20241110, abends

ich kann hier nicht schreiben, weil ich seit tagen über etwas schreiben müsste, aber nicht kann, weil es zu schmerzhaft ist und zu groß und zu grundlegend und weil ich angst habe, es in die welt zu tun. weil wenn es da und nicht nur in meinem kopf und in meinem mail-ordner ist, muss ich mich damit beschäftigen, was es bedeutet und was ich will und soll und überhaupt noch kann. und dann bin ich damit konfrontiert, was andere dazu sagen und dem bin ich nicht gewachsen. definitiv nicht gewachsen, bevor ich keine eigenen antworten habe. weil mein leben, wie ich es kenne und will, vorbei ist und weil geschichte nicht in wiederholungen verläuft (auch wenn viele gerade so tun als ob doch) und zu den vielen ängsten und düsternissen kommt nun eine, die mein leben verändert, wenn ich mich ihr stelle. was ich dringend tun muss. aber ich habe angst und damit sind wir wieder beim anfang wenigstens dieses eintrags. nicht weiter wissen und deshalb angst haben ist eine sache, die die mitte des körpers schwer macht und das atmen ganz flach. und über etwas, das so wichtig, so grundsätzlich ist, mit menschen der umgebung nicht zu sprechen, macht noch einmal neue arten von einsamkeit. es ist gut, dass ich so gelähmt bin, dass ich nicht einmal über selbst-töten nachdenken kann. was gleichzeitig komisch sogar im sinne von witzig ist, weil das ja ansonsten immer gern das ist, was mir als erste lösung einfällt.

zugleich zu viele dinge: dienstag demonstrierte ein mob durch paris und stürmte das büro der fédération française de football, weil israel am 14. november ein spiel in der stadt betreiten wird, naja eigentlich weil sie antisemiten sind. einen tag später entrollten fans bei einem shampions-league-spiel zwischen paris-saint-germain und atlético madrid ein riesiges, und ich meine wirklich ein RIESIGES, transparent mit free-palestine, hamas-kämpfer, kind in libanonflagge, blutender fahne. man kann wenig dazu lesen, bestenfalls schreibt journalismus noch meldungen bei twitter ab, wie funktionäre oder minister schwatzen, dass so etwas nicht geduldet wäre. so gibt es keine auskunft dazu, wie das transparent da eigentlich hinkam, wie lange es da war, und wohin es verschwand. donnerstag nacht gab es in amsterdam schimmste antisemitische ausschreitungen gegen fans von maccabi tel aviv, die zuvor gegen ajax gespielt hatten. verstörende videos unfassbarer gewaltorgien, elal flugzeuge, die trotz shabbat geflogen sind, um die israelis abzuholen. der tagesspiegel nannte das ‘krawalle’ und ‘auseinandersetzungen’, nicht wenige haben den israelis die schuld gegeben, viele andere es an emphatie mangeln lassen. muster haben sich etabliert. bei vielen proisraelischen veranstaltungen und positionierungen beispielsweise als verweise darauf, dass der antisemitische hass (auch) menschen trifft, die die rechte regierung, nethanjahu, you-name-it kritisieren, ganz so, als ob dies ihre eintrittskarte in den schutz der gutmeinenden ist. will zunehmend schreien. in amsterdam wusste man übrigens von der gefahr: nicht nur hatten israelische behörden warnungen geschickt, die stadt hatte eine pro-palestine-demo vor dem stadion um einen kilometer verschoben aus angst vor auseinandersetzungen. wenn es nicht desaströs wäre und das leben von menschen bedroht, würde man niedlich denken und sich über naivität austauschen. in großbritannien denkt man darüber nach, ‘palestine action’ zu verbieten, in deutschland gibt es jetzt eine resoultion des bundestags mit dem titel “nie wieder ist jetzt: jüdisches leben in deutschland schützen, bewahren und stärken”, die unter anderem amnesty international für eine gefährung der grund- und menschenrechte hält. offene briefe werden geschrieben. proteste artikuliert. nichts scheint den guten menschen in kultur, wissenschaft und ngos in deutschland mehr angst zu machen, als dass jemand ihr recht auf israelhass infrage stellt oder es doch zumindest nicht mehr finanzieren will. auch am dienstag konnte Nati Ganon, der das hamas-massaker auf dem gelände des nova-festivals überlebt hatte, nach einem jahr und fast einem monat das ichilov krankenhaus verlassen. seine frau Shiran war ermordet worden, nachdem es beiden zunächst nicht gelungen war, mit dem auto zu entkommen. sie haben drei kinder: Ilay, Ori, und Mai. am montag attackierte eine gruppe männlicher jugendlicher fünf jüdische schulmädchen mit “heil hitler” rufen in einer straßenbahn in melbourne. gestern nacht wurden juden:jüdinnen in stockholm angegriffen, als sie der sogenannten reichspogromnacht gedachten. die täter warfen dabei die israelischen flaggen in einen fluss. Hagai Levine (unter anderem head of the health team of the Hostages and Missing Families Forum) hat darüber geschrieben, dass die chancen der noch lebenden geiseln mit blick auf den nun kommenden winter drastisch sinken, weil ihre körper im unterschied zum vergangenen jahr keine reserven (mehr) haben, kälte etc. zu widerstehen. heute sind es 401 tage. 401.