20250117, nachmittags

die situation macht, dass ich die rückkehr durchsuche nach veränderungen. und dabei zum beispiel denke, dass es für ein flugzeug voller israelis irritierend leise ist oder vor ein paar minuten auf dem weg vom cafe in die wohnung, dass das eigentlich alles auch quatisch ist, weil dass, was mir vor einigen monaten noch als neu auffiel, jetzt ja eben seit vielen monaten schon so ist. zugleich ist das wieder-kommen so selbstverständlich, dass ich das rituelle bilder-machen am flughafen vergesse und dann gar kein symbol-bild meines wieder-da-seins für meine nachrichten habe, mit denen ich die ersten verabredungen vereinbare. o. treffe ich gleich gestern einfach so und unverabredet auf der straße. das ist ja immer so ein bisschen zu-hause-gefühl und überhaupt antwortet mehr als eine person welcome home.

und jetzt also ein deal. und ich kann gar nicht einfach darüber schreiben, außer, dass man sich so momente immer auch irgendwie anders vorstellt. im flugzeug hat ein israeli zu einem deutschen gesagt, er käme zur richtigen zeit, es würde jetzt die ganze zeit einfach gefeiert werden. und die frage, in welchen realitäten menschen so leben, ist ja immer zu stellen. aber hier gerade ganz besonders. dass es nur ein drittel sind, die in den ersten 42 (oder 46?) tagen überhaupt rauskommen und dass man immer noch nicht weiß, wer noch am leben ist, wie es für die verbleibenden 65 sein wird etc. und wie viel grausamkeit in all dem steckt: erst 24 stunden vorher werden die namen jeweils bekannt gegeben, zwischen den freilassungen vergehen jeweils mehrere tage, so wie es klingt, wird man überhaupt erst kurz vorher wissen, ob jemand doch tot ist. heute morgen sind die namen der 33 personen bekannt gegeben worden:
🎗 Albag Liri, 🎗 Algart Yitzhak (Itzik), 🎗 Arayev Karina, 🎗 Ben-Ami Ohad, 🎗 Bibas Ariel, 🎗 Bibas Jordan, 🎗 Bibas Kfir, 🎗 Bibas-Silverman Shiri, 🎗 Berger Agam, 🎗 Gonen Romi, 🎗 Gilboa Daniela, 🎗 Damari Emily, 🎗 Dekel-Chen Sagie, 🎗 Horn Yair, 🎗 Vankrat Omer, 🎗 Tropnov Alexander, 🎗 Yehud Arbel, 🎗 Yehalomi Ohad, 🎗 Cohen Elia, 🎗 Levi Or, 🎗 Levi Naama, 🎗 Lifshitz Oded, 🎗 Moses Ged Moshe, 🎗 Mengistu Avraham (Avera), 🎗 Mansur Shlomo, 🎗 Sigal Keith Shmuel, 🎗 Idan Tzachi, 🎗 Calderon Ofer, 🎗 Shoham Tal, 🎗 Steinberger Doron, 🎗 Shem-Tov Omer, 🎗 Shaaban Al-Sayed Hisham, 🎗 Sharabi Eliyahu🎗

wie viele namen ich kenne, wie viele geschichten. und wie ich auch sofort weiß, wer alles nicht darauf steht. aus deutschland bekomme ich so viel vorfreude und erleichterung geschickt. und das alles hat so wenig mit der realität zu tun. und es ist ja nicht nur das schicksal der hier nun genannten geiseln und die ungewissheiten für die 65 verbleibenden, sondern auch, dass mehr als tausend terroristen rauskommen (für jede:n zivilist:in 30, für jede soldatin 50, darunter sind auch 95 frauen und jugendliche) werden und plötzlich liest und hört man hier wieder die geschichten ihrer verbrechen und damit bekommen ihre taten und die opfer wieder eine verstörende präsenz in der gegenwart und sogar ich erinnere mich sofort an einige wieder. den fehler gemacht und deutsche medien gelesen, deutsche politiker, die sich äußern und es widert mich so an. im newsblog des tagesspiegels heißt es zum beispiel heute, dass “Unter den Geiseln sind auch mindestens zehn Personen mit Deutschland-Bezug.” und wie verschwurbelt kann man sein. was soll denn das bedeuten? dass sie im schwarzwald urlaub gemacht haben? und ich weiß, die frage ist so alt wieder 7. oktober her ist, aber warum werden ihre namen nicht genannt, warum sind sie nicht teil deutscher öffentlicher erinnerung? warum wird nicht einmal jetzt zugegeben, dass zehn menschen mit deutscher staatsangehörigkeit von terroristen entführt und misshandelt und missbraucht und gefoltert und vielleicht getötet werden/wurden, scholz hat im gleichen portal eine “dauerhafte Entwaffnung der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen gefordert” und wenn es nicht so dramatisch und dumm und fern jeder realität wäre, ich könnte nie mehr aufhören zu lachen. oder naja, für zehn minuten nicht. clowns. als israel versuchte, sie tatsächlich und dauerhaft zu entwaffen, gab es nicht ganz so viel unterstützung und zuspruch aus deutschland, sag ich mal. auf palästinensischer seite wird gefeiert, und dabei vermutlich nur zu einem (geringen) teil, dass gaza nicht mehr bombardiert wird. das ganze ist ihnen ein sieg und dabei auch nur ein zwischenschritt. gefeiert haben sie auch in berlin und ich vermute in vielen anderen städten. in den nächsten tagen wird es weitere dieser widerlichen bilder sehen, und in deutschland etc. wird man davon ausgehen, dass es freude über einen waffenstillstand ist, dabei ist es jubel über freigelassene verbrecher, über etwas, dass man als sieg imaginiert (und das vielleicht sogar einer ist) und bis zum schluss werden sie versuchen, die geiseln auf ihrem weg nach israel zu demütigen und zu verängstigen.

gestern abend auf dem hostage square gewesen. viele menschen. viele medienvertreter:innen. alle warten. auch wenn schon klar ist, dass zu dieser stunde gar nichts mehr passiert. fernsehsender haben talkrunden. ich werde von einer journalistin des guardian befragt. jugendliche verteilen kleine pita mit falafel. es ist in all dem irritierend still. und trotzdem kann ich gar nicht friedlich sagen. also es gibt eine liveband, jemand spielt klavier, dann jemand anderes saxophone. aber wenn man nicht direkt daneben steht, ist es, als würden alle geräusche irgendwo anders hin gesogen. das gilt auch für den straßenlärm, für die gespräche, für den lärm, den der abbau einer bühne eigentlich machen würde. es gibt wieder tshirts mit neuen motiven und obwohl ein teil von mir auch denkt, aus sammlerinnen-gründen sollte ich welche kaufen, ist es mir zu schwer, das tatsächlich zu tun und ich kann mich nicht entschließen. jemand verschenkt neonfarbene shirts mit der aufschrift “sie sind nicht allein” und im verlauf der stunden leuchten wir immer mehr zusammen über diesen platz. einzelne menschen tragen selbstgebaute plakate und kleine installationen mit sich herum und eigentlich geht es dabei immer nur um eins: alle müssen zurück. ich kann nur schwer entscheiden, wieder in die – wunderschöne! – wohnung in dem wunderniedlichen neve tzedek zu fahren und irgendwie ist alles leise und langsam und dunkel, wenn ich es zurückdenke. ich lese von Einav Zanguaker, deren sohn nicht auf der liste ist. und lese ihre angst und all die verzweiflung. wie schlimm das ist. und wie schlimm es bleibt.