du brauchst nur ein bisschen abstand, um darüber schreiben zu können, sagen alle, die ich frage und auch die, die ich nicht frage und ich weiß, dass das nicht stimmt, aber ich benutze es als entschuldigung und irgendwie merke ich, dass ich sowieso nicht mehr weiß, wo ich anfangen kann. tel aviv kommt mir wieder lauter vor, heller, bewohnter, wie früher. und ich glaube, mehr tourist:innen ausmachen zu können. obwohl ich nicht weiss, ob es menschen geben sollte, die sofort losgeflogen sind. viele amerikaner:innen, so viele. aber auch schon wieder deutsche, die am strand die welt erklären. ich schlafe an manchen tagen tief und für mehrere stunden, weil ich am nachmittag plötzlich so müde bin, dass ich nicht einmal mehr stehen und sitzen oder aufmerksamkeit für irgendwas haben kann. wir sprechen viel über die veränderte gegenwart. darüber zum beispiel, dass wir nachts weniger wach werden und auf telefon gucken. schneller wieder einschlafen, auch, weil es manchmal gar keine nachrichten gibt, die uns angezeigt werden. irgendetwas von der anspannung ist verschwunden. aber dann wieder zu schnell zu reaktivieren. heute zum beispiel, als israel wieder angriffe fliegt. es heißt immer, dass nun heilen beginnen könne. ich weiß einerseits nicht, was das heißt, aber zum anderen geniesse ich, dass wir jetzt anders über die letzten zwei jahre sprechen, mehr darüber, wie einzelne momente, ereignisse, abschnitte, zeiten für uns waren. es ist irritierend erleichternd. plötzlich eine vergangenheit in dem erleben zu sehen und sie ausprechen zu können. dabei ist gleichzeitig und dabei ziemlich langsam in ein bewusstsein durchgesickert, dass hamas die ermordeten geiseln nicht einfach zurück gibt. plötzlich gibt es einen neuen rhythmus, der aber viel unvorhersehbarer ist, zum einen, weil er keinen regeln folgt, hamas einfach im laufe eines tages ankündigt, abends leichen übergeben zu wollen, dies dann irgendwann passiert und dann ein warten bis zum nächsten morgen beginnt, bis die personenn identifiziert sind. manchmal übergeben sie dann aber doch niemanden und manchmal jemanden, der keiner der entführten ist, oder, wie letzte nacht, körperteile von Ofir Tzarfati, dessen leiche bereits im dezember 2023 von der IDF in gaza geborgen worden und dann beerdigt worden war. in der zwischenzeit gibt es ein drohnenvideo, in dem zu sehen ist, dass palästinenser ein loch graben, anschließend sterbliche überreste von Tzarfati aus einem nebenliegenden gebäude holen und sie hinein legen, erde darüber verteilen und dies dann den roten kreuz-mitarbeiter:innen präsentieren als etwas, dass sie nun für sie freilegen. mein hass, mein ekel, meine fassungslosigkeit, mein erschüttert-sein waren lange nicht so groß. wirklich. ich merke, wie mein gehirn versagt beim versuch, diese grausamkeiten zu begreifen. 13 geiseln werden nach wie vor festgehalten: Sahar Baruch, Itay Chen, Amiram Cooper, Meny Godard, Hadar Goldin, Ran Gvili, Asaf Hamami, Joshua Loitu Mollel, Omer Neutra, Dror Or, Oz Daniel, Lior Rudaeff, Sudthisak Rinthalak. die angehörigen sind sehr präsent, die überlebenden nehmen in jede ihrer erklärungen auf, dass sie zurück kommen müssen. ihre angehörigen nehmen sich weiter die zeit, sich an den kundgebungen und kampagnen zu beteiligen. die beiden letzten samstag-demonstrationen, auf denen ich sein konnte, waren enorm gut besucht. und haben nun eine neue dynamik durch die neuen extreme und verzweiflungen. menschen, die mit der freilassung der 20 überlebenden ihr ketten und armbänder abgelegt haben, legen sie wieder an. es ist irgendwie schwerer, aber es geht irgendwie auch selbstverständlich weiter. obwohl ich immer wieder merke, wie sehr einige menschen wollen, dass es vorbei ist. letzten samstag zum ersten mal auf einen mob aus bibi-anhänger gestoßen, die am rande der kundgebung provozierten. das alles ist noch lange nicht vorbei, gedacht. und ja, das alles ist noch lange nicht vorbei ganz unabhängig davon, dass die 13 endlich zurück müssen. nir oz besucht. Gadi Moses wiedergesehen und Efrat lange zugehört. veränderungen gesehen. aber auch die nach wie vor zu präsente zerstörung. und nach wie vor den brandgeruch gespührt. e. zeigt mir irgendwann eine nachricht aus deutschland, in der ihr jemand schreibt, ob israel denn wirklich für diese (damals noch) 19 toten geiseln den frieden riskieren will. sie sofort in die lange liste meiner verstörungen aufgenommen und es irgendwo eingekapselt, weil auch dies zu den dingen gehört, die ich nicht verarbeiten kann. in den letzten tagen mehrfach gesagt, dass ich angst habe, zurück nach deutschland zu kommen, weil ich wieder in situationen leben werde, in denen ich bestenfalls etwas erklären kann, über etwas sprechen kann, und etwas ist eine situation oder eine erinnerung, aber nicht teil einer gleichwertigen kommunkationen als austausch über etwas bin.
das nicht schreiben wollen begann an einem abend bei s. und y., zudem ein mit ihnen befreundetes paar eingeladen war, sie künstlerin, die einige monate für eine residency in paris war und davon erzählt, dass sie sich nicht getraut hat, hebräisch zu sprechen, zu erwähnen, dass sie aus israel kommt, arbeiten auszustellen, die dies verdeutlichen. nachdem ich mich sehr lange über die situation in berlin und europa ausgelassen habe gegenüber menschen, die doch so gute erfahrungen in der stadt hatten, aber sich in italien nur trauten, sehr leise hebräisch zu sprechen, sagt die frau zu mir, wie dankbar sie dafür sei, weil sie seit ihrer rückkehr immer vermittelt bekommt, dass sie übertreibe, dass es so schlimm doch nicht sein könne, dass sie einfach nur persönlich pech hatte. ich komme tagelang nicht über diese verstörung hinweg, und auch nicht über die, dass menschen, die so gebildet sind, nicht verstehen, wie antisemitismus funktioniert, die denken, wenn sie sich nur weit genug und immer und immer wieder von der regierung distanzieren, es schon gut gehen wird für sie. ich bin so ko nach diesem abend. wobei natürlich ko sich nur als weiterer layer über ko-sein legt. wobei ich jetzt manchmal wirklich denke, dass ich mich tatsächlich wieder ausruhe, wenn ich mich hinlege. irgendwas fällt ab, irgendwelche erstarrungen lösen sich. das alles ist noch lange nicht vorbei, und ändert sich trotzdem.
auf der beerdingung von Inbar Hayman gewesen, den anfängen der beerdingungs-wege von Ronen Engel und Yossi Sharabi begewohnt. n. in jerusalem getroffen und endlich ihre mutter kennengelernt. n., die mir damit einen raum möglicher anwesenheiten aufmacht, einen rückzug in einer welt, die eine wohnung ist, die man nur aus beschreibungen einer anderen zeit kennt. ich war ewigkeiten hier. wirklich ewigkeiten die in keiner beziehung zu sieben tatsächlich zählbaren wochen stehen. ich habe keine einzige ausstellung besucht und ich habe vor allem die stadt und einige orte außerhalb ihrer grenzen nicht in der gleichen weise besucht, die ich sonst praktiziere, also des bewussten aufsuchens, der bewussten rückkehr und sei es nur für einen moment. ich habe so viele rituale abgelegt. wenigstens für diese sieben wochen. die gleichförmige selbstverständlichkeit meiner anwesenheit ist etwas, über das ich mich zwingen muss, nachzudenken. ich habe in den letzten sieben wochen irritierend wenig über meine anwesenheit nachgedacht und mich erstaunlich wenig in meiner beziehung zu ihr beobachtet.