ich schlafe viel und tief und lange, aber ich kann nicht nur nicht einschlafen, sondern habe panische angst vor dem einschlafen. seit dem ich mir den zustand des wartens bewusst gemacht habe, ist er mir fast immer bewusst. und ich pflanze die idee in die köpfe anderer wenn wir darüber sprechen, was anders ist, was unseren alltag ausmacht. o. sagt, er kann nicht glauben, dass dieser krieg seit zwei jahren unsere realität ist. dass er sich erinnert, wie am anfang einige dachten, ein jahr max. und wie unvorstellbar das erschien. ich sage, wie krass es mir ist, dass wir phasen darin haben, geschichten, verschiedene zeiten. dass die zeit weitergeht und gleichzeitig stillsteht. dass immer noch 7.10.23 ist. die unnormalität ist realität geworden und normal. ich glaube, dass ist es, was die größte veränderung für mich ist seit april 25: das es normal ist, dass ich mich auf eine weirde weise gewöhnt habe an einen ausnahmezustand. am nächsten morgen hat trotzdem immer ein coffeeshop offen, schreibe ich jmd. auf instagram und sie antwortet mit einem lachenden emoji: ja. die tage vergehen schnell und übersichtlich, in routine. wir verlassen das haus nicht, wenn die raketen aus dem yemen kommen, auch nicht als wir wissen, dass eine drohne in einem hotel in eilat einschlägt. ich merke, dass auch ich weniger auf geld achte, es ist irgendwie verschwommen, darüber nachzudenken. ich gebe zu viel aus und verspreche mir, dass ich in deutschland wieder mehr darauf achte, e. aber auch, dass ich im dezember wiederkomme und wir dann endlich mal ein paar touren machen, uns synagogen angucken zum beispiel. wir alle sind uns immer einig, dass wir nicht mehr planen und dass wir mit anforderungen von menschen in deutschland, konkrete vereinbarungen zu treffen, nichts anfangen können und auch nichts anfangen. ich sage einfach immer zu allem ja und mal sehen und habe den verdacht, dass der november zum beispiel über mir einbrechen wird. ich höre zu viel über finanzielle probleme. jedes gespräch ist immer noch nach wenigen sätzen bei den geiseln oder dem krieg, aber wir sprechen routinierter irgendwie. wie die parolen auf den kundgebungen sich wiederholen und dabei vielleicht weniger bedeuten, oder anderes, wie die geiselangehörigen wissen, dass sie allein sind und unsere versicherung אתה לא לבד eigentlich auch uns aufrecht halten soll, wie wir ein bisschen vielleicht die wiederholung und herstellung der struktur brauchen, und wie wir wissen, dass wir offensichtlich nichts ausrichten, so wissen wir in unseren gesprächen auch nicht mehr anders oder neues zu sagen, über die geiseln, und über die angst, und über den krieg. und reden trotzdem über wenig anderes. vielleicht ist es gar nicht das schlimmste, dass verzweiflung immer mehr wird und immer schwerzhafter, vielleicht ist das schlimmste, wie wir mit ihr leben lernen und wie sie sich eingräbt in unsere körper. es gibt eine für mich neue beziehung zwischen ausnahmezustand und gewöhnung. und immer denkt man: wie schlimm muss es erst für die angehörigen und freund:innen sein und immer fühlt man sich schlecht, wenn man etwas schönes macht oder wenn man es nicht hinbekommt, auf die kundgebung zu gehen. wie ich gestern.
mein gefühl sagt mir, dass ich schon wochen hier bin. dabei bin ich erst letzten freitag zum flughafen gefahren, damit e. mir mit ihrer rückkehr meinen neuen rechner übergibt, weil ich den alten drei tage vorher endgültig gecrasht habe. ich weiß nicht, was es ist mit meinen macbooks und tel aviv. dabei passiert nicht viel. und trotzdem alles. ich kann das gefühl nicht fassen, das ich habe. aber zwischendurch werden es bekannte depressionen. ich höre natürlich nicht einfach auf zu atmen, aber ich muss mich zu oft daran erinnern, es nicht zu tun. ich bekomme plötzlich komplimente, etwas, dass mir seit jahren nicht passiert ist. ich fahre nach sderot, nova-gedenkstätte und re’im. ich verstehe die erzählungen nicht und ich verstehe alles daran. das nova-gelände wird weiter zu gedenkstätte, nun mit markierten räumen, die von ereignissen erzählen sollen, von den gelben containern zum beispiel und von der mushroom bar. es gibt immer noch keine bushaltestelle, aber es gibt so viel mehr tafeln für die einzelnen opfer und viele beginnen sich in ihren inhalten zu ähneln. zwei männer kommen, die eine 2 und eine 5 als luftballon dabei haben. sie binden sie an eine der tafeln. und sie weinen. die zeit vergeht nicht. der schmerz steht zwischen den bäumen und zwischen den schildern. im hintergrund hören wir die einschläge in gaza city. sie sind viel lauter als ich sie vom dezember 2023 in erinnerung habe. aber die gedanken, die aus der verbindung von ort und geschichten und zerstörung in gaza entstehen, sind die gleichen. sie überrraschen mich nur weniger. ein angehöriger von Noa Zander führt uns über das gelände und später zu einem der shelter bei re’im. da erst verstehe ich, dass Noa Zander die frau war, von der ich im letzten jahr eine erinnerungsstätte an diesem ort gefunden hatte, zufällig, als ich nach einem gangbaren weg zur nova-gedenkstätte suchte. es war ein provisorum, klein und ist jetzt durch ein denkmal ersetzt. das erinnerungszeichen damals war für mich irgendwie ein synonym für die gegenwart der erinnerung, für ihre unmittelbarkeit und für das gefühl, dass man hier jederzeit auch unvorbereitet und jenseits des sich definierenden gedenkortes auf sie treffen kann. und vielleicht ist es in seiner jetztigen form ein synonym auch dafür, dass sie das gedenken verfestigt. die menschen, die wir in re’im treffen, sprechen mehr über die zeit ab dem 7. oktober als über den tag selbst. die reisegruppe pflanzt einen zitronenbaum, wir sehen die neuen häuser, die gebaut sind und noch werden, wir sehen weniger von den zerstörungen und dem schrecken und kaum etwas von erinnerungszeichen. als der bus zurück fährt entlang der felder und landschaften denke ich wieder, wie viele orte es hier zum verstecken gibt und wie viel vernichtungswillen die täter hatten, die zu finden.
e. ist während der tage des iran-krieges in mein zimmer gezogen und da geblieben. hat sich eingerichtet und mir ihr schlafzimmer überlassen. das ein eigenes bad hat und ein schönerer raum ist, aber eben kein schutzraum. auch das sagt irgendetwas über irgendeinen teil der situation. ich höre das interview mit Ora Rubinstein, der tante von Bar Kupershtein, und am ende hiess es plötzlich, dass wir morgen vielleicht in einer anderen situation sind; in einer, in der wir wissen, dass der krieg aufhört und alle geiseln nach hause kommen. vor ein paar tagen stand ich auf dem platz der geiseln und die tafel, die das verstreichen der zeit anzeigt, war ausgefallen und ich dachte für einen moment, wie es sein könnte, wenn wir sie nicht mehr brauchen.
noch einmal wurde ein video von Alon Ohel veröffentlicht, noch einmal mussten Eitan Horn, Yosef Haim Ohana, Ziv und Gali ihren geburtstage in der gewalt der palästinenser verbringen. Yossi Sharabi hätte seinen 55. geburtstag feiern sollen. Edan Alexander hat seine rückkehr zur IDF angekündigt. in berlin gingen am wochenende 60- bis 100.000 menschen für gaza auf die straße.