vor einer anderen wahl in großbritannien, ich glaube noch vor dem brexit, hingen die hoffnungen guter deutscher menschen schon einmal an einem wahlerfolg für labour. jeremy corbyn war noch ihr vorsitzender und damit eben anwärter auf das amt des premierminsters und an seinem antisemitismus bestand bereits kein zweifel mehr. dies führte zu einer der wenigen diskussionen auf twitter, in die ich mich selbst involvierte, um den hoffenden zu sagen, dass sie sich für einen antisemiten einsetzen und eine party, die, vorsichtig ausgedrückt, einen problematischen umgang mit seinem antisemitismus und dem anderer mitglieder pflegt. mir wurde daraufhin geschrieben, dass das eben so sei und nicht so wichtig in anbetracht der anderen politischen probleme. ich weiß nicht, ob es das erste mal war, dass es mir für die gegenwart so deutlich wurde, dass die guten deutschen am ende eben doch bereit sind, juden:jüdinnen und ihre ängste einfach zu opfern für die anderen politischen probleme. jedenfalls denke ich daran in den letzten tagen immer wieder mit blick auf die wahl in frankreich und auch sonst. juden:jüdinnen taugen hier wirklich nur als projektion in einem erinnerungsdiskurs, an dem sie sich bestenfalls beteiligen dürfen, wenn sie sich im sinn der sprechenden akteur:innen involvieren. Moshe Sebbag, oberrabbiner der großen synagoge in paris, rät allen (jungen) juden:jüdinnen, frankreich zu verlassen, da es dort keine zukunft für sie gibt.
y. schreibt, dass sie im museum in sydney briefe mit weißem giftigen pulver bekommen und am donnerstag morgen meiner zeit lese ich, dass auf dem dach des parlaments in canberra eine gruppe vermummter pro-palästina-aktivist:innen transparente zur auslöschung israels entrollt. es war eine woche mit drei guten veranstaltungen (ingo elbe, u.a. david hirsh, philip spencer) und damit auch ein bisschen gegen die (intellektuelle) einsamkeit. lar. schreibt mir, dass es überhaupt auf öffentlichen podien um die eigene einsamkeit geht, hätte er sich vor dem 7.oktober auch nicht vorstellen können. als david hirsh am donnerstag abend einige bilder und szenen des 7.oktobers ins gedächtnis zurückbringt, musste ich weinen und feststellen, dass dieser schneidende schmerz in meinem alltag in den hintergrund getreten ist und einer art lähmenden schmerz, einer taubheit gewichen ist, aber ersterer dann doch immer wieder zu reaktivieren ist. ganz leicht geht das. hatte ich nur vergessen. und immer wieder liege ich nachts wach und muss mich zwingen, tief einzuatmen und dabei widerstände und unbeweglichkeiten zu überwinden. ich denke immer noch oder immer wieder viel an a. und daran, dass er nichts mehr schreibt. manchmal hoffe ich dann, dass er und seine freundin einfach ihre gegenwart haben und vermute, dass er dann jetzt eben doch noch ein kind bekommt. ich kann mir solche dinge in vielen bilder ausmalen. aber dann eben auch die, dass er gebrochen ist und unbeweglich und dass die drogen zurück sind und all die gespenster.
ich notiere hier mal zur sicherheit und damit es aufbewahrt ist: die sammlungen von ereignissen, die ich notiere, sind nur die, über die ich ohne mühe stolpere. hört man menschen zu, merkt man, dass es nur ein bruchteil der realität ist, ein sehr kleiner bruchteil. andere machen gute dokumentationen, ich schreibe nur auf, was mir nahe kommt.
heute sind es neun monate. ich versuche seit tagen und zunehmend panisch zu rekonstruieren, wie der 7.oktober für mich endete und die folgenden tage verliefen. alles nach dem aufstehen, dem blick auf das telefon mit den vielen alarmen, der ankunft von an. und den nachrichtensendungen verläuft ins nichts. ich weiß es nicht mehr. nichts mehr.
demonstration für die geiseln mit rund 1.000 teilnehmer:innen. das sind so viele, dass ich zum ersten mal seit 9 monaten denke: das sind viele. weil rund 900 mehr als bei den meisten anderen kundgebungen/demonstrationen.