die zeit vergeht und mir fehlen die gefühle dafür. die müdigkeit, die ich schon in tel aviv hatte, hat sich verstetigt. so schlimm, dass ich manchmal nicht denken, nicht arbeiten, nicht sprechen kann. ich habe angefangen, mir sorgen zu machen, dass es doch long-covid-symptome sein könnten, an. bringt winterdepression ins spiel.
den hintergrund meiner tage hier bilden Yossi Sharabi, dessen befürchteter tod einen tag nach dem video durch den Kibbutz Be’eri bestätigt wurde, Gilad Shalit, der in kontakt zu den familien der entführten steht, Kfir Bibas, der jetzt ein jahr und drei tage alt ist. ich lese, dass die medikamente für die geiseln schließlich doch noch übergeben worden sein sollen und der preis war, dass 1000 mal so viele medizinische “kits” für die bewohner:innen gazas eingeführt werden. nicht gelesen habe ich, dass die medikamente bei den geiseln ankamen und wie es ihnen geht. ich lese von tunneln und sehe bilder aus dem einen, in dem geiseln gefangen gewesen sein könnten. ich lese von weiteren gefallenen soldaten, von auseinandersetzungen in der regierung, von erfolglosen verhandlungen, von der mutter einer toten geisel, die behauptet, idf hätte gas in die tunnel geleitet und von einem vater, der seinen am 7. oktober ermordeten sohn beerdigt hat, und jetzt erfahren musste, dass dessen kopf in einem kühlschrank in gaza gefunden wurde, nachdem terroristen versucht hatten, ihn zu verkaufen. ich schicke nachrichten nach haifa, weil mein telefon mir den raketenalarm anzeigt. ich spreche mit der freundin, deren sohn jetzt nach gaza muss und mit der anderen freundin, die aus ihrer wohnung auszieht, weil sie sie nicht mehr bezahlen kann. ich sehe bilder einer ‘friedensdemo’ in tel aviv und ich muss lachen, weil dieser irrsinn auch jetzt nicht aufhört und weil sich nach nur drei monaten dann doch wieder genügend illusionen finden.
mein alltag sind ein anderer ort und seine geschichten.
ich bin nach köln gefahren und ich bin so sozial wie es mir möglich ist. aber ich weiß nicht, wie ich es mit dem hintergrund meiner tage in einklang bringen soll. es ist ein anderes fremd-sein als fremd-sein immer war.