seit ein paar tagen gibt es einen vorschlag für einen neuen deal, einen 21-punkteplan, als deren erster schritt alle 48 geiseln freikommen sollen. seit heute wird dazu in ägypten verhandelt. so nahe waren wir noch nie und manchmal erwische ich mich und andere, dass wir sachen denken wie: vielleicht mache ich das jetzt zum letzten mal oder wenn das vorbei ist, fahre ich erst einmal nach griechenland und mache urlaub oder vielleicht lohnt es gar nicht mehr, sich noch ein tshirt zu kaufen. dann erschrickt man, immer. weil hoffen geht nicht, es ist nicht gestattet oder vielleicht ist es gestattet aber die angst schnürt alles ab. wirklich. die angst schnürt alles ab. ich schlafe wieder im stunden-rhythmus und wenn ich das jemandem gegenüber zugebe, sagt er oder sie, dass auch er im stunden-rhythmus schlafen. es ist ein bisschen peinlich, weil wir alle ja wissen, dass nachts sowieso keine nachrichten dazu kommen werden. es fühlt sich an, als wäre mein körper nocheinmal unter einer neuen art der anspannung. ich kann mich wieder weniger konzentrieren. aber anders weniger konzentrieren als in den monaten nach dem 7. oktober. ich will so sehr, dass jetzt alle zurückkommen. s. schreibt, dass sie so angst hat, wer noch alles tot sein wird. weil das jemand als lebend gilt, heißt ja auch nur, dass man das gegenteil bisher nicht weiß. und ich vermute, wir haben gleich gesichter und namen und geschichten im kopf. ich habe sie. aber ich würde sie nie aussprechen. komisch, dass diese art von vorstellungen unglück aufzuhalten, immer noch funktioniert. und hamas sagt, sie brauchen mehr zeit, weil sie nicht wüssten wo alle sind. warten. auf der demo am samstag waren so viel mehr leute und es war so viel mehr eine nochmal andere stimmung. Einav Zangauker hat geschrieen, Gadi Moses hat gesprochen, Omar Shem-Tov auch und eine tante von Hadar Goldin. dieses angehörige jetzt erkennen, auch wenn man sie außerhalb des hostage-square-und-demonstrations-raumes sieht. am freitag bin ich mit einer frau aus kfar azza in den süden gefahren, erst zu einer der kreuzungen, an denen angehörige protestieren und übernachten, dann zu einer gedenkveranstaltung für Hadar Goldin. sie spricht nicht, über das, was ihr passiert ist und ich will nicht einfach danach fragen. sie erzählt von ihrer freundin als wir eine yellow gas station passieren, an der sie ihr immer kaffee gekauft hat, bevor sie sie im krankenhaus besuchte und davon, dass sie hier nie wieder gehalten hat und dass sie keinen espresso mehr trinkt. am samstag fragt sie mich, ob ich mit ihr zur gedenkveranstaltung nach kfar azza begleite und dabei erfahre ich, dass diese freundin Gila Peled war, die gemeinsam mit ihrem mann Yozar und dem sohn Daniel am 7.oktober in ihrem haus in kfar azza ermordet wurden. ein paar stunden später schreibt sie mir, sie könne nicht fahren, angstattacken und keine kraft, das haus zu verlassen. ich fahre dann nach jerusalem zu einer 101-kundgebung und erlebe zum ersten mal, wie diese veranstaltungen hass auslösen bei anwohnerinnen und vorbeigehenden. jemand schenkt mir einen weißen pullover, weil es abends nun schon kalt ist. das zentrum von jerusalem ist voll mit menschen, religiösen amerikaner:innen vor allem. es ist laut und fröhlich und überladen. es ist zu viel. und zu ungewohnt. und man kann fast vergessen, dass die realität anders ist.
jemand schrieb heute irgendwo: jetzt haben die leute begonnen, sich für die nova-party fertigzumachen und loszufahren. ich kann mich einfach nicht erinnern, was ich am 6. oktober gemacht habe. ich muss das vielleicht auch gar nicht, ich habe niemanden verloren und keine erinnerungen an ein davor festzuhalten. aber ich wüsste gern präsenter, wie das war und vielleicht konkreter trotzdem einfach gern, wie der tag davor für mich war. vermutlich langweilig, ich weiß.
ich fotografiere kaum noch. und ich weiß nicht genau, warum. ist alles um mich herum so normal für mich, dass ich es nicht mehr mit bildern bannen muss? oder bin ich einfach nicht mehr interessiert, es zu tun. entdecke ich nichts neues mehr. nichts was mich beschäftigt. wenn ich das überdenke, und das tue ich in selbstbeobachtung seit mindestens zehn tagen, ist es interessant, aber es löst nichts aus. vielleicht ist es einfach nur teil einer depressiven irgendwas.
ich sitze in meiner wohnung und draussen ist es laut und fröhlich und singen. es ist der erste abend von sukkot.