shabbat dinner wie ich es mag: gutes essen mit vielen menschen, die sich alle für diese abend zusammengefunden haben. schönes haus. nördlich außerhalb von tel aviv. ich bin noch nicht dahinter gekommen, ob si. und ich befreundet sind oder ob es nur ein komisches abhängigkeitsdenken ist, weil wir gemeinsamkeiten in der berufsbeschreibung haben und menschen von außen sagen würden, dass wir sehr ähnliche forschungsthemen haben. was nicht stimmt. aber egal. nach dem essen erzählt eine anfang 20jährige studentin von ihrem leben in brüssel, davon, während des gesamten semester nicht an die uni gegangen zu sein, aus angst. davon, ihre gesamte präsenz in den sozialen medien gelöscht zu haben, da sie, obwohl sie sich nie als jüdisch zu erkennen gegeben, etwas zum 7. oktober gesagt oder zur aktuellen situation veröffentlicht hat, trotzdem angefeindet wurde. massenhaft. und davon, dass vormalige freund:innen nicht aufhörten, ihr beleidigende, fordernde, aggressive, spöttische, gemeine, antisemitische, anti-israelische nachrichten zu schicken. von isolation, fehlenden perspektiven, veränderten wahrnehmungen und räumen. sie spricht irritierend ruhig, sie ist irritierend ruhig. und wahnsinnig freundlich. wir wissen um all diese geschichten und situationen und vorkommnisse und können trotzdem für die kommenden stunden nicht aufhören, verstört zu sein. dabei ist das nicht das ende des abends. si. spricht über arbeit und ich unterbreche ihren monolog mit der frage, wie es ihr geht. nun spricht sie über die situation im land und ihre, darüber, eine ausstellung in wien über jüdische architekt:innen vorbereitet zu haben, die dann von der museumsleitung abgesagt wurde, weil man aktuell nichts zur entstehung israels machen wolle. über die angst, dass auch der jüngste sohn noch zur idf müsse während noch krieg ist. über die tochter, die vor wenigen jahren ihren armeedienst bei der einheit 414 in nahal oz geleistet hat. am 7. oktober ermordete hamas 19 frauen dieser einheit. sie waren zwischen 18 und 22 jahre als. sieben weitere soldatinnen verschlepten die terroristen von hier nach gaza: Liri Albag, Karina Ariev, Agam Berger, Daniela Gilboa und Naama Levy sind nach wie vor in ihrer gewalt, Ori Megidish konnte nach 23 tagen gefangenschaft von der IDF gerettet werden. Noa Marciano wurde von hamas ermordet, ihre leiche brachten israelische soldaten zur beerdigung zurück nach hause.
es geht nun immer um hoffnungslosigkeit. um fehlende auswege. schwindende chancen. die unmöglichkeit, positive szenarien zu entwickeln.
zum ersten mal eine der shabbat-buslinien genutzt, die von der stadtverwaltung tel aviv 2019 geschaffen wurden und finanziert werden, da sie einen transport ermöglichen (müssen), der von den nutzer:innen nicht (unmittelbar) bezahlt wird.
samstag tagsüber kunst und offene ateliers in süd tel aviv. auffallend viele porträts, auffallend oft in uneindeutigkeit gemalt. aber vielleicht ist das zufall und ich will nur etwas verbindendes, allgemeingültiges sehen. lange mit einer fotografin gesprochen, die seit 2012 ins westjordanland fährt und u.a. zur zerstörung der olivebäume der arabischen bevölkerung arbeitet. abends demonstration. seit der ermordung von Carmel Gat, Hersh Goldberg-Polin, Eden Jeruschalmi, Alexander Lobanov und Almog Sarusi sprechen allein angehörige der noch verschleppten oder überlebende. ich verstehe quasi nichts und merke nur, wie der schmerz den raum übernimmt und ein bisschen auch meinen körper. wenn die namen aller noch gefangenen verlesen und ihre bilder auf den großen leinwänden gezeigt werden, weinen immer noch viele und ich. Anat Angrest, die mutter des entführten soldaten Matan Angrest, spielte 30 sekunden einer audiodatei vor, die von den entführern/bewachern angefertigt und vor kurzem in gaza gefunden worden war. es war das erste Lebenszeichen, nachdem er am 7. oktober ebenfalls von dem armeestützpunkt Nahal Oz verschleppt wurde. sowohl die proteste werden fordernder als auch das handeln der polizei brutaler: gestern wurden 15 menschen festgenommen. wir essen danach kuchen in der wohnung von yo.s mutter und niemand weiß mehr irgendwas von zuversicht, aber jeder viel über die gedanken eines umzugs und die pässe anderer länder. aber niemand spricht von selbst über die situationen von juden:jüdinnen an diesen orten. erst nach meinen nachfragen oder kommentaren wird klar, dass niemand das nicht weiß aber die optionen eben trotzdem bestehen bleiben müssen.
dies dann auch heute bei kaffee und brot mit ja., die nicht aufhören kann, die möglichkeiten auszuloten, wieder nach london zu gehen und gleichzeitig hier bleiben will. die sich in diesem dazwischen zu nichts entscheiden kann, keine anfänge wagt, kein ende schafft. ich habe sie im märz 2023 im cafe shapira kennengelernt, da waren sie und ihre familie gerade ein paar tage im land, aliya. nach dem 7. oktober sind sie ausgereist, wenig später wiedergekommen. nicht nur, weil ihre neue wohnung hier war, und der kindergarten, sondern auch, weil die situation in london nicht auszuhalten ging, eine neue angst produziert hat oder auch nur sie endlich offensichtlich werden ließ.
heute am sehr frühen morgen schickte der yemen eine rakete. im gesamten zentrum des landes alarm, ausgenommen in tel aviv. den abend mit or. verbracht, endlich.
ich habe wieder zuhause hier. nicht nur durch die stadt, sondern auch als alltag. und ich habe panikgedanken, weil ich am dienstag nach london fliegen muss. immer gewünscht, das mal zu machen, so einen kleinen ausflug für ein paar tage außer landes. nun löst es nichts mehr gutes aus.
the cure legen eine veröffentlichung ihres albums am 1. november nahe. the twillight sad spielen in kleinen clubs und ich habe ein ticket. ein sehr vergangener ex fragt, was ich von einem philipp boa konzert im mai halte. ich kann die nachnicht nicht mal beantworten vor irritation.
345 tage 7. oktober