrachterin. wie der ort plötzlich ausschließlich das war, was er ist; ein religiöser. bei vergangenen malen habe ich immer auch darüber nachgedacht, was es bedeutet, dass der ort ein touristischer ist, dass menschen kommen, um ihn zu sehen und wie die betenden dabei zu einem teil dessen werden, was man sich ansieht. mein eigenes verhältnis ist unbestimmt: ich muss immer mindestens einmal hingehen, um zu wissen, dass alles noch da ist. das ist albern, aber meine eigene anwesenheit muss es sozusagen für mich verbürgen. ich bin im unterschied zu allen, mit denen ich darüber spreche, wirklich gern da und bleibe immer lang. aber ich würde das öffentlich nicht so gern besprechen, weil es mir auch ein bisschen merkwürdig vorkommt, wie viel der ort mir bedeutet; irgendwo da drin in meinen gedanken. jedenfalls bin ich gestern auch deshalb hingegangen, weil man nicht weiß, wie das sein wird, wenn ramadan beginnt in ein paar tagen. auch sonst war die altstadt leer. auf dem markt sind nur noch wenige läden offen, und die schließen schon früh. die verkäufer lassen einen in ruhe, so als erwarten sie gar nicht mehr, jemanden zu finden, den:die sie in ihre räume ziehen können. als ich auf der mauer zwischen zions gate und westernwall gelaufen bin, habe ich niemanden getroffen. als ich auf einer bank saß und so ins land guckte, was es so still, dass es eingefroren wirkte. denkt man: einmalige gelegenheit und nichtwiederholbare momente und kann es doch nicht lange aushalten oder gut finden.

ich fahre immer lieber mit dem bus zwischen jerusalem und tel aviv. sie sind seitdem es den zug gibt, immer sehr und sehr schön leer. und ich habe immer einen kleinen moment von zionismus in mir, dass land zwischen beiden städten so sehen zu können. am liebsten, aber nur noch selten, nutze ich das auch als gelegenheit, die central bus station in tel aviv zu besuchen; ein gefürchteter und geschmähter ort, den ich für einen anarchistischen halte und in dem ich vor vielen jahren mal geweint habe, weil ich nicht mehr raus gefunden habe. seit jahren – also vermutlich spätestens seit der eröffnung 1993 (baubeginn war 1967) – gibt es die diskussion und das bemühen, ihn abzureissen, loszuwerden. und neben mir gibt es vermutlich noch sieben andere menschen, die ihn verteidigungswürdig finden (außer den nutzer:innen, die dort die räume finden, die sie brauchen und die ihnen die stadt an keiner anderen stelle (mehr) geben kann und wird. aber ich habe manchmal angst, dass ihnen das gar nicht so bewusst ist). aber gestern, als wir auf ebene 7 den bus verließen und eintraten und es derart krass nach katzenpisse stank und in dem geschoss quasi nichts anderes mehr ist, wobei man das nicht genau sagen kann, weil man besser vermeidet, sich um- und besonders in die ecken zu gucken, dachte ich, dass es auch echt manchmal schwer ist mit der liebe.

am tag davor endlich eine wohnung gefunden. eigentlich zwei und mich entscheiden gemusst. was theoretisch nicht schwer war, weil die eine schimmel hatte und schimmel für 1000 euro ist kein kompromiss (mehr) in meinem leben, den ich will oder mache. aber leider war die wohnung in kerem, auf einem dach und direkt neben dem shuk und damit eine gegend, in die ich schon lange wieder zurückwollte und ein konkreter ort in einer weise, in der ich schon immer mal leben wollte. mich trotzdem dagegen entschieden. aber weine noch ein bisschen. es ist eine ganz gute zeit, eine wohnung hier zu finden für ein jahr oder ein paar monate. leider kollidiert das sehr mit meinem derzeitig so unsicheren finanziellen und auch sonst planlosen so-sein.

viel alarm im norden. immer noch kein deal. am sonntag abend mit mehreren menschen aus gewesen und alle telefone zeigen ständig push-nachrichten an und alle gucken ständig eine sekunde oder mehr darauf. man unterhält sich über vieles aber eigentlich doch über nichts anderes. die frau neben mir sagt, sie können nicht zu einer vortragsreise in deutschland fliegen, weil sie zu viel angst hat, dass der krieg im norden anfängt und ihre familie dann ohne sie ist.