20240625, nachmittags

vor ein paar tagen habe ich ein foto in den accounts von bringthemhome gesehen, auf dem kniet Rachel Goldberg-Polin vor dem bild ihres sohnes Hersh auf dem flughafen ben gurion, ihr mann steht hinter ihr. gestern abend veröffentlichte das Hostages and Missing Families Forum ein video mit sequenzen der aufnahmen von terroristen, die Hersh Goldberg-Polin, Or Levy und Eliya Cohen im moment ihrer entführung zeigen. eine minute 45 sekunden lang. in den tagen davor dachte ich, dass es mir ein bisschen besser geht. jetzt denke ich das nicht mehr. und weil ich den verdacht habe, dass dieses besser-gehen nur geht, wenn man sich nicht mit der situation beschäftigt, wenn man sich an die geiseln nicht erinnert, will ich vielleicht dann doch lieber nicht, dass es mir besser geht. gestern abend beim öffentlichen fussballschauen gemerkt, wie alle um mich herum einfach nerven. es war fast schmerzhaft. und wie ich meinem begleiter meinen zustand nicht erklären wollte. weil ich nicht einsehen konnte, dass ich es überhaupt erklären muss. weil es mich kaputt macht, dass es nicht allen so geht. es hat mich immer verstört, dass nach dem holocaust die welt nicht gebrochen war, dass sich die normalität für alle ausser die überlebenden wieder (schnell) herstellte, wie sich in den nachfolgenden jahrzehnten eine erinnerungskultur entwickelte, die vor allem auch mit dieser normalität kompatibel war, sie nicht störte oder aufbrach oder hinterfragte, die einfach orte (er-)fand und stunden in wiederkehrenden tagen festlegte, um gedenken zu machen.

schlafe jeden tag mindestens zehn stunden. bekomme wenig in eine ordnung. noch weniger gedanken in eine sinnvolle reihenfolge. denke oft an a. und darüber nach, dass ich besser weniger an ihm gezweifelt hätte. nicht in dem sinn, dass ich mich ärgere, oder die zeit zurückdrehen möchte. aber in dem, dass ich mich frage, was eigentlich mein versagen in der situation war. was es besser machen würde, wenn ich nicht daran (ver-)zweifelte, dass jemand mich mag.

gestern wurde bekannt gegeben, dass Mohammed Alatrash bereits am 7. oktober ermordet und seine leiche dann nach gaza verschleppt wurde. er ist beduine, vater von 13 kindern und hatte als fährtensucher der idf den rang eines oberfeldwebels. am samstag war naama levy 20 jahre alt geworden. am samstag auf der kundgebung gegen den pro-hamas-aufmarsch in berlin waren zum ersten mal mehr als 100 menschen. mit li. telefoniert, die sich mit wasser eingedeckt und angst hat, dass ihr sohn, wenn er auf seine reise geht, nicht mehr zurück nach israel kann. mit si. geschrieben, die schon das gästezimmer für mich vorbereitet. endlich bilder von mi.s tochter bekommen, yo. angeboten, in meiner wohnung zu bleiben, wenn er das land verlassen möchte. ed. sagt, dass sie keine nachrichten guckt. der oberste gerichtshof entscheidet einstimmig, dass haredi eingezogen werden müssen. in los angeles versammelte sich am sonntag ein pro-palästina-mob vor der Adas Thora-Synagoge und griff über mehrere stunden die gemeindemitglieder und andere besucher:innen mit pfefferspray an, schlug und trat auf sie ein, beleidigte sie und/oder jagte sie durch die straßen. einer der täter hatte seine flaggenstange mit einer als waffe benutzbaren spitze versehen. wie viele menschen verletzt wurden, blieb bisher unklar.