20240225, vormittags, noch in givat ada

gestern abend nach caesarea zum demonstrieren gefahren. mehr menschen als im dezember, aber laut meiner begleiterin noch deutlich weniger als vor dem 7. oktober. grundsätzlich nehme ihre zahl aber wieder zu, und das nicht nur in tel aviv. dabei sind die demonstrationen gegen die regierung immer noch getrennt von den protesten zur befreiung der geiseln. in der vergangenen woche sei die demonstrat:innen zu netanjahus auf einige der familienmitglieder gestossen, die ebenfalls vor dem haus waren. dies sei beklemmend gewesen und beide seiten hätten nicht gewusst, wie reagieren. dabei beinhaltet jeder protest gegen die regierung die forderung zur befreiung der geiseln und die proteste zur befreiung der geiseln sind immer auch kritisch gegen die regierung.

die kundgebung ist auf/an einer straße relativ nah am eingang in die stadt. reden gibt es eigentlich nicht mehr. ich weiß nicht, ob dies jetzt grundsätzlich so ist, definitiv war es aber schon in der vergangenen woche so. menschen mit megaphonen. es ist wirklich laut. kaum eine:r der gestrigen demonstrat:innen ist unter 40. ich beobachte einen vermutlich mindesten 70jährigen, der ein absperrgitter auf die straße zieht, um die autos zum anhalten zu bringen. es gibt eine irritierende mischung aus aggressivität und höflichkeit; die straße wird immer wieder gesperrt und nach ein paar minuten wieder freigegeben. überhaupt sind alle wahnsinnig nett zueinander, ich glaube sogar unabhängig davon, dass sie sich oft schon kennen dürften. es ist für deutsche verhältnisse wenig polizei, aber die ist oft durchaus überraschend rabiat. irgendwann beschließen wieder alle loszugehen richtung netanjahus, irgendwann teilt sich der zug, und wir laufen erst durch irgendwelche grünflächen, dann durch eine art villen-viertel. es ist irritierend, so etwas zu machen, wenn man die sprache nicht gut versteht und meine gesamten erfahrungen aus deutschland sagen mir, dass ich das eigentlich nicht machen sollte. natürlich höre ich nicht auf sie.

ich habe den verdacht, dass meine teilnahme an der demonstration irgendwie den übergang in meiner zeit hier markiert. ab jetzt wieder mehr realität. dabei waren die beiden letzten tage überhaupt schon geprägt von sehr vielen alarmen im norden; mehrmals am tag und dann jeweils sehr viele orte betroffen. und auch wenn sie mich nicht unmittelbar betreffen, nehme ich sie eben doch anders war als wenn ich in deutschland bin.

es klingt an, dass es vielleicht doch einen deal geben wird zur freilassung der geiseln, dass die verhandlungen irgendwie vorankommen. am freitag abend ist es angehörigen gelungen, den ayalon highway in tel aviv zu besetzen und einen tisch (für ein shabbat-dinner) aufzustellen. derartige (kurzzeitige) besetzungen hatte es wiederholt im rahmen der ganz großen demokratie-kundgebungen gegeben, die polizei hatte aber irgendwann begonnen, dagegen sehr offensiv vorzugehen und sie ziemlich erfolgreich spätestens im frühjahr des letzten jahres, ganz unterbunden. überhaupt soll die polizei gestern deutlich gewalttätiger gegen die demonstration in der kaplan st. vorgegangen sein; unter anderem mit wasserwerfern.