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20240229 morgens, in einem anderen cafe aber immer noch in yaffa

versuche, das morgendliche haus-verlassen-um-kaffee-zu-trinken wieder einzuführen, nicht nur um das haus zu verlassen und kaffee zu trinken, sondern weil routine und überhaupt aufstehen gut bei depressionen sein sollen und ich auch die gegend kennenlernen sollte, wenn ich schon mal hier wohne. viel geweint gestern, sehr viel und jetzt ein bisschen angst vor dem heutigen tag.

ich fühle mich ein bisschen sehr isoliert hier und weil ich die wohnung nur bis kommenden freitag habe, habe ich auch nicht so richtig das gefühl, hier ankommen zu können oder zu sollen oder zu möchten. dieses was-mache-ich-hier-und-wo-überhaupt hat quasi nochmal eine neue facette bekommen. gestern vor lauter verzweiflung und verlorenheit überlegt, einfach von hier wegzufliegen und den nächsten monat irgendwo anders zu verbringen. zypern vielleicht oder griechenland. aber krieg und kleines land umgeben von feinden und nur eine airline die wirklich fliegt, bedeuten flugpreise jenseits des handelbaren. dieses naharija gefühl, aber vermehrfacht.

jetzt kann ich nicht schreiben, dass ich mich gefangen fühle, weil das in meinem kopf sofort zu den geiseln führt. (aber ich kann vielleicht schreiben, dass ich das gefühl habe, in einer falle zu sitzen?) ihre familienangehörigen und freund:innen sind gestern vom nova festivalgelände bei kibbutz re’im losgelaufen. am samstag abend wollen sie jerusalem erreichen. eine der vertreterinnen hat darüber gesprochen, dass sie alle verstünden, dass das leben für anderen weitergeht, dass sie arbeiten gehen müssen, kaffee in tel aviv trinken wollen, routine wiederfinden. und dass sie nur wollen, dass die geiseln nicht vergessen werden, dass menschen sich trotzdem weiter für ihre rückkehr einsetzen. und das stimmt vermutlich und trotzdem ist es so traurig. ich sehe immer noch jeden tag die videos der eltern von hersch goldberg-polin. der vater Jon spricht nun öfter, die mutter Rachel wirkt noch zerbrechlicher und ich dachte schon vor einem monat, dass das nicht mehr geht. manchmal sehe ich auf den plakaten jemanden, den oder die ich noch nicht kenne. und jedes mal bin ich überrascht und irritiert davon. in den interviews geht es immer wieder auch darum, dass nun nur noch von 40 freizulassenden geiseln in einem möglicherweise kommenden deal die rede ist. und alle beharren immer darauf, dass es um alle gehen muss. wie schlimm muss es sein, diese hoffnung, dass die einem nahen menschen endlich nach hause kommen und die angst, dass sie wieder nicht dabei sind, weil wieder nur eine auswahl getroffen wird. und da sind wir noch gar nicht bei dem punkt, dass man hamas ja sowieso nicht trauen kann, dass sie sich an die vereinbarungen halten.

der verteidigungsminister yoav gallant hat gestern in einer pressekonferenz davon gesprochen, dass perspektivisch auch haradi (und arabische israelis) zum militär eingezogen werden sollen. zumindest ersteres ist bereits seit sehr langem in der diskussion und hat immer wieder zu aggressiven protesten geführt. und während um das thema weiter rumgeschlich wird, sind bereits 242 soldaten in gaza gefallen seit dem 27. oktober 2023 und die zeiten für den aktiven armeedienst soll auf drei jahre erhöht sowie die reserve verlängert werden,

20240228, morgens

zu viel alarm im norden. es ist wieder morgens aufwachen, und viele rote anzeigen haben. 60 raketen sollen es gestern gewesen sein.

noch vor dem aufstehen eine kleine diskussion zur berlinale gehabt. wenn ich es richtig verstehe, hat claudia roth fleißig mitgeklatscht will jetzt aber ‘aufarbeiten’? und protest bei der abschlussveranstaltung und gegen den einen oder anderen antisemitischen ausfall gab es nicht, weil den filmmenschen nur der mut dazu fehlt? alles klar. realität ist ein schwieriges konstrukt. das kann zweifellos überfordern. währenddessen unterschrieben mehr als 13.000 menschen eine pedition, um israel von der biennale in venedig auszuschließen, begründet mit dem üblichen müll, den so leute in ihrem kopf haben und auch damit, dass der zeev rechter, architekt des pavillions, zu einem “Russian” wird, “who settled in Palastine in 1919 and is considered a key architect of the Zionist project in occupied Palastine”. grenzenlose dummheit ist das, klar, antisemitismus sowieso. aber es reicht ja nun nicht mehr, dass wir uns das bewusst halten.

es gibt eine andere art von tourismus hier jetzt. kleine und große gruppen, vor allem, aber nicht nur, aus den usa, die zum volontieren kommen und sich dann orte ansehen, die im süden aber auch den Hostages Square vor dem Tel Aviv Art Museum. die dinge verschieben sich, leicht nur, aber das ist jetzt eben auch unsere normalität. n. und ich sitzen für einen kaffee auf den stufen von beit ariela und reden über die dinge der wochen, in denen ich nicht da war und den hintergrund bildet eine veränderte art von geschäftigkeit; besucher:innengruppen, die sich über den platz führen lassen und sich dann zu gesprächskreisen zusammenfinden, junge frauen, welche die plakate für die geiseln erneuern, menschen, die dinge hin und her räumen. wie man sich auf eine merkwürdige weise an fassungslosmachende dinge gewöhnt. wie jetzt eben krieg in der ukraine ist, den wir gerade nur wieder mehr wahrnehmen, weil der überfall russlands sich zum zweiten mal jährt. ich wäre gern da, wenn diese platz wieder abgebaut wird, wenn sich eine andere normalität herstellt. aber naja, in die müssen wir dann auch nur integrieren, was uns jetzt fassungslos macht und damit leben lernen.

gute zeiten für depressionen.

viel wird gesprochen zu einem möglichen deal und plötzlich ist dabei nur noch von 40 geiseln die rede.

20240226, vormittags in einem cafe

gestern nach yaffa gezogen. sehr schöne gegend, unfassbar schöne wohnung. viel zu groß für mich eigentlich. gedacht, dass ich jetzt nochmal in einem anderen israel bin, nicht nur wegen der stadt, sondern vorallem, weil es sich um einen wohnblock handelt aus den 1960er jahren, ich regelmäßig und laut den muezzin höre und überhaupt und on a regular basis arabisch. auch dies alles: first time. es ist immer mehr als nur den ort wechseln. weshalb ich auch gern in tel aviv geblieben wäre. ich brauchte mehr ein zurückkommen und ein zuhausegefühl, als die notwendigkeit, neues entdecken zu dürfen.

abends spazieren gegangen, einer sehr große runde bis zum meer, entlang des hafens und auf dem jerusalem blvd. zurück. gedacht, wie ruhig es ist. wie entspannt. wie leer. und dann fiel mir erst ein: klar, keine tourist:innen. dieses große fischrestaurant, das alle kennen: leer. die danebenliegenden läden: leer, der weg entlang des hafens und dann des meeres: fast leer. es ist auch, als würden alle leiser sprechen. und weil es auf diesem einen abschnitt der promenade auch immer etwas zu dunkel ist, bewegen wir wenigen uns alle ein wenig und für ein paar minuten offensicht durch eine unsichere andere welt.

wenn es nur nach dem wetter ginge, wäre die schönste zeit hier.

heute morgen wieder mit einem geschwollenen auge aufgewacht. überhaupt mein körper: ist so schwach, dass kurze wege mich aus dem konzept bringen können. reagiert permant auf irgendwas; auf zu viel sonne, auf irgendwas, das blüht, auf meine schlichte existenz. zum ersten mal seit langem in den spiegel geguckt. ich vermeide das normalerweise: spiegel, spiegelungen, fotografien. seit der diagnose, den folgenden ops, den vielen medikamenten, dem fettgewordensein, der permanenten angst, dass etwas reißt und ich verblute oder dass etwas nur weiter wöchst und ich ins krankenhaus muss. (ich bin da unentschlossen, welche variante das größere problem ist) stehe ich da und ertrage mich länger als eine minute und denke: niemals wollte er dich wirklich heiraten. wer soll das wollen. ich bin mir so fremd, da ist so viel schmerzvolle distanz zwischen mir und dem was ich sehe. ich kann nur wieder rausgehen, weil ich meinen körper und mein denken wieder trenne, diese distanz wieder erzwinge. bis zum nöchsten spiegel, zur nächsten spiegelung, der nächsten fotografie (die jemand ungefragt von mir macht) so fucking viel ekel vor mir selbst.

die idf gab gestern bekannt, dass sergeant Oz Daniel bereits am 7. oktober getötet wurde und seine leiche nach wie vor im gaza ist. bezalel smotrich kündigt an, gegen jeden hostage-deal zu stimmen. das vorgehen der polizei samstag nacht gegen die demonstrant:innen in kaplan war viel brutaler, als ich zunächst annahm. sehr viel alarm im norden.

20240225, vormittags, noch in givat ada

gestern abend nach caesarea zum demonstrieren gefahren. mehr menschen als im dezember, aber laut meiner begleiterin noch deutlich weniger als vor dem 7. oktober. grundsätzlich nehme ihre zahl aber wieder zu, und das nicht nur in tel aviv. dabei sind die demonstrationen gegen die regierung immer noch getrennt von den protesten zur befreiung der geiseln. in der vergangenen woche sei die demonstrat:innen zu netanjahus auf einige der familienmitglieder gestossen, die ebenfalls vor dem haus waren. dies sei beklemmend gewesen und beide seiten hätten nicht gewusst, wie reagieren. dabei beinhaltet jeder protest gegen die regierung die forderung zur befreiung der geiseln und die proteste zur befreiung der geiseln sind immer auch kritisch gegen die regierung.

die kundgebung ist auf/an einer straße relativ nah am eingang in die stadt. reden gibt es eigentlich nicht mehr. ich weiß nicht, ob dies jetzt grundsätzlich so ist, definitiv war es aber schon in der vergangenen woche so. menschen mit megaphonen. es ist wirklich laut. kaum eine:r der gestrigen demonstrat:innen ist unter 40. ich beobachte einen vermutlich mindesten 70jährigen, der ein absperrgitter auf die straße zieht, um die autos zum anhalten zu bringen. es gibt eine irritierende mischung aus aggressivität und höflichkeit; die straße wird immer wieder gesperrt und nach ein paar minuten wieder freigegeben. überhaupt sind alle wahnsinnig nett zueinander, ich glaube sogar unabhängig davon, dass sie sich oft schon kennen dürften. es ist für deutsche verhältnisse wenig polizei, aber die ist oft durchaus überraschend rabiat. irgendwann beschließen wieder alle loszugehen richtung netanjahus, irgendwann teilt sich der zug, und wir laufen erst durch irgendwelche grünflächen, dann durch eine art villen-viertel. es ist irritierend, so etwas zu machen, wenn man die sprache nicht gut versteht und meine gesamten erfahrungen aus deutschland sagen mir, dass ich das eigentlich nicht machen sollte. natürlich höre ich nicht auf sie.

ich habe den verdacht, dass meine teilnahme an der demonstration irgendwie den übergang in meiner zeit hier markiert. ab jetzt wieder mehr realität. dabei waren die beiden letzten tage überhaupt schon geprägt von sehr vielen alarmen im norden; mehrmals am tag und dann jeweils sehr viele orte betroffen. und auch wenn sie mich nicht unmittelbar betreffen, nehme ich sie eben doch anders war als wenn ich in deutschland bin.

es klingt an, dass es vielleicht doch einen deal geben wird zur freilassung der geiseln, dass die verhandlungen irgendwie vorankommen. am freitag abend ist es angehörigen gelungen, den ayalon highway in tel aviv zu besetzen und einen tisch (für ein shabbat-dinner) aufzustellen. derartige (kurzzeitige) besetzungen hatte es wiederholt im rahmen der ganz großen demokratie-kundgebungen gegeben, die polizei hatte aber irgendwann begonnen, dagegen sehr offensiv vorzugehen und sie ziemlich erfolgreich spätestens im frühjahr des letzten jahres, ganz unterbunden. überhaupt soll die polizei gestern deutlich gewalttätiger gegen die demonstration in der kaplan st. vorgegangen sein; unter anderem mit wasserwerfern.

20240224, morgens

ich arbeite zu viel. und ich sage das erst einmal ohne wertung. was ich zu viel arbeite sind leider nur zu viele dinge, die ich nicht arbeiten will, während ich zu dem eigentlichen nicht komme. das eigentliche ist etwas dafür zu tun, dass ich aufhören kann, für andere menschen dinge zu arbeiten, die ich (auf diese weise) nicht machen möchte. aber einen antrag für das eigene zu schreiben braucht eine zeit und einen raum und eine freiheit, die ich nicht habe, weil ich sache arbeiten muss, um hier in israel zu sein oder/und weil ich zu viel angst habe, wieder zum jobcenter zu müssen. ich weiß nicht wohin und das sage ich nicht nur, weil meine wohnungssituation nach wie vor deprimierend ist.

gestern haben wir einen ausflug nach harish gemacht, angeguckt, wie eine stadt entsteht in der mal 100.000 bewohner:innen wohnen soll. gut war das. was man sehen kann auf den ersten blick: gute architekturen, gute räume, konzepte strukturen. auch wenn es besser ginge natürlich mit einem städtebaulichen ansatz, das den individualverkehr ausschließt oder wenigstens deutlich reduziert.

es ist samstag und es sind 20 wochen, 140 tage, 3.360 stunden.

20240223, morgens

tage, so arbeit, dass ich nicht sicher bin, ob ich dafür meine wohnung in berlin verlassen musste.

erste nachricht am morgen war aber der anschlag zwischen Jerusalem und Ma’ale Adumim, bei dem drei terroristen auf die im stau wartenden autos schießen. der 26-jährige Matan Elmaliah wird dabei ermordet, zehn weitere menschen verletzt, unter ihnen eine schwangere frau. noch vor dem ersten kaffee ein interview mit ben gvir gesehen und im ernst, mein inneres ist kurz gefroren vor angst.

eine wohnung gefunden. in yaffa und nur für knapp zwei wochen. da es aber ein bisschen so war, wie wohnung finden sein soll, habe ich zugesagt. erstes mal also. bisher aus überzeugungen, die ich nicht genau zu benennen kann, immer gegen yaffa entschieden. letztlich irgendwas mit “das ist nicht tel aviv”.

in einer anderen realiät spricht sich der ASTA der HU Berlin gegen die möglichkeit aus, den antisemitischen schläger, der anfang februar Lahav Shapira krankenhausreif geprügelt hat, zu exmatrikulieren. im tagesspiegel vom 21. februar musste ich lesen, dass den studierendenvertreter:innen zufolge, universitäten das recht auf eine exmatrikulation einzuräumen, ein ganz und gar „’ungeeignetes Mittel’“ im Umgang mit Antisemitismus und Rassismus” sei, da die studierenden nun “erhebliche Sanktionen fürchten” müssten, “wenn sie sich politisch” äußern. sie fordern dazu auf, “Vorfälle an Berliner Universitäten infolge des Nahostkonfliktes differenziert zu betrachten.” nun steht es offensichtlich jedem:r frei, unsinn in der öffentlichkeit zu erzählen, aber besonders dumm wird es, wenn sie behaupten, dass hier „’gänzlich verschiedene Ereignisse zusammen verhandelt’“ würden. nun ist es ihnen offenbar selbst nicht gegeben, verschiedene ereignisse getrennt zu verhandeln: juden zusammenzuschlagen ist keine politische äußerung, die unsanktioniert bleiben sollte. es irgendwie für eine gute idee zu halten, dass ein antisemitischer schläger nach einer erwiesenen schweren körperverletzung und der bedrohung, die er damit offensichtlich für jüdische studierende (und andere) darstellt, nicht sanktioniert wird, ist kein geeignetes mittel im umgang mit antisemitismus und rassismus. und nicht unterscheiden zu können, zwischen einem brutalen antisemitischen akt und den möglicherweise zu führenden debatten – deren sinn ich selbst nicht sehe, aber das ist nicht relevant – sollte einen eigentlich nicht dazu priviligieren, einen artikel in einer tageszeitung zu bekommen. mich persönlich würde eine differenzierte betrachtung einer solchen tat nicht interessieren, aber ganz grundsätzlich würde ich es für eine gute idee halten, wenn die vertreter:innen der studierendenvertretung gezwungen sind, das mal am beispiel genauer darzulegen.

warum ist der größte teil des posts zum gestrigen tag jetzt für diesen dreck draufgegangen? bin ich vor diesen dingen nicht abgehauen?

20240221, abends

gestern in pardes channah-karkur zum japanisch essen gewesen. pardes channah gilt als kreativ und hipster, als alternativ und entspannt, es geht um liebe und spiritualität, die dinge in den klitzekleinen läden sind handmade und es riecht nach offenem feuer in tonnen, während man durch schlammige wege geht. es ist völlig unironisch wahnsinnig nett, sich lange und immer wieder mit der frau zu unterhalten, die für unser essen zuständig ist. ich schwöre, ich bin sogar entspannt und lächle nur vom blick auf das alles. neben uns sitzt ein junges paar mit dreads und vielen tattoos und piercings und glöckchen an der kleidung, die aus farbigen leinen ist und alles ist klischee und ich kämpfe wirklich tapfer gegen den gedanken beim ansehen ihres soseins an, dass dies genau der typ von menschen ist, die ich vor einigen wochen in der ausstellung nova 6:29 auf den handyvideos tanzen gesehen habe.

es ist normaler, dass man überall die bilder der geiseln sieht und jetzt noch mehr als vor sechs wochen die gelben bänder und schleifen. es ist normaler, dass ich auch mit ed. jetzt viel öfter über politik spreche, über die situation in israel, in gaza, an der grenze zum libanon, in deutschland und an den unis. es ist normaler, dass es viele zeiten gibt, in denen wir dieses dumpfe sich bewegende brummen der flugzeuge hören, die über uns in den norden fliegen und die man am himmel gar nicht ausmachen kann. wir leben jetzt irgendwie darin. und es dauert ein paar sekunden länger, dass diese fassade auch tatsächlich hält.

ein interview gesehen mit zwei amerikaner:innen, die bei der wiedereinrichtung eines jetzt wiedereröffneten indoor-spielplatzes in sderot voluntiert haben. und sie sind so glücklich. über sich und darüber dass sie gutes tun. sie sprechen über die resilience der israelis und wie schön ihre tage hier sind. und ich finde nichts von meiner gegenwart in ihrem sprechen. überlegt, ob ich vielleicht einfach wieder in die landwirtschaft gehen muss, um mich zu fühlen.

stattdessen heute vormittag allein in den nächstliegenden kibbuz gegangen, um im cafe von ne. ein bisschen zu arbeiten und dabei kaffee zu trinken und gutes sandwich zu essen. eine halbe stunde fussweg durch landschaft. eigentlich ist es jetzt am schönsten hier. also wenn man grüne landschaft mag. durch den vielen regen wächst alles und blüht. außerdem machen die temperaturen noch nicht, dass man sich einfach nur nicht bewegen will. ‘wenn du mich besuchen willst, dann komme jetzt’, würde ich normalerweise zu anderen sagen.

nachdem die beiden von der IDF vor weniger als zwei wochen befreiten geiseln Luis Har und Fernando Merman schon berichteten, keine medikamente erhalten zu haben, und die IDF vor drei tagen bekannt geben ließ, dass sie im nasser-krankenhaus in khan younis kisten mit medikamenten gefunden worden waren, die eigentlich für die geiseln bestimmt waren und über deren aushändigung mitte januar eine vereinbarung mit hamas getroffen worden war, laut der die israelische regierung für die übergabe EINER kiste mit benötigten medikamenten an die geiseln TAUSEND kisten für die bevölkerung in gaza aushändigte. heute gab das französische außenministerium bekannt, dass Some of the hostages medikamente erhalten hätten. ich vermute, einige bis nicht wenige werden sich finden/gefunden haben, die hamas dazu gratulieren, das als gutes zeichen sehen, und israel für irgendwas dabei auch noch die schuld geben können.

Bezalel Smotrich, finanzminister und von der rechtsextremen partei ‘religiöser zionismus’ gab bekannt, dass die Rückkehr der Geiseln nicht das Wichtigste sei.

ich habe immer noch keine wohnung gefunden.

20240220

das finden eine wohnung ist eine qual… und ich komme immer weniger umhin mich zu fragen, warum ich mir das immer wieder antue und warum es so schwer für mich ist, überhaupt einen platz für mich zu finden. was zur hölle mache ich hier eigentlich?

gestern wurde ein video veröffentlicht, dass Shiri Bibas mit ihren beiden kinder Ariel und Kfir wenige tage nach ihrer entführung am 7. oktober zeigt. die idf fand es in einem tunnel.

in tel aviv in einem cafe gesessen und später am strand und aufs meer geguckt.

ich möchte gern weniger darüber nachdenken müssen, was anders ist. was vermutlich gleichbedeutend mit dem wunsch ist, die realität um mich passend beschreiben zu wollen. ich möchte also bitte gern weniger den zwang verspüren, die welt um mich passend beschreiben zu wollen.

20240219, morgens

ich weiß nicht, ob ich tatsächlich gedacht habe, dass ich wiederkomme und die geiseln frei sind. aber fünfeinhalb wochen später wieder durch einen flughafen zu laufen, in dem ihre abwesenheit allerorts präsent ist, versetzt mir mehrere innere schläge. dass ich natürlich wusste, in welche realität ich zurückfliege, nutzte überraschend wenig. der flughafen ist ansonsten immer noch leer. ich glaube, zeitgleich mit uns kamen nur zwei weitere flugzeuge an; wir durften uns alle ein kofferausgabeband teilen. davor war ich eine von drei menschen, die mit nichtisraelischem pass an den schaltern stand. auch dies neue rekorde.

vor dem flughafen treffe ich die frau einer freundin, die ich bisher nicht kannte, aber sie mich. wir fahren zusammen eine weile mit dem zug und teilen realitäten. und wir sind sofort irritierend vertraut, alles bekommt wieder intensität. normalerweise passiert mir dies immer erst nach ein paar tagen. jetzt braucht es offenbar keine übergange.

ich habe mir noch keine nachrichten angesehen. ich suche mal wieder eine wohnung.

20240218, morgens

lange zeiten in nur wenigen tagen. und ich werde menschen nicht verstehen, die sagen, dass die zeit so schnell vergeht. alles scheint mir schon wieder ewigkeiten her. und es gibt zu viele dinge, die ich tatsächlich getan, gesehen, besprochen habe. jetzt sitze ich – wieder – auf dem flughafen und überlege, was anders ist, was sich anders anfühlt. sehr angespannt vor allem. erstaunlich wenig gespräche darüber, ob es eine gute idee ist, zu fliegen. noch genaueres ansehen von nachrichten, permanente erwarzung, dass es noch schlimmer wird. dabei sind die dinge, die ich erledigen wollte, inm gewünschten umfang nicht erledigt worden. weil ich zu müde war, oft und weil ich zu depressiv war, wenigstens zwischendurch. weil die vorbereitung für den vortrag in hamburg so anstrengend war und so merkwürdige aufmerksamkeiten erfordert hat. der 13. februar hat wenige meiner gedanken beansprucht in diesem jahr, wenigstens wenige der offensichtlichen. am abend, nach dem depeche mode konzert, zu mi. im auto gesagt, dass dies der erste seit dem 7. oktober war, an dem es mir besser, leichter, wollte fast meinen “unbeschwerter” ging. was einem halt so auffällt. und was dann genauso lange nur anhält.

ich wüsste die entscheidung zu fliegen, nicht rational zu erklären. und vielleicht bin ich innerlich ein bisschen erleichtert, dass niemand ernsthaft fragt.