20250717, und viele tage und nächte davor

sonntag abend ein gespräch mit Dalia Cusnir gesehen, der schwägerin von Iair und Eitan Horn. sie berichtet von den bedingungen und dingen, die Iair erzählte und sagt auf die frage, was man denn tun könne, dass man jedes gespräch, das man hat, mit hinweisen auf die geiseln beginnen soll. dass man alles tun muss, damit sie nicht in vergessenheit geraten. und weil ich versuche, das sowieso schon so oft es geht zu machen und in den tagen davor wieder mal gemerkt habe, wie ich andere damit anstrenge, überfordere, nerve, langweile, habe ich plötzlich so viel erleichterung, weil ich mich für einen moment nicht alleine fühle, dass ich weine. weine weine weine, wie seit einer weile nicht mehr. und merke, dass ich das weinen vergessen habe. und dass seit wochen eine neue art von lähmung herrscht und sowieso mein atem immer zu flach geht. am freitag abend bin ich auf einer party und es ist schön, aber alles ist mir zu viel, zu laut, zu fröhlich, zu anwesend und ich muss gehen. am tag/in der nacht davor wurde klar, dass es vorerst keinen deal geben wird, die forderungen von hamas waren teilweise absurd, aber insgesamt ist es nicht gut zu sagen. war es schon immer schwierig, den verhandlungen in verlauf und outcome zu folgen, ist es jetzt wie ein knäuel. vielleicht einfach auch, weil so viel anderes passiert, dieser krieg immer schlimmer wird, die bilder und berichte von hungernden menschen alles fluten. und ich merke, wie ich rahmen verliere. wie ich weiß, dass viele der bilder und berichte fake sind und propaganda und wie ich merke, dass es niemanden mehr zu stören scheint, wie selbst menschen, die aufgeklärt sind, verstand haben, deren job das denken und analysieren ist, keine kritischen annäherungen und reflexionen mehr unternehmen, sie auch nur noch in schlagworten reagieren. alle, wirklich alle barrieren scheinen gebrochen und alle, wirklich alle gelegenheiten werden genutzt, dem eigenen antisemitismus freien lauf zu lassen. was für eine befreiung sie spüren, in was für einem high sie sein müssen. und das alles macht, dass ich mit misstrauen beschäftigt bin. mit dem gefühl, dass meine, unsere räume immer enger werden. noch enger als ich es mir vor monaten schon vorgestellt habe. ausgeliefert sein, weggeschwemmt werden. seit tagen kann ich nicht schreiben, weil all die dinge, die sich sammeln und die dinge sind antisemitische vorfälle, aufgeschrieben werden sollten und ich habe keine kraft, sie aufgereiht zu sehen, geschweige denn, ihnen nach zu recherchieren, um sie aufschreibbar zu machen. es gibt riesige riesige demos in tlv für die freilassung aller geiseln und für ein ende des krieges und es gibt kleinere proteste für die zivilbevölkerung in gaza. überlebende geben lange interviews: Emily Damari spricht unter anderem über folter, das verschleiern ihrer identität und den käfig, in den sie mit anderen gesperrt wurde. or levy spricht unter anderem davon, wie er versucht, seinem sohn seine abwesenheit zu erklären und den tod seiner mutter. ich merke, dass es überlebende und geiseln und bilder gibt, die mich einfach nicht loslassen; Iair Horn ist so jemand, Keith Siegel, Doron Steinbrecher, die Cunio-Brüder, Bar Kuperstein. aber wenn ich das aufschreibe, weiß ich, dass es nicht stimmt, weil nach und die anderen namen und andere bilder folgen und ich habe unrecht mit meiner selbst-beobachtung. deren anfang nur war, dass Iair Horn in seinem schmerz immer wieder etwas in mir aufreisst.

gestern auf dem weg zur massage in die queer for palestine variante des csd geraten und einen panischen fast-anfall bekommen. angst gehabt. nicht so sehr, dass (mir) etwas passiert, aber weil ich allein war in all diesem offensichtlichen irrsinn, diesem hass, der sich bunt und offen und alternativ gibt und räume besetzt und menschen angst macht. also mindestens mir. und vor allem weil ich darauf nicht vorbereitet war. tausende menschen. junge menschen. aus so vielen ländern. die gefeiert haben. gefeiert haben und hass gehabt haben. anschließend überlegt, ob ich bei nazi-demos früher auch so viel angst und entsetzen hatte. aber irgendwie war ich damals einfach jünger und im unterschied muss ich jetzt immer noch lernen, dass ich mit diesen menschen mit sicherheit auch nichts zu tun habe. bei nazis war das klarer. alles.

jemand fragt mich, ob die zwei-staaten-lösungen denn jetzt nicht mehr möglich sei und ich habe einige momente zu lang gebraucht um zu verstehen, dass die person keinen scherz macht. 

in köln gewesen, in frankfurt gewesen, in mainz gewesen. zum ersten mal seit sehr langem migräne gehabt, derart, die einen fenstersprung als attraktive alternative erscheinen lässt. mich problemlos an stete kommunikation mit s. gewöhnt. a. zeigt seinen film erst in jerusalem, jetzt auf einem filmfest in polen und ich überlege, ob es albern ist, dass mich das froh macht. sehr. vor ein paar nächten geträumt, dass er unbedingt zur IDF gehen will und das einzige, worüber ich mich wunderte, war, warum erst jetzt und worüber ich mich nach dem aufwachen wundere, ist, was für komische dinge in was für merkwürdigen momenten auftauchen. lila erzählt mir (noch einmal), dass sie ihre haare erst schneiden kann/wird, wenn die geiseln frei sind und die darauffolgenden tage versuche ich menschen zu erklären, dass wir alle solche dinge haben, die wir nicht oder die wir erst wieder tun können, wenn die geiseln alle zu hause sind. bei mir sind es avatare in meinen sozialen medien, die aufkleber auf meinem macbook und der bildschirm meines iphones.

das land das ich dir zeigen will ausgelesen und die sprache gemocht. das mäandern der dinge und situationen, das beschreiben, das daraus entsteht, aber manchmal das gefühl nicht losgeworden, dass die idee auch ist, alles ein- und unterzubringen oder vielleicht auch nur nicht gewusst, ob ich in einem klischee lebe, ohne es zu merken. Anschließend schutzraum. seit dem 7. oktober gelesen, sehr kurze geschichten, sehrsehr intensive geschichten. und gedacht, wie krass es ist, dass sie obwohl nach dem 7. oktober geschrieben, wie aus einer anderen zeit sind. einer, der man den schrecken und eine verzweiflung, oder einen anderen schrecken und eine andere verzweiflung noch auf eine andere weise anmerkt, als die realitäten, in denen wir jetzt sind. hätte ich energie, würde ich das vielleicht mal aufschlüsseln. naja.

Avera Mengistu kann nach fünf monaten das krankenhaus verlassen, Romi Gonan kann das krankenhaus verlassen. Nimrod Cohen ist 21 jahre alt geworden. er ist nach wie vor in gefangenschaft der hamas. die IDF konnte muhammad nasser ali kanita elimienieren, der sich an den massakern des 7. oktober beteiligt hatte und Emily Damari in der ersten zeit ihrer geiselnahme in seinem haus gefangen hielt. der von hamas 2014 entführte und ermordete Hadar Goldin ist nun seit mehr als 4.000 tagen in ihrer gewalt. Leah Mosquera ist den verletzungen erlegen, die sie während der raketenangriffe aus dem iran erlitt. Sapir Cohen und Sasha Trufanov haben sich verlobt. anfang juli veröffentlicht das Dinah-projekt seinen bericht zu den von palästinensern begangenen sexualverbrechen an frauen und mädchen auf dem nova-festivalgelände, auf den landstraßen im süden israels, in einer kaserne und in den kibbuzim. die taten wurden systematisch begannen, sexuelle gewalt als kriegswaffe eingesetzt. neu ist vor allem das ausmaß der verbrechen. enthalten sind auch berichte ehemaliger geiseln aus ihrer zeit in gaza. anfang juli nahm sich der 24jährige Daniel Edri aus safed das leben, weil er mit der gewalt und der erinnerung an die toten des 7. oktobers nicht leben konnte. er war einer der ersten, der das nova-gelände nach dem massaker erreichte und fand unter den toten unter anderem zwei seiner schulfreunde. nur etwas mehr als zwei wochen später starb der 19jährige Dan Mandel Philipson fünf tage nach einem selbstmordversuch. er war aus norwegen nach israel gekommen, um als lone soldier in der IDF zu dienen. es ist der vierte selbstmord eines soldaten in zwei wochen. 2024 waren es insgesamt 21. der dänische onlinehändler netwalker13 hat eine kollektion mit tshirts, hoodies und sweatshirts auf den markt gebracht, die slogans wie „zionists are not welcome here“ und roten dreiecken oder bildern des hamas-sprecher abu obaida tragen. vermarktet werden sie unter dem motto „global intifada“. mitte juli wird das erst kurz zuvor eröffnete koschere restaurant „king david burger“ in athen angegriffen. sechs personen stürmten gegen 22 uhr hinein, verwüsteten die einrichtung, sprühten anti-israelische graffiti und bewerfen die gäste mit antisemitischen flyern. ebenfalls in athen, am strand, beist ein mann einem israelischen touristen ein teil seines ohrs. der angreifer rief zuvor „free palestine, fuck israel, I am hamas“. das tomorrowland musik festival cancelte einen auftritt des israelischen dj Skazi, aus sicherheitsgründen, heißt es und massive drohungen propalestinensischer aktivist:innen gab es. in der vorangegangenen woche fand noch ein auftritt des israelischen trance-duo Vini Vici statt, bei dem im publikum viele israelische fahnen geschwenkt wurden. anschließend nahm die polizei allerdings zwei touristen fest, die als soldaten der IDF im gaza gewesen sein sollen. einer von ihnen sagte später aus, geschlagen worden zu sein. vorausgegangen war eine beschwerde der hind rajab foundation (HRF) und der britischen ngo global legal action network (GLAN). erstere war von dem hisbollah-nahen aktivisten dyab abou jahjah gegründet worden und hat das ziel, weltweit israelische soldat:innen anzuzeigen und zu verfolgen. der dyke marsch in berlin untersagt davidsterne. der neue leiter des kinos bio in carouge/genf, alfio di guardo, sagt für nächstes jahr das jüdische filmfestival ab. in davos bespuckt ein mann mehrere jüdische feriengäste. auf der griechischen insel syros verhindern demonstrant:innen – die zahlenangaben schwanken zwischen 150 und 300 – dass das kreuzfahrtschiff crown iris anlegen kann. an bord befinden sich israelischen tourist:innen und es wird von der israelischen reederei mano cruise betrieben. die crew muss anschließend ein anderes ziel ansteuern. rd. 50 jüdische kinder und jugendliche aus frankreich, zwischen zehn und 15 jahre alt, mussten ein flugzeug in valencia wieder verlassen, mit dem sie nach paris reisen wollten. die fluggesellschaft vueling warf ihnen vor, sie würden durch ihr verhalten die sicherheit gefährden. andere passagier:innen sagten später aus, die gruppe habe ein lied auf hebräisch gesungen. eine 21jährige betreuerin wurde auf den boden geworfen und festgenommen. später stellte sich heraus, dass ein mitglied der crew zwei der terroristen des 11. september ausgebildet hatte. um später in ein anderes flugzeug einsteigen zu können, sollten einige der kinder ihre jüdische symbole entfernen. israelische teenager werden während ihres urlaubs auf rhodos attackiert: als sie sich in den frühen morgenstunden im club „hakuna matata“ befinden, versammeln sich vor dem eingang antiisraelische demonstrant:innen. beim verlassen des gebäudes haben diese sie dann zunächst beschimpfen und dann verfolgen. einige von ihnen tragen messer. die jugendlichen versuchen sich zu verstecken, aber mindestens einer von ihnen wird von den angreifern getreten. beim größten queer electronic musik festival in deutschland, dem whole festival in ferropolis, heißt es unter anderem auf plakaten “intifada is queer”, offenbar ohne das veranstalter:innen ein problem darin sehen. macklemore darf beim deichbrand festival auftreten, er sagt, was man erwarten konnte, vor einem publikum, das genau das hören wollte und es ist auch hier letztlich allen egal. zuvor hatte meron mendel dem ganzen noch seinen segen gegeben und sich gegen eine absage ausgesprochen. kneecap, massive attack und andere antisemitische bands haben eine organisation gegründet, um sich gegen eine “zensur” zu wehren, die sie erfahren und um sich gegenseitig besser unterstützen zu können. in schweden findet eine demonstration statt, bei der hängende skelette mit kz-uniformen und dem banner “a genocide is a genocide” gezeigt werden. eine gruppe von 18jährigen israelis wird in lloret de mar zweimal angegriffen: zunächst beschimpfen und bedrohen die täter zwei der jugendlichen auf den toiletten eines nachtclubs, in der darauffolgenden nacht jagen die gleichen männer sie mit stöcken durch die straßen bis zum hotel. durch die belgische region flandern dürfen keine militärischen güter mehr transportiert werden, wenn sie für israel bestimmt sind und wenn nicht gewährleistet ist, dass sie nur zur zivilen nutzung sind. in berlin müssen die betreiber:innen des restaurants Gila und Nancy ihre geplante eröffnung am gendarmenmarkt absagen, da sie von pro-palästina aktivist:innen belästigt und bedroht werden. in münchen ziehen an einem samstag rund 750 pro-palästinensische demonstrant:innen in unmittelbarer nähe der synagoge vorbei. in der synagoge in herford können wieder gottesdienste stattfinden. in dokla, polen, werden die ruine der synagoge, die reste eines jüdischen friedhofs und ein holocaust-gedenkstein mit nazi- und mit pro-palästina-graffiti beschmiert. ein pro-palästina-camp an der uni in hannover fordert unter anderem die aussetzung aller kooperationen mit israelischen forschungseinrichtungen und setzen dabei israel in ihren schreiben immer mal wieder in anführungszeichen. an der freien universität in berlin kann eine veranstaltung zur frage “wie wir die intifada globalisieren” stattfinden. eine umfrage in den usa ergab, das ein viertel der befragten die aktuellen angriffe auf juden und jüdinnen “understandable” findet. laut einer umfrage in israel sind 74 prozent der bevölkerung der meinung, das alle geiseln in einem deal zurückkommen sollen und dafür der krieg in gaza gestoppt werden soll. anfang juli bricht ein mann in paris in mehrere häuser ein und zerstörte unter anderem gewaltsam die mesusas an den türen. in berlin beschmieren zwei palästina-aktivist:innen eine wand des bundeskanzleramts mit roter farbe. luxemburgs ehemaliger außenminister jean asselborn kann im interview mit tilo jung die verschwörungserzählung einbringen, dass israel die regierungen anderer länder kaufe. der israelische cellisten Amit Peled veröffentlicht einen beitrag in den sozialen medien, in dem er berichtet, dass ein kellner in einem restaurant in wien sich geweigerte hat, ihn und zwei andere israelische musiker zu bedienen, nachdem er gehört hatte, dass sie hebräisch sprechen. die anderen gäste hätten dies zwar beobachtet, aber niemand habe ihnen geholfen. alle aßen schweigend weiter.

england hat heute abend die europameisterschaft gewonnen.

es sind 660 tage.