20240815, nachts

eigentlich wollte ich eine liebeserklärung an die neue nationalbibliothek schreiben, wo die fläche des cafes so groß ist wie die stadtteilbibliothek neukölln und wo alle arbeiten und es laut ist und es kaffee gibt und wenn man möchte schon ein bier. aber der gestrige tag war einer mit schlimmen depressionen, die mich überrollt haben, so dass ich im cafe der nationalbibliothek saß, und geweint habe. und nachts habe ich dann einen neuen tiefpunkt erreicht und selbsttötungsmöglichkeiten gegooglet. es kostet erstaunlich überwindung, nach eingabe der suche, enter zu drücken. und es ist erschreckend, im nachgang, wie sich die dinge im kopf so krass verdichten, dass es keinen anderen ausweg zu geben scheint. wie alles schmerz wird. wie wirklich keine anderen gedanken mehr möglich sind. atmen. und das schlimmste ist, dass jemand nochmal so viel macht über mich hat. dass ich es zugelassen habe, zu verzeihen und mich in eine situation zu manövrieren, in der ich nicht nur so abhängig bin, sondern in der auch der hass einer person mein leben bestimmen kann. dass er es nochmal schafft, dass ich mich so fuckingwertlos fühle, ausgeliefert bin. und dazu noch all der andere mist. und dann dieses einzig merkwürdige gefühl, wenn man am nächsten morgen aufwacht, und das schlimmste überstanden ist, also nicht die situationen und es gibt auch keine lösung gefunden, aber der blick darauf. eine sensibilität im körper, die nur daran gebunden ist. und die ein permantes abklopfen ist, ob es zurückkommt.

heute nach tel aviv gefahren und wohnungen angeguckt. mi. getroffen. auf eine kundgebung für die geiseln gegangen, klein war sie. und so laut. so viel verzweifelung. und ich stand da und wie auf dem flughafen überrollte mich dieser schmerz, der die tränen in den kopf drückt, der aus der rückkehr in die situation kommt, die sich nicht verändert hat, außer eben darin, dass weitere monate vergangen sind. die nur noch verzweifelter ist, und dann werden alle namen verlesen und dann habe ich (wieder) geweint und dann sehe ich (wieder), dass ich nicht die einzige bin. und ich dachte nicht, dass das geht, aber ich würde behaupten, dass die verzweiflung, die wut, die angst noch größer geworden sind, noch schärfer, noch greifbarer. als ich weggehe, habe ich eines kleines chatgespräch mit der ex-cottbuser:innen-gruppe und versuche, die situation zu beschreiben und in ein verhältnis zu setzen zu dem, was man in zeitungen über die verhandlungen lesen kann, zu den nüchernen analysen, die die situation darstellen und darüber nachdenken, wer was wie nicht tun kann aus politischen gründen in dieser situation. und dieser krasse schmerz steht dagegen. kann sich daran vielleicht gar nicht abarbeiten. weil was würde es bedeuten, sich da einzuordnen? anzuerkennen, dass es ja auch und vielleicht vor allem hamas ist, die die geiseln nicht rauslassen (wollen), dass die israelische regierung dies oder das nicht will und kann. dass ein deal unter den derzeitigen prämissen bedeutet, dass so eine kleine gruppe rauskommt und so viele andere eben nicht. und zwar auf unbestimmte zeit nicht. ich denke an das interview mit einer mutter, deren sohn als soldat gefangengehalten wird (habe ich schon erwähnt, oder?). es müssen alle raus, jetzt. aber das wird ja gar nicht verhandelt. und wie dieser schmerz, dieses rufen der vielleicht 1000 menschen heute auf der straße losgelöst ist von diesen politischen analysen. losgelöst sein muss. weil was sonst? und das versuche mal jemandem zu erklären, wenn du heulst vor nicht weiterwissen. und später auf dem rückweg merke ich dann aber auch, dass ich zurück bin. und dass es gut ist, dass ich zurück bin.

lange mit der schwester geschrieben, über ihren geplanten besuch und ich denke, wie gut das ist. (auch wenn man immer nur mit einschränkungen denken und planen und sich vorfreuen kann). sig. schrieb, ich sei “brave” jetzt gekommen zu sein und ich antworte, nein, ich bin nur “desperate”. und das beschreibt die situation dann doch ganz gut.